Zum ersten Mal begegne ich Max bei den Briefkästen. Da ich den Schlüssel zu meinem schon vor zehn Ewigkeiten verloren habe, muss ich meine Post jeweils mit einem Ast rausgrübeln. Das dauert je nach Menge der Post eine kleine Ewigkeit.
Als ich neulich also mal wieder einmal eine kleine Ewigkeit da stand und versuchte, den sehr vollen Briefkasten zu leeren, war Max da. Er lächelte. Ob er helfen kann. Ob er eine Bohrmaschine habe, fragte ich. Nicht für den Briefkasten, für ein Bild, das schon eeeeewig darauf wartet aufgehängt zu werden.
Das Bild war eine Notlüge.
Max' Bohrer hole ich noch am gleichen Abend im zweiten Stock rechts. Uns trennen drei Etagen. 40 Minuten und kein frisch aufgehängtes Bild später bringe ich den Bohrer zurück. Er will das Bild sehen, sagt Max.
Ich nehme ihn mit hoch. Glücklicherweise hängt da schon lange ein Bild in meinem Wohnzimmer, das ich als neu verkaufen kann. Ich biete Max ein Bier an.
Wir reden. Und trinken. Und reden. Und trinken.
Hübsch ist der Gute.
Etwas älter. Mitte 40.
Melierte Schläfen. Sehr heiss.
Single. Gerne Single, sagt er.
Ganz neu in der Stadt. Max hat zehn Jahre in Genf gearbeitet. Jetzt also der Neuanfang in Zürich.
Was mir ebenfalls sehr gut gefällt: Max stellt Fragen. Und hört zu. Das tun wenige Männer. Frauen wahrscheinlich auch. Das weiss ich halt nicht so recht. Aber Max fragt. Und fragt nach.
Sexy.
Sehr sexy.
Dann geht uns das Bier aus. Auf Wein haben wir keine Lust. Er habe noch zwei Sixpacks auf dem Balkon. Ich soll mit zu ihm kommen.
Bei ihm sitzen wir auf seinem Bett. Max hat noch kein Sofa. Praktisch so. Will nämlich sehr ins Bett mit Max.
Zwei Biere später frage ich ihn also, ob er die Wohnung denn schon eingeweiht habe. Ich weiss, nicht sehr originell. Aber effizient. Er hat nicht, will aber gerne. Er will, ich will, also tun wir es.
Und es ist genial. Dieser erste Sex fühlt sich null wie erster unsicherer Sex an. Dieser Sex sitzt. Das passt perfekt. Und die Küsse. Wooow. Nur schon die alleine lassen die Schmetterlinge in meiner Bauchgegend Achterbahn fahren.
Nach dem Sex gehe ich. Er sagt zwar, ich könne easy bleiben. Mir ist aber bei mir wohler. Findet er easy. Und hofft, dass «wir das bald wiederholen».
Sehr gerne. In Zeiten von Corona gibts ja nichts Praktischeres als eine Amour im Haus.
Wir tauschen keine Nummern. Sind ja nur drei Etagen dazwischen. Können also jederzeit sehr spontan klingeln. Super unkompliziert und so.
Drei Tage später bin ich schon um 8 Uhr wach. Ich hole beim Bäcker ums Eck Gipfeli und Kaffee. Für mich und für Max. Mega unkompliziert klingeln halt. Ev. gibts dann mega unkomplizierten Morgensex. Voll toll.
Und dann stehe ich quasi vor seiner Tür, als diese aufgeht und eine Superblondine mit sehr zerzausten Haaren und demoliertem Make-up in High Heels und Glitterjacke seine Wohnung verlässt. Sie lächelt mich mit diesem Walk-of-Shame-Lächeln an. Ich lächle zurück.
Soll ich nun bei Max klingeln? Eher nicht, oder? Noch während ich überlege, habe ich dennoch schon geklingelt. Warum weiss ich nicht genau. Aber ich weiss, dass das soeben nicht schlimm war. Wir sind uns ja nichts schuldig.
Er macht jedenfalls auf, streckt mir eine Packung von so dünnen Zigaretten und ein Playboy-Feuerzeug hin: «Das hast du vergessen!», sagt er und hält inne. «Soll ich ihr husch hinterher rennen und ihr die Zigis überreichen?», frage ich und lache.
Max ists unangenehm. «Never fuck the neighbourhood», sagt er.
Ich sag, es ist easy. Dann sage ich nein, nicht easy, es ist lustig. Vor allem aber ist es okay.
Max ist erleichtert.
Ob es sich wenigstens gelohnt hat, frage ich.
Nöö, sagt er.
Ob ich helfen kann, frage ich. Er zieht mich an sich. Der Kaffee ist ausgeleert, mein Shirt dahin.
«Schlimm?», fragt er. «Null, ich muss es einfach ausziehen», sage ich.
Max strahlt.
Wir vögeln. Wir vögeln bis weit in den späten Nachmittag rein. Dann kochen wir Spaghetti. Und schauen eine Schnulze.
Dann frage ich, ob ich diesen Text schreiben darf. Dann flippt er aus. Er glaubt mir nicht, dass ich Emma Amour bin.
Nun, lieber Max. Here we go. Die Wette habe ich gewonnen. Und nun sag mir, wann wirst du nackt unter meinem Dachfenster «All I Have To Give» singen?
PS: Sorry für die Bilderlüge.
Adieu,
Traktanden:
1. Begrüssung
2. Protokoll der letzten Sitzung
3. Der Briefkasten: Lassen wir den so oder unternehmen wir etwas?
4. Der neue Chüngel
5. Was machen wir mit dem Bock
6. Mitteilungen und verschiedenes
Haha, das liegt viel eher an deinem Beuteschema als an den Männern 😉