Gefühle lassen sich nicht kontrollieren.
Man kann sich nicht für sie entschuldigen, nur ertragen – oder freien Lauf lassen. Sie sind plötzlich einfach da und oftmals stärker als man selbst. Es gehört schon eine gehörige Portion Mut dazu, einem Menschen seine Liebe zu gestehen.
Wenn man es kann, ist alles gut. Ist man allerdings zu schüchtern und traut sich nicht, dann tut das der eigenen Verliebtheit ja keinen Abbruch. Man bleibt weiterhin verliebt – allerdings heimlich.
Und heimlich verliebt zu sein ist alles andere als ein Zuckerschlecken.
Aber warum tun wir uns das eigentlich an?
Liebe könnte so einfach sein. Ist sie aber nicht. Stattdessen kommt sie ständig ganz furchtbar umständlich daher. Wenn man Gefallen an einem Menschen gefunden hat und tiefe Gefühle für ihn empfindet, könnte man ihm das doch einfach gestehen. Anstatt weiter in aller Heimlichkeit verliebt zu bleiben und in ständiger Ungewissheit zu leben, könnte man sich ja Gewissheit schaffen und dieser Person seine Liebe gestehen und einfach schauen, was dabei herauskommt. Entweder werden die eigenen Gefühle erwidert oder eben nicht. Doch zumindest weiss man endlich, woran man ist und jagt in Gedanken keinen Luftschlössern hinterher.
Denn ist man schon so unsterblich verliebt, dann ist es doch oft die Angst vor Zurückweisung, die uns daran hindert, einem anderen seine Liebe preiszugeben. Diese übergrosse Angst, sich lächerlich zu machen und irgendwo auch die Befürchtung aus den wunderschönen Tagträumen aufzuwachen, um anschliessend brutal auf dem Boden der Realität aufzuschlagen.
Viel zu oft ist es auch einfache eine Frage des Selbstvertrauens. Heimlich Verliebte sind in der Regel eher schüchtern.
Lieber hoffen sie inständig darauf, dass ihre subtilen Signale und nuancierten Botschaften vom Objekt der Begierde richtig gelesen werden. Und dass die andere Person schliesslich den ersten Schritt macht und auf sie zugeht.
Zeit spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle, denn Verknallte können unendlich geduldig sein.
Ist man heimlich verliebt, dann zeigt sich das trotzdem – deutlicher als es manchem wohl recht wäre.
Wir benehmen uns ganz offensichtlich anders, wenn sich die Person, für die wir Gefühle hegen, in unserer unmittelbaren Nähe aufhält. Hast du auch schon über Witze gelacht, die tatsächlich gar nicht so witzig waren? Egal, Hauptsache man lacht und nach Möglichkeit auch gleich viel lauter als alle anderen. Hauptsache wir fallen ihr/ihm auf.
Sind wir heimlich verliebt, dann suchen wir die ständige Nähe und scheren uns dabei nicht grossartig um den Anstands-Abstand (60 Zentimeter bis 1,20 Meter). Kommt ein Mensch einem näher als die besagten 60 Zentimeter, bewegt er sich in der sogenannten Intimzone.
Gehören die Verliebten allerdings zu den ganz ungeheuer Schüchternen, dann ist genau das Gegenteil der Fall. Dann wird aus der Ferne beobachtet, jede Bewegung, jedes Lächeln taxiert und bewertet. Mit schwitzigen Händen drücken wir uns dann in den Ecken rum und leiden genüsslich, süss-sauer. Während offene Charaktere eher zu einer übertriebenen und sehr gestenreichen Kommunikation neigen und in Gegenwart ihres Schwarmes kaum zu stoppen sind, sind Schüchterne eher irritiert und verwirrt und neigen mit Schamesröte im Gesicht den Kopf zum Boden.
Natürlich nutzen wir dann jede sich bietende Gelegenheit und arrangieren es so, dass sich die eigenen Laufwege so oft wie möglich kreuzen – rein «zufällig» versteht sich.
Doch sind wir so richtig verschossen, ist es weitaus mehr als das. Dann hängt unsere eigene Laune von der der heimlichen Liebschaft ab. Und davon, ob wir grade eher positive oder negative Signale auffangen.
Wir sammeln Informationen über die Person wie ein altes Poesiealbum. Wollen so viel wie nur irgend möglich über ihre/seine Hobbys, persönlichen Vorlieben, Freunde, Familie, Bekanntschaften, private Probleme und, falls vorhanden, die momentane Beziehung (Aaaahh) erfahren.
Dieses fürchterliche, einseitige Leiden, dass durch undeklarerte Liebe entsteht, ist auch ganz physisch erkennbar: Unsere Pupillen erweitern sich, wenn wir jemanden anschauen, in den wir verliebt sind.
Und warum das alles?
Weil nach der sechsten Klasse kein aprobates soziales Kommunikationsmittel mehr existiert, seine Gefühle in solchen Momenten adäquat auszudrücken.
Frankreich hat eine Lösung gefunden. Natürlich die Franzosen – die Champions der Liebe. Die Déclaration d'Amour, die Liebeserklärung, ist ein anerkanntes Ventil für diese Momente angestauten Gefühlschaos. Es unterscheidet sich explizit von einer simplen Interessensbekundung. Da gehört schon eine gehörige Dauer des stillen Vor-Sich-Hinleidens dazu, bevor es als ordentliche Déclaration d'Amour anerkannt wird.
Anschliessend wird damit aber ganz erwachsen umgegangen. Man kann sie annehmen oder mit Bedauern antworten, dass man die Gefühle leider nicht erwiedere. Und das Leben geht weiter. Man ist noch immer in der Lage, sich täglich zu sehen oder ein Gespräch zu führen.
Hiermit plädiere ich für die offizielle Aufnahme der Liebeserklärung in die sozialen Stilmittel unseres Alltags.
Für mehr Liebe, für mehr genossene Liebe.