Bezirksgericht Zofingen
Vergewaltigungsprozess: DNA-Spur entlarvt den Täter

Vor dem Bezirksgericht Zofingen stand am Donnerstag ein 30-jähriger Portugiese. Er soll in Oftringen eine Frau grausam vergewaltigt, in Zofingen eine andere auf grausame Weise sexuell genötigt haben. Der Staatsanwalte forderte 14 Jahre und 3 Monate Gefängnis, der Pflichtverteidiger einen vollumfänglichen Freispruch.

Raphael Nadler
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Der Täter maskierte sich, doch das Opfer erkannte ihn. (Symbolbild)

Der Täter maskierte sich, doch das Opfer erkannte ihn. (Symbolbild)

KEYSTONE

Grausame Vergewaltigung, mehrfache sexuelle Nötigung, schwere Körperverletzung, verbotene Gewaltdarstellung, verbotene Pornografie und Übertretung gegen das Betäubungsmittelgesetz. Das sind die Straftatbestände, die gestern einem 30-jährigen Portugiesen aus Zofingen vor dem hiesigen Bezirksgericht zur Last gelegt worden sind.
Der leitende Staatsanwalt schildert detailliert, wie rücksichtslos und brutal der Mann gegen seine beiden Opfer vorgeht. Der eine Übergriff ereignet sich in Zofingen kurz vor Weihnachten 2014, am 19. Dezember. Eine damals 37-jährige Frau begibt sich an diesem Abend in den Keller des Mehrfamilienhauses, in dem sie wohnt, um Wäsche zu waschen.

Um 22.30 Uhr verlässt sie die Wohnung erneut, sie holt die Wäsche. Die Wohnungstür schliesst sie nicht ab. Als sie zurückkehrt, ist die Türe nur angelehnt und es riecht nach Zigaretten. Die Frau traut der Sache nicht, sucht Zimmer für Zimmer ab. Als sie das Schlafzimmer betritt, wartet ein maskierter Mann hinter der Türe auf sie: Er zückt ein 30 Zentimeter langes Wellenmesser und bedroht sie. Es kommt zu einem Gerangel, worauf der Mann sein Opfer verletzt. Auf dem Bett fesselt er sie mit Klebband, würgt und zwingt sie zu sexuellen Handlungen.

Danach sucht er das Weite. Die Frau ruft umgehend die Polizei. Sie glaubt, ihren Peiniger erkannt zu haben. Sie vermutet ihren Nachbarn. Die Polizei findet wenig später in einem Vorraum der Wohnung die Gegenstände, die ihn überführen. Darunter blutverschmierte Kleider, das Klebband und das blutige Messer. Schon am Tag nach dem Übergriff kommt der Mann in Untersuchungshaft.

Im Laufe der Ermittlungen stösst die Polizei auf ein weiteres Verbrechen, das dem Mann zur Last gelegt wird. Am 3. November 2009 soll er in Oftringen eine Tankstellen-Verkäuferin vergewaltigt haben. Er soll der damals 52-jährigen Frau nach Arbeitsschluss kurz vor 1 Uhr nachts abgepasst und sie, kurz bevor sie losfuhr, aus dem Auto gerissen und mit einem faustgrossen Stein bedroht haben. Zuvor hatte er drei Reifen zerstochen, um sie am Wegfahren zu hindern. Er drängte die Frau in ein Gartenhäuschen nebenan. Dort soll er sie zum Oralverkehr gezwungen und anschliessend gegen eine Viertelstunde vergewaltigt haben.

Nach dem grausamen Übergriff ist die Frau schwer traumatisiert – und ist es bis heute. Sie nimmt 10 Kilogramm ab, wird noch immer von Panikattacken heimgesucht und kann lange Zeit nicht arbeiten. Beide Frauen trauen sich nicht mehr alleine aus dem Haus, und auch tagsüber nicht in eine Tiefgarage. Die Angst verfolgt sie weiter. Jeden Tag.

«Wollte die Nachbarin erschrecken»

Auf die Spur kommt die Polizei dem Mann aufgrund eines Treffers in der DNA-Datenbank: Die genetischen Profile des Täters stimmen in beiden Fällen überein. Trotzdem bestreitet der Mann gestern vor Gericht, die Vergewaltigung von Oftringen begangen zu haben. Im ersten Fall ist er teilgeständig.

Der Portugiese wird in Fuss- und Handfesseln in den Gerichtssaal geführt. Er ist seit dem 7. August 2015 im vorzeitigen Strafvollzug in Lenzburg. Vor Gericht sagt er aus: «Ich habe meine Nachbarin nur erschrecken wollen.» Sie habe sich beim Vermieter negativ über ihn geäussert, weil er mit seiner Freundin einige Male laut gestritten habe. «Es tut mir leid», sagt er vor dem Gesamtgericht, «ich war stark betrunken, als ich das gemacht habe.» Die Tat in Oftringen bestreitet er bis zum Ende der Verhandlung. Der Mann in weissem Shirt, Jeans, weissen Turnschuhen und Gel in den kurzen Haaren spricht leise und in kurzen Sätzen auf portugiesisch. Ein Dolmetscher übersetzt. Der Angeklagte widerspricht sich öfters oder weiss gewisse Dinge nicht mehr. Um eine Konfrontation mit den beiden Opfern zu vermeiden, werden diese getrennt vom Angeklagten befragt. Die Frauen schildern nochmals, was in den jeweiligen Nächten passiert ist. Immer wieder müssen sie noch detaillierter aussagen. Die Frauen leiden dabei sehr.

Der Staatsanwalt fordert für den Angeklagten eine Gefängnisstrafe von 14 Jahren und 3 Monaten. Die Privatklägerschaft will 20'000 und 30'000 Franken plus Schadenersatz für die beiden Frauen. Der Verteidiger hingegen fordert Freispruch auf der ganzen Linie. «Die DNA-Spuren sind als Beweismittel untauglich», behauptet der Verteidiger. Ginge es nach ihm, so müsste der Staat seinem Mandanten gar eine Genugtuung zahlen — obwohl dem Mann noch weitere Straftatbestände zur Last gelegt werden. So konsumierte er ab und zu Marihuana und hatte auf dem Smartphone und seinem Computer verbotene Gewalt- und Pornovideos. Das Urteil wird am 28. September bekannt gegeben.