Wir leben im Zeitalter der Kommunikation. Im Zeitalter des Datenaustauschs. Des Datensammelns und -Hortens.
In der Unternehmenskommunikation wird auf Transparenz geschworen. Nur auf Basis glaubwürdiger und ausreichender Informationen könne eine Vertrauensbeziehung mit Stakeholdern und Mitarbeitern zugleich aufgebaut werden.
Wie die Politik mit dem Gleichgewicht aus Vertrauen und Information kämpft, wird nach jeder Abstimmung deutlich, wenn das Volk mal wieder der Elite das Vertrauen entzogen haben soll, weil sie entweder nicht genügend oder genügend glaubwürdige Informationen erhielt.
Im Supermarkt lernen wir, dass nur, wer brav seine Kundenkarte über den Scanner zieht auch darauf vertrauen darf, dass der Waren-Algorhythmus ihn auch wirklich treffend einschätzt. Und in der Folge nicht mit unpassender Werbung bombardiert.
Und nun hat Big Data auch in unsere Beziehungen Einzug gehalten. Und die Beweislast hat sich längst umgekehrt. Von Vertrauen wird nicht unausgesprochen ausgegangen. Das muss sich durch potentiell offene Social-Media-Kommunikation erstmal verdient werden. Wir kennen alle Freunde des Partners, haben seinen Kalender mit unserem Telefon synchronisiert. Schon ein unbekanntes Like in der Timeline sorgt für Verunsicherung.
Der Spruch zum über Jahre aufgebauten aber in Sekunden verlorenen Vertrauen geistert durch die Tagebücher unlängst enttäuschter Ex- und noch Liebender.
Doch hat die Redundanz der Informationen zu einem rationaleren Entscheidungsverhalten beigetragen? Sind wir dermassen durchinformiert, dass jeglicher Fehler ausgeschlossen werden kann? Kaum. Noch immer entscheiden wir aus dem Bauch, geben irrationalen Lastern nach und tun was uns schlecht tut wider besseren Wissens.
Also hilft uns das Wissen der Welt nicht mal bei den alltäglichsten Entscheidungen. Wir sind nicht in der Lage, das beste Waschmittel zu finden. Aber natürlich soll das bei den emotional unmöglich je vollständig zu überblickenden Dynamiken unserer Beziehungen funktionieren.
Vertrauen in den Anderen jedoch gebiert aus Vertrauen in uns selbst. Wer nicht an seine eigenen Stärken und Fähigkeiten glaubt, und aus psychologisch unsicherer Position auf seine Umwelt zugeht, wird sich immer unterlegen fühlen. Aus dieser Perspektive latenten Misstrauens kann nur Angst wachsen.
Wer sich hingegen sicher ist darin, den täglichen kleinen und grossen Herausforderungen gewachsen zu sein, der steht morgens vertrauensvoll auf.
Vertrauen wird nicht verdient und verloren. Vertrauen wächst nicht an den Bäumen, wird nicht von einer Institution in Folge guten Betragens vergeben wie Sternchen im Hausaufgabenheft. Vertrauen finden wir in uns und geben wir weiter. Aber eben nur, wenn wir selber darüber verfügen.
Mary Eagen fällt aus allen Wolken, als der Mann, den sie am Vortag geheiratet hat, ihr beiläufig von seiner Verhaftung, nur Stunden vor der Hochzeit erzählt. Er berichtete, als wäre doch nichts dabei, dass die gesamte Hochzeitgesellschaft von der Schlägerei in der Nacht davor gewusst hätte, die Braut aber nicht beunruhigen wollte – und ihr darum niemand etwas gesagt hätte. Alles ging schliesslich gut: Der Richter gewährte Kaution, der Bräutigam schaffte es zum Altar, die Braut heiratete den Mann, den sie liebt.
Doch jetzt sitzt sie im Auto, unterwegs in die Flitterwochen und heult. Davon überzeugt, dass ihre gesamte Beziehung auf einer Lüge basiert.
Diese Anekdote liegt Jahrzehnte zurück. Als Mary Eagen im Podcast Modern Love davon berichtet, hat ihre Ehe unterdessen noch ganz andere Klippen umschifft. Sie selbst ist heute Seelsorgerin in einem Sterbehospiz und erfährt von Menschen auf dem Sterbebett Geschichten, die diese noch nie mit irgendjemandem geteilt haben.
Sie erfährt von Untreue, Unsicherheit, kleinen und grossen Geheimnissen. Informationen, die nie mit dem Partner geteilt worden waren. Und die die Beziehung nicht im geringsten beeinträchtigten.
Wir mögen hart daran arbeiten mit der Informations-Taschenlampe jeden noch so dunklen Winkel auszuleuchten. Doch werden wir immer wieder sogar von uns selbst überrascht. Wie können wir erwarten, jemals alle Informationen über den Anderen zu haben? Und wieso ist das überhaupt wichtig?
Wir werden andere Menschen niemals komplett verstehen können. Das ist allerdings auch überhaupt nicht nötig. Denn eine liebevolle Beziehung beruht auf Vertrauen, nicht Wissen.