Dass der Funke zwischen zwei Menschen auch dann überspringen kann, wenn man nicht auf der Suche nach einer sexuellen Beziehung ist, haben viele schon selbst erlebt. Sobald du sie gesehen hast, war es um dich geschehen – ein neuer Girlcrush schlich sich in dein Leben, deine Samstagabende und Social-Media-Kanäle.
Wir haben Frauen gefragt, wie sich ein Girlcrush (eine tiefe Bewunderung einer Frau für eine andere Frau) anfühlt und ob sich die anfängliche Euphorie in eine tiefgehende Freundschaft gewandelt hat.
Wann ist dir Carola zum ersten Mal aufgefallen?
Sara: Ich hatte gerade eine neue Stelle angefangen und traf sie in der Büroküche. Eigentlich hasse ich Smalltalk in der Küche, weil ich die Zeit weg vom Schreibtisch nutze, um die Gedanken zu sortieren. Aber als Carola und ich uns trafen, musste ich mich kurz als die Neue vorstellen. Da haben wir uns eine geschlagenen halbe Stunde verquatscht.
Wie fühlt sich ein Girlcrush für dich an?
Im Gegensatz zu Smalltalk einfach so unangestrengt.
Wir hatten zu der Zeit gerade beide frisch jemanden kennengelernt und uns in der Pause immer auf den neusten Stand gebracht.
Seid ihr mittlerweile aus der rosaroten Phase in eine echte Freundschaft geschlittert?
Ja. Ich glaube auch deswegen, weil wir in manchen Sachen sehr unterschiedlich sind und uns dadurch gegenseitig neue Sichtweisen eröffnen. Ich bin eher wissenschaftlich orientiert, sie ist spiritueller. Ich stehe meist auf, wenn sie gerade schlafen geht. In anderen Bereichen sind wir uns dann wieder sehr ähnlich: Es kam schon oft vor, dass wir im Büro versehentlich Partnerlook getragen haben. Wichtiger aber ist, dass wir uns gut beieinander aussprechen können und es die jeweils andere schafft, zu trösten.
Was verlangst du in einer Freundschaft, damit diese von Bestand ist?
Gemeinsame Aktivitäten verbinden. Wir sind mal ganz spontan nach Luxemburg geflogen, um ein Konzert von Rodriguez zu sehen. Das war schon fast romantisch (lacht). Bei wichtigen Meilensteinen dabei zu sein, ist auch wichtig. Carola hat meinen Junggesellinnenabschied ganz toll organisiert und sich wirklich Gedanken gemacht, was mir gefallen würde. Davon bin ich immer noch gerührt.
Ihr habt euch im Internet kennengelernt. Wie ist dir Ina dort aufgefallen?
Nadine: Ich bin Ida vor einem Jahr bei Instagram gefolgt. Nebst ihren coolen
Outfits und wunderschönen Selfies ist sie mir, ehrlich gesagt, erstmal nicht
weiter aufgefallen. Im April 2017 haben wir uns mit gemeinsamen
Freunden das erste Mal live getroffen und mir wurde direkt bewusst, wie cool
diese Frau ist. Durch Zufall haben wir uns danach immer wieder gesehen, viel
miteinander gesprochen und uns schnell gegenseitig ins Herz geschlossen.
Wie fühlt
sich ein Girlcrush für dich an?
Meine Girlcrushes fühlen sich von
Person zu Person schon unterschiedlich an. Bei Ida ist es so, dass ich mich
in ihrer Nähe einfach wohl fühle und weiss, ich kann ich selbst sein.
Auch wenn wir nach ihrem Umzug nicht viel Kontakt haben (wir chatten beide nicht so gern) habe ich immer ein wohliges Gefühl im Bauch, wenn ich an sie denke. Das Wissen um ihre Existenz in meinem Leben stärkt mir den Rücken und gibt mir Kraft.
Was ist an eurer Verbindung besonders?
Es ist für mich komplett neu,
Freundschaften mit so viel Ehrlichkeit und Kommunikation zu führen.
Manchmal kann ich es noch nicht so recht glauben und bin auch jetzt noch oft komplett euphorisch und ab und zu auch etwas überwältigt – immerhin macht man sich bei so tiefen Bindungen auch sehr verletzlich. Unsere Beziehung hat sich definitiv schnell und signifikant verändert und da bin ich auch sehr froh drüber.
Sind
Singles die besseren Freundinnen?
Das würde ich so nicht sagen.
Eher sind die besseren Freundinnen die, die sich nicht mit der neuen Person einigeln und erst wieder im Sommer oder nach der Trennung aus dem Dickicht
kommen (auch ich bin schuldig im Sinne der Anklage). Aber selbst dann kann man das
noch kommunizieren und sich seiner Bindung sicher sein – communication is key.
Was
brauchst du in einer Freundschaft, damit diese von Bestand ist?
Ehrlichkeit und Kommunikation. Rückenwind, wenn
angebracht und ehrliches Feedback, wenn ich Mist baue.
Wann und warum ist dir Nele das erste Mal aufgefallen?
Nina: Nele und ich haben uns über eine gemeinsame Freundin – Luisa – kennengelernt. Luisa und ich sind ein paar Jahre lang auf einen Reiterhof gefahren und haben dort Ferien gemacht. Als wir zum dritten Mal hin sind, ist Nele mitgefahren. Das dürfte 2011 gewesen sein, als wir in der achten Klasse waren.
Wie hast du Nele wahrgenommen?
Nele ist vom Typ her eher unauffällig. Sie hat zwar einen echt guten Style und ist auch ein schöner Mensch, aber ziemlich still und introvertiert. Das ist nichts Schlechtes, nur ist sie mir deswegen nie wirklich aufgefallen. Ich bemerkte sie erst, als ich sie durch Luisa besser kennenlernte.
Wie fühlt sich ein Girlcrush für dich an?
Ein Girlcrush fühlt sich ein bisschen an wie verliebt sein, nur ohne verliebt zu sein.
Auch lege ich vielleicht sogar mehr Wert auf die Meinung, die diese Person über mich hat, als auf jene anderer Personen. Ich möchte dieser Person gefallen und präsentiere mich von meiner besten Seite, bin sogar ein wenig schüchtern, weil ich unbedingt mit der Person befreundet sein möchte.
Ich war früher ein wenig nervös, wenn ich in Neles Nähe war. Ich wollte mich nicht blamieren.
Hat sich die anfängliche Euphorie inzwischen in eine tiefgehende Freundschaft gewandelt?
Auf dem Reiterhof hatten wir uns erstmal nur gut verstanden. Die Beziehung stärkte sich erst, als wir in der Oberstufe den gleichen Französischkurs besuchten. Wir sassen nebeneinander, haben immer zusammengearbeitet. Da unsere Oberstufe in der nächstgrösseren Stadt lag, mussten wir Zug fahren, was sich irgendwann so eingependelt hatte, dass wir morgens auf den jeweils anderen am Bahnsteig der Endstation gewartet haben.
Weil Nele wegen ihres Studiums 72 Kilometer weit wegziehen musste, sehen wir uns nicht mehr so oft. Auch wenn wir «nur» 72 Kilometer von einander entfernt sind, vermisse ich sie, da sie zu meinen engsten Freunden gehört und wir uns auf einer tiefen Ebene miteinander verstehen.
Auf was legst du in einer Freundschaft wert?
Damit eine Freundschaft von Bestand ist, muss man sich in erster Linie miteinander verstehen und auf einer Wellenlinie sein. Der gleiche Humor und dass man sich aufeinander verlassen kann, sind zwei essentielle Dinge, die für mich in einer Freundschaft nicht fehlen dürfen.
Ich lasse Personen nicht gerne an mich heran, weswegen ich lange brauche, um jemanden als Freund zu akzeptieren. Ich will mir sicher sein, dass der Gegenüber mich nicht verletzen möchte und weiss, wie er oder sie mit mir umzugehen hat.
Vertrauen steht deswegen an oberster Stelle. Ich finde es auch sehr wichtig, dass die Freundschaft von beiden Seiten aus geführt wird.
Wann
und warum ist dir Lena das erste Mal aufgefallen?
Katharina: Ich habe Lena vor etwa sechs Jahren bei einer Urban-Gardening-Aktion kennengelernt und sie war mit sofort sympathisch. Der Kontakt
hat sich danach ein wenig verloren, bis wir durch eine gemeinsame Freundin wieder öfters zusammentrafen.
Auf einer Party haben wir uns das erste Mal ordentlich seit Längerem unterhalten und gemerkt, dass wir einige Interessen teilen. Dann war irgendwie klar, dass wir uns jetzt öfters sehen werden, vor allem weil mein restlicher Freundeskreis sie auch mochte. Mittlerweile darf ich Lena zu meinen engsten und besten Freunden zählen.
Wie
fühlt sich ein Girlcrush für dich an?
Die Person ist mir von Grund auf sympathisch und es umgibt
sie eine gewisse Aura von Coolness, die sie aber auch gleichzeitig ein bisschen
unnahbar macht. Wenn es sich ergibt, dass man ins Gespräch kommt, dann versuche
ich möglichst interessant zu wirken und hoffe, dass ich ihr genauso sympathisch
bin. Sollte dies der Fall sein, dann ist der Beginn dieser potentiellen
Freundschaft immer ein bisschen aufregend und man ist dann schon auch ein wenig
stolz, dass sein Girlcrush gern Zeit mit einem verbringt.
Das heisst aber nicht, dass es nicht auch kompliziert werden kann; zwischenmenschliche Beziehungen jeder Art brauchen ein gewisses Fingerspitzengefühl und man kann Zuneigung nie erzwingen.
Was
verlangst du in einer Freundschaft, damit diese von Bestand ist?
Ich brauche das Gefühl, dass die andere
Person ehrlich an mir interessiert ist. Dass sie da ist, wenn ich sie brauche. Ausserdem müssen beide Personen die Freundschaft pflegen,
oder zumindest ein Gefühl der Wertschätzung vermitteln, wenn man gerade – aus
welchem Grund auch immer – sich nicht so oft austauschen kann, wie man vielleicht
möchte.
Für eine Freundschaft, die lange halten soll, halte ich Ehrlichkeit für essentiell, völlig egal ob es dabei um einen Film, eine neue Affäre oder einen Gesetzesentwurf geht.