Eintrag vom 13. Oktober 2016:
Liebes Tagebuch,
ich habe schreckliche Neuigkeiten: Sie ist weg!
Nein, ich rede nicht von Geraldine, der schrecklichen Nachbarskatze, die meinem Menschen schöne Augen macht. Leider. Denn wenn ich könnte, würde ich sie wahrscheinlich eigenhändig wieder zurück ins Tierheim bringen.
Ich spreche von ihr, die mein Leben bereichert hat. Dem Mittelpunkt meines Lebens. Meinem grössten Schatz. Weisst du, ich durfte bereits viele Kartonkisten in meinem Leben kennenlernen. Aber keine war wie sie. Diese Kiste war besonders. Einzigartig.
Ich lernte sie im Schlafzimmer meines Menschen kennen. Ihr Name war «B-Post» (glaube ich zumindest, da war ein Schild oder so, es muss so sein) – und sie war die schönste Kartonkiste, die ich jemals gesehen hatte. Viele schöne Stunden verbrachten wir zusammen. Wenn ich nach einem anstrengenden Revierkampf wieder in mein sicheres Heim zurückkehrte, war sie da. Und wenn mein Mensch mal wieder zu einem kognitiv suboptimierten Intelligenzallergiker wurde, war sie ebenfalls da.
Doch als ich heute Nachmittag von meiner Patrouille um den Block wieder nach Hause kam, war sie nicht mehr da. Bloss mein Mensch hatte sein Gesäss auf dem Sofa positioniert und laberte etwas von «Abfallentsorgung» und «Schwiegermutter-Alarm». Als ob mich das interessieren würde!
Ich habe grössere Probleme. Dort, wo «B-Post» und ich uns früher getroffen haben, steht nun etwas, das mein Besitzer «Kratzbaum» nennt. Es sei teuer gewesen, sagt er. Eine tolle Katze wie ich verdiene nur das Beste. Aber er ist ein Mensch – und Menschen haben ohnehin keine Ahnung. So ein komischer Baum? Das Beste? Pfffffff!
Ich weiss nicht, ob ich nach dieser schmerzlichen Erfahrung je wieder einer Kiste vertrauen kann. Schlussendlich sind doch ohnehin alle Kartonkisten gleich! Sie machen dir schöne Augen (wie Geraldine, diese blöde Stubenhockerin!) und zwei Tage später sind sie wieder weg.
Kartonkisten, diese Schweine!
Ich hab's nicht so gemeint, «B-Post», falls du das liest: Komm zurück!
Bitte.
«B-Post» ...?
Wieso sollte sie das auch lesen, Tagebuch. Es steht ja in meinem Tagebuch. Hm.
Mit traurigen Grüssen,
Olga von Schnurrhausen