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Kinn der Venus, Stirn der Mona Lisa: Künstlerin Orlan liess sich operieren – ohne Narkose

Orlan in einer Aufnahme aus dem Jahr 2004. Die «Teufelshörner» auf ihrer Stirn sind das Ergebnis einer Operation.
Orlan in einer Aufnahme aus dem Jahr 2004. Die «Teufelshörner» auf ihrer Stirn sind das Ergebnis einer Operation.Bild: AP
Performance im OP

Kinn der Venus, Stirn der Mona Lisa: Künstlerin Orlan liess sich operieren – ohne Narkose

Die französische Performance-Künstlerin Orlan überschreitet mit ihren Werken Grenzen. Ihre aufsehenerregendste Performance fand vor gut 15 Jahren statt, als sie sich dabei filmen liess, wie sie operiert wurde. 
14.02.2015, 18:3115.02.2015, 10:47
William Stern
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Eine Frau – konkretes, aktuelles Beispiel: Uma Thurman – legt sich beim Schönheitschirurgen unters Messer. Hier etwas Fett weg, da etwas Fett dazu, die Nase ein bisschen konturieren, die Stirn leicht abglätten. 

Eine andere Frau – Orlan, nennt sich die Dame – legt sich beim Schönheitschirurgen unters Messer. Hier etwas Fett weg, da etwas Fett hinzu, die Nase ein bisschen konturieren, die Stirn leicht abglätten. 

Was ist der Unterschied?

Letzteres ist Kunst. 

Die Wiedergeburt

Anfangs der 90er Jahre startet Orlan ihr Kunstprojekt «The Reincarnation of Saint-Orlan». In neun Schritten will sie ihren eigenen Körper den Schönheitsidealen von bekannten Malern der Kunstgeschichte angleichen: Botticelli, Gérôme, Boucher und Da Vinci. 

Die Operationen selber gestaltet Orlan als bizarre Performances. Der OP-Tisch wird zur Bühne, auf der Orlan Gedichte rezitiert, während Chirurgen mit Skalpellen und Spritzen an ihr herumhantieren. Alles ohne Anästhesie, versteht sich.

Im Hintergrund läuft psychedelische Musik. Kruzifixe, Plastikfrüchte und Grossaufnahmen der Körperteile, die ummodeliert werden sollen, sind im Raum verteilt – alles nach den strengen Spital-Richtlinien sterilisiert. 

Die Aufnahmen aus dem OP sind nichts für Zartbesaitete: Die Haut wird vom Körper gelöst, behandschuhte Finger stochern unter der Hautoberfläche herum, Schnitte werden angesetzt, Blut spritzt auf den Boden, man fühlt sich unweigerlich an Splatter-Filme der übleren Sorte erinnert.

Die Bilder flimmern live im Centre Pompidou und in der Sandra Gering Gallery in New York über die Bildschirme und sorgen in konservativen Kreisen für einen handfesten Skandal.

Wer es sich ansehen will – Bitteschön. Gewarnt haben wir.

«Metamorphosis»

Das sind die Vorbilder von Orlans Projekt:

1. Das Kinn von Botticellis Venus

Sandro Botticelli: Die Geburt der Venus (1486) 
Sandro Botticelli: Die Geburt der Venus (1486) bild: pd/

2. Die Nase von Gérômes Psyche 

Die Königstochter Psyche (links), hier in der Version von François Gérard – Amor und Psyche (1798)
Die Königstochter Psyche (links), hier in der Version von François Gérard – Amor und Psyche (1798)bild: pd

3. Die Lippen von Bouchers Europa

François Boucher: Die Vergewaltigung von Europa (1732-1734)
François Boucher: Die Vergewaltigung von Europa (1732-1734)Bild: pd

4. Die Augen von Diana

Die griechische Göttin Diana, gemalt nach der Schule von Fountainebleu – Diana auf der Jagd (1550-60).
Die griechische Göttin Diana, gemalt nach der Schule von Fountainebleu – Diana auf der Jagd (1550-60).bild: pd

5. Die Stirn von Da Vincis Mona Lisa

Leonardo Da Vinci: Mona Lisa (1503–1506).
Leonardo Da Vinci: Mona Lisa (1503–1506).bild: pd

Die Inspiration zu ihrem Projekt «The Reincarnation of Saint-Orlan» kam Mireille Suzanne Francette Porte, wie Orlan mit bürgerlichem Namen heisst, im Jahr 1978. Damals musste sie wegen einer Fehlgeburt notfallsmässig operiert werden. Sie verzichtete auf Schmerzmittel und erlebte die Operation bei vollem Bewusstsein. «Ich spürte keine Schmerzen. Es interessierte mich schlicht, was mit meinem Körper passiert.»

Was waren die Motive für die Operationen von «The Reincarnation of Saint Orlan», die alle ohne jeglichen medizinischen Nutzen waren? «Ich wollte mit den Operationen nicht eine bessere Version von mir selbst kreieren oder mich schöner machen. Es ging mir darum, mich selbst neu zu erfinden, indem ich meinen Körper umformte.» (wst)

Und so sieht Orlan heute aus:

Aufnahme aus dem Jahr 2013.
Aufnahme aus dem Jahr 2013.Bild: wikipedia
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4 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Magic_mouse
14.02.2015 19:07registriert März 2014
Manche leute haben wirklich nichts zu tun.. Verstehe nicht was das jetzt bringen soll und kunst ist es auch nich
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