Kobane
Islamischer Staat (IS)

Was die Ankunft der Peschmerga für Kobane bedeutet

Kurden bejubeln einen Peshmerga-Konvoi unterswegs nach Kobane.
Kurden bejubeln einen Peshmerga-Konvoi unterswegs nach Kobane.Bild: STRINGER/IRAQ/REUTERS
Waffen, Anerkennung, Zusammenhalt

Was die Ankunft der Peschmerga für Kobane bedeutet

Begeistert werden die Peschmerga-Kämpfer im syrischen Kobane empfangen. Auf ihnen ruhen grosse Hoffnungen. Doch auf dem Schlachtfeld werden sie kaum Bedeutung haben - ihre Ankunft ist aus anderen Gründen wichtig. 
31.10.2014, 03:0831.10.2014, 03:16
Hasnain Kazim und RAniah Salloum / Spiegel Online
Mehr «Kobane»
Ein Artikel von
Spiegel Online

Sehnsüchtig werden sie schon erwartet. Als der Konvoi der irakischen Kurden-Kämpfer endlich durch die türkische Stadt Sanliurfa fährt, ist der Jubel gross. Handys werden gezückt, Fahnen geschwenkt, hin und wieder explodieren Feuerwerkskörper.

Wie Helden werden die Peschgerma gefeiert auf ihrem Weg an die syrische Grenze nach Kobane (Arabisch: Ain al-Arab). Ihr Konvoi ist ein Zeichen kurdischer Solidarität gegen die Dschihadisten des sogenannten «Islamischen Staates» (IS) über drei Länder hinweg. 

«Es geht darum welche Waffen und Munition sie uns mitbringen. Wir brauchen Waffen. Kämpfer haben wir selber.»
Kurden-Sprecher Idris Nassan

Am Donnerstag ist eine Vorhut der Peschmerga in Kobane eingetroffen. Die zehn irakischen Kurden sollen sich nun vor Ort zusammen mit den syrischen Kämpfern der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) ein Bild der Lage machen. Danach soll der restliche Konvoi folgen: Insgesamt werden 150 der irakischen Kämpfer in Kobane erwartet. 

Schon seit Monaten wehren die syrischen Kurden in Kobane immer wieder die IS-Kämpfer ab. Längst haben die Kämpfe auch die Stadt selbst erreicht. Etwa ein Drittel von Kobane sei derzeit unter der Kontrolle des IS, schätzt ein YPG-Vertreter. Nun macht die Ankunft der Kurden aus dem Irak vielen neue Hoffnung. 

Das bedeutet Ankunft der Peschmerga für Kobane

  • Schwere Waffen und Munition: «Es geht nicht darum, dass 150 Peschmerga-Kämpfer kommen, sondern welche Waffen und Munition sie uns mitbringen. Wir brauchen Waffen. Kämpfer haben wir selber», sagt Idris Nassan, Sprecher der kurdischen Volksverteidigungseinheiten zu SPIEGEL ONLINE. Die Peschmerga bringen Artillerie mit, erklärt Nassan. Denn Kobane verfügt nur über wenige schwere Waffen, während der IS gut gerüstet ist. 
  • Anerkennung für Syriens Kurden: «Dass die Peschmerga nach Kobane kommen, hat für uns mehr politische Bedeutung als militärische», sagt Idris Nassan. Bisher hält sich Europa damit zurück, die syrischen Kurdenkämpfer zu unterstützen. Denn die YPG ist ein Ableger der türkisch-kurdischen Gruppe PKK, die als Terrororganisation eingestuft wird. Den irakischen Peschmerga dagegen hilft Europa. «Wenn wir nun gemeinsam in Kobane kämpfen, werden wir Teil des internationalen Kriegs gegen den IS», sagt Nassan. «Allein können wir den IS nicht besiegen, das ist eine multinationale Organisation.» 
  • Achtungserfolg für Iraks Kurden: Die irakische Kurdenführung von der Demokratischen Partei Kurdistans (DPK) möchte das Bürgerkriegschaos dazu nutzen, um für sich selbst mehr Autonomie oder sogar Unabhängigkeit herauszuhandeln. In Kobane kämpfen nun erstmals Peschmerga ausserhalb des Iraks. Die irakische Kurden-Führung zeigt sich so staatsmännisch und unterstreicht ihre Ambition: «Kurdistan beweist, dass es auf Augenhöhe mit den anderen Ländern in der internationalen Koalition gegen den IS ist», sagte Falah Mustafa, Aussenminister der kurdischen Regionalregierung im Irak. Masud Barzani, Präsident der irakischen Kurdenregion, versprach vollmundig, man könne jederzeit mehr Peschmerga schicken, sollte die YPG das wollen. Im Irak konnten die Peschmerga in der Stadt Zumar zuletzt Fortschritte verzeichnen. Von dort aus hoffen sie im Sindschar-Gebirge eingeschlossene Jesiden-Kämpfer zu unterstützen. 

Ausser den syrischen und irakischen Kurden sind auch arabische Kämpfer der «Freien Syrischen Armee» (FSA) in Kobane. Sie gelten als der moderate Teil der syrischen Opposition, den die US-Regierung stärken will. Nach Angaben der YPG befinden sich derzeit zwischen 40 und 50 FSA-Kämpfer in Kobane. Die FSA und die Türkei sprechen von rund 200 Kämpfern. Erst seit wenigen Monaten machen syrische Araber und Kurden gemeinsame Sache gegen den IS. Das gegenseitige Misstrauen ist noch gross. 

Jetzt auf

Trotz der Hilfe von FSA und Peschmerga, trotz der US-Waffenlieferungen und der Luftangriffe drängt YPG-Vertreter Nassan auf weitere Unterstützung. «Das alles hilft uns und wird die Situation am Boden verändern», sagt er. «Aber der IS wird ebenfalls mehr Waffen und Kämpfer nach Kobane verlegen.»

1 / 8
IS-Kämpfer stehen auf dem Hügel, Sekunden später schlagen die Bomben ein
Sekunden vor dem Einschlag ...
quelle: afp / bulent kilic
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Kobane ist nur eine von vielen Fronten im Krieg gegen den IS, der sich auf zwei Länder, Syrien und den Irak, erstreckt. Im Irak wurde am Donnerstag ein Massengrab mit rund 220 Leichen entdeckt - Angehörige eines sunnitischen Stammes, der die Dschihadisten bekämpfte. Je nach Bedarf verlagert der IS zusätzliche Kämpfer und Waffen hin und her. «Das gleicht einem Fass ohne Boden», sagt Nassan. 

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
0 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!