Keira Knightleys Körper ist einer, gegen den seit ihrem Durchbruch in «Bend It Like Beckham» 2002 so oft gerantet wurde wie gegen kaum einen andern. Meist war sie gewiss schwer magersüchtig und ein schlechtes Vorbild. Und war sie mal nicht so mager, vermutete man Cellulite, womit sie auch ein schlechtes Vorbild war. Ihre Lippen waren zu dünn oder zu aufgespritzt, ihr Busen war nicht vorhanden oder zu sehr vorhanden, weil sie keinen BH trug, ihre Kiefer zu verkrampft. Sie galt als Kleiderhaken in Chanel, das Luxuslabel, mit dem sie seit vielen Jahren einen Vertrag hat.
Jetzt hat Chanel einen Podcast mit Keira Knighley und der chinesisch-amerikanischen Regisseurin Lulu Wang gemacht. Mit einer Frau vor und einer hinter der Kamera also. Und in diesem Podcast kam mal wieder zur Sprache, was Knightley schon seit zwei Jahren in ihren Verträgen stehen hat, nämlich, dass sie keine Sexszenen mehr dreht beziehungsweise gedoubelt wird. Von einem Double, das sie aussucht und dessen Einsätze sie am Ende absegnet. Das ist am Ende natürlich auch nur ein Delegieren des Problems.
Im Podcast wird sie präziser: «Es ist ein wenig aus Eitelkeit, aber vor allem wegen des männlichen Blicks. Es ist nicht eine totale Absage an Nacktszenen, nur an solche unter männlichen Regisseuren. Ich habe genug von diesen schrecklichen Sexszenen, bei denen man eingeölt ist und alle stöhnen. Wenn es um Mutterschaft ginge, darum, wie aussergewöhnlich dieser Körper ist, und wie du diesen Körper betrachtest, der deiner ist, aber der sich auf unvorstellbare Weise verändert hat, dann wäre ich sofort dafür, dies mit einer Frau zu drehen.»
«Manchmal sage ich: ‹Yeah, ich sehe total, dass dieser Sex in diesem Film wirklich gut wäre, und du brauchst im Grunde nur jemanden, der heiss aussieht. Da musst du eine andere einstellen.›»
Als «Bend It Like Beckham» in den Kinos einschlug, war sie 17. Im gleichen Jahr drehte sie den ersten «Pirates of the Caribbean». Ein Jahr später «Love ... Actually». Und dann auch schon «Pride & Prejudice». Sie wunderte sich, dass keine ihrer Rollen so war wie die Filmheldinnen, mit denen sie von ihrer Mutter, einer ehemaligen Schauspielerin und Drehbuchautorin, auf die Filmindustrie vorbereitet worden war, mit den «schnell redenden, schnell denkenden» Filmfrauen der Nachkriegszeit nämlich.
Gab es, fragt Lulu Wang, jemals die Situation, da sie sich auf dem Dreh derart unwohl fühlte, dass sie eine Szene am liebsten geändert hätte? Eine Situation, in der die Zusammenarbeit aufhörte eine zu sein? «Als ich jung war, machte ich einfach, was man mir befahl, und sagte mir, dass ich eh nichts zu melden habe. Als ich älter wurde, lernte ich mich auszudrücken. Aber klar, man kann diese Diskussionen führen, doch wenn man nicht das Glück hat, auf jemanden zu stossen, der daran interessiert ist, nützt es nichts, es sind die Regisseure und Produzenten, die das Sagen haben.»
Mit Metoo, sind sich Wang und Knightley einig, sei endlich die Debatte losgetreten worden, dass Frauen nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera vorhanden sein müssen. Damit die Geschichten der Frauen vor der Kamera richtig erzählt würden. «Bei einem Regisseur kannst du sagen: ‹Sorry, aber so würde sich eine Frau niemals verhalten!› Und er sagt: ‹Jaja, kümmere dich nicht darum, alles gut.› Und dann sitzen wir Frauen im Publikum und denken: ‹Bitte? Das stimmt doch nicht!›», sagt Knightley.
Der Ruhm von «Bend It Like Beckham» und den «Pirates» ergab für Keira Knightley eine andere Variante des männlichen Blicks, nämlich die Dauerbeobachtung durch die Linsen der britischen Paparazzi.
Schon die Frauenfeindlichkeit der Filmindustrie sei hart zu ertragen gewesen, sie habe damals immer gehört: «Du bist einzig und allein wegen deines Aussehens hier. Was ja bis zu einem gewissen Grad auch stimmte. Aber das einem so jungen Menschen zu sagen, ist brutal.» Potenziert worden sei dies jedoch durch die Frauenfeindlichkeit der Medien, die über Filme berichtet und Frauen porträtiert hätten.
«Wenn ich das Haus verliess, versuchten sie, eine Reaktion zu kriegen, weil die Bilder mehr wert waren, wenn ich weinte. Oder sie drängten mich von der Strasse ab, weil es für Bilder von Autounfällen mehr Geld gab.» Man kann da nicht anders als an Diana und ihren Tod im Tunnel zu denken.
Die Belagerung führte dazu, dass sie Anfang zwanzig ein Jahr lang pausieren musste, weil sie unter Panikattacken litt und das Haus nicht mehr verlassen konnte. Vielleicht, sagt sie, sei sie nicht auf einen ihrer Filme am stolzesten, sondern darauf, dies überlebt zu haben.
Heute hat sie sich ihre Welt exakt so arrangiert, wie sie das will, ist 35 und glücklich: «Ich spiele jetzt die Rollen, von denen ich Kind als Kind träumte. Kraftvolle, saftstrotzende, wirklich interessante, vielschichtige Frauen.» Seit sieben Jahren ist sie mit Britpopper James Righton von den Klaxtons verheiratet, die beiden leben mit ihren Kindern im Londoner Stadtteil Islington, und gerade will Keira ihr Arbeitszimmer von «einem hässliche Gelb, was meine Idee war» befreien und frisch streichen. Eine typische Lockdown-Beschäftigung.
(sme)
Man könnte den Schauspielerinnen diese Situationen also problemlos ersparen, und dem Film würde am Ende nicht mal etwas fehlen.