Manchmal macht mein Liebesleben Häufchen. Nicht, was ihr euch jetzt vorstellt! Die Häufchen bestehen aus schönen Dingen, aus klugen Büchern, tollen Magazinen, ausgerissenen Seiten aus der «Zeit» und übereinander gestapelten flachen Elektrogeräten. Also alles tiptop.
Aber manchmal muss ich mich zusammenreissen, damit ich nicht klinge wie meine Mutter angesichts der Häufchen meines Vaters. Aufgeräumte Oberflächen wirken auf mich und meine Mutter nun mal einfach seltsam entspannend.
Natürlich ist dies enorm kleinlich. Denn die Vorteile, das Schöne, Grossartige, Wunderbare, das überwiegt in so einem gemeinsamen Haushalt. Und zwar Tag und Nacht. Glaubt mir. Nach elf Jahren Zusammenwohnen kann ich dies aus allertiefster Überzeugung sagen. Ich kann es schwören bei der Asche meiner Grossmutter, was ungefähr das Heiligste ist, was ich mir vorstellen kann.
Dabei hatte ich Schiss vor dem Zusammenziehen. Nicht, weil ich an unserer Liebe zweifelte, sondern weil ich nach einigen einsamen Jahren in der ersten eigenen Wohnung nicht wusste, «ob ich das kann». Es lässt sich gar nicht deutlicher beschreiben, es war ein diffuses Gefühl, ich hatte sowas vorher noch nie gemacht, es wäre mir mit meinen Exen nicht einmal ansatzweise in den Sinn gekommen.
Aber plötzlich stehst du da und weisst: Jetzt gilt es. Das ist es. Hoffentlich für immer. Und weil ihr zwei getrennte Wohnungen, vielleicht sogar zwei verschiedene WGs, langsam mühsam findet, beginnt ihr mit der Wohnungssuche. Ganz unverbindlich, eher so als Spassprojekt. Mehr so, weil ihr gerne in fremde Wohnungen reinschaut. Meist sind sie enorm hässlich. Nix mit Hipster-Fischgrät-Parkett, sondern Teppichboden und braun gekachelte Küche mit militärgrün furnierten Schränken.
Und dann steht ihr in einer Wohnung, ganz unvermittelt (das Leben ist so: unvermittelt), und wisst: Wow. Das passt. Es ist weniger eine Frage der Perfektion als eine der Atmosphäre. Eine Atmosphäre, in der ihr euch beide sofort zuhause fühlt. Uns ging es so an einem Sonntagabend kurz nach Neujahr, der Einzug war knappe zwei Wochen später, der Grossstress brach los, aber wir kriegten die Wohnung und einander noch einmal neu dazu.
Obwohl ich Schiss hatte. Vor der Nähe, den Kompromissen, den Konflikten, dem fehlenden Freiraum, der fehlenden Luft ... Was für ein Quatsch! Wenn man sich liebt, kann es gar nicht genug «Hauptsache zusammen» geben. Okay, ich habe auf getrennten Bettdecken bestanden. Ich kann das nicht. Das nicht. Aber sonst?
Sonst ist restlos alles besser. Das Einschlafen und Aufwachen. Das Zubereiten der verschiedenen Tees zum Frühstück. Das Kochen und Essen. Das Glas Whiskey (von mir) mit der dunkeln Schokolade (von meinem Liebesleben) als abendlicher Absacker. Ja sogar das Abwaschen und das Verfassen eines Einkaufszettels.
Und erst das TV- und Serien-Schauen! Es gibt nichts Schöneres! Ausser, ich will eine Sendung über irgendwelche Royals schauen, das muss ich alleine machen. Sorgen lassen sich zusammen leichter aus der Welt schaffen. Freude ist gemeinsam freudiger.
Mein Liebesleben ist bei uns der Sternekoch und DJ. Ich bin eher so fürs Einrichten und Entsorgen zuständig. Zusammen haben wir unseren kleinen, warmen, lieben und lustigen Himmel. Sogar unsere in ganz unterschiedlichen, früheren Leben angeschafften Möbel ergänzen sich irgendwie. Und wie die Möbel sind auch wir beide nicht perfekt. Meine Häufchen befinden sich bloss dort, wo man sie nicht sieht: auf dem Estrich und im Keller.
Heute, gut 25 Jahre später ist es immer noch so. Zwar nicht mehr diese Wohnung damals, aber das ruhige Glück hält an.