Als ich jung war, so um 1990, da war die Welt total einfach. Die Menschen waren hetero-, homo- oder höchstens bisexuell. Und es gab ganz wenige Männer, die sich entweder als Frauen verkleideten oder sich «zu Frauen umoperieren» liessen.
Und dann hatte ich mein Coming-Out. Aber auch ein paar «Rückfälle». Ich fragte mich: Bin ich jetzt so richtig bi oder lesbisch mit heterosexuellen Phasen? Ist da noch irgendetwas fix und sicher? Und wieso frag ich mich das überhaupt? Alles wurde sehr kompliziert. Und garantiert wärs vielen Leuten lieber gewesen, wenn ich meine Fragen nicht auch noch laut gestellt hätte.
Aber sag das mal einem jungen Menschen! Der junge Mensch ist ja noch in allem auf der Suche und will ständig darüber reden: Was will ich mal werden? Will ich Familie oder nicht? Wer bin ich und weshalb? Wen liebe ich und wieso? Und liebe ich eigentlich mich selbst? Wenn nein, wieso nicht? Wie könnte ich mich mehr lieben? Wo ist mir am wohlsten?
Umso erfreulicher ist deshalb «Kreuz & Queer», eine Koproduktion von SRF mit «Vice». Das Web-Video-Format, das am 3. April gestartet ist, zeigt junge Menschen, deren Geschlechteridentität «queer» ist, also nicht festgeschrieben, ein riesiges, vieles umfassendes Experiment. Es umfasst alle Schattierungen sexueller Identität abseits der klassischen Feld-Wald-und-Wiesen-Heteronormativität.
Weil das Schweizer Fernsehen weder von Jugend noch von Sexualitäten, die nicht direkt «bi de Lüt» sind, wirklich eine Ahnung hat, ist die inhaltliche und produktionstechnische Verantwortung an das Online-Magazin «Vice» ausgelagert worden. Finanziert wird «Kreuz & Queer» gemeinsam. Und was kommt dabei heraus? Wir begegnen jungen Menschen aus der Schweiz, die sich selbst eine glückliche neue Normalität und – ganz wichtig – eine Community geschaffen haben.
Milky Diamond, Lou und Fynn, den dreien, die in der ersten Aprilwoche gezeigt werden, ist es wohl mit sich und der Kamera. Drag-Artist Milky Diamond ist ein Fetischist der glitzrigen Oberfläche. Lou, will sich weder für eine männliche noch für eine weibliche Identität entscheiden müssen, ist brutal reflektiert und theoretisch versiert und akzeptiert Ausschliesslichkeit in keinem Fall. Lou hätte Mühe, mit einer Frau zu schlafen, die sich «nur» als Lesbe definiert. Und Transmann Fynn ist am glücklichsten, wenn die Welt in ihm einen jungen Mann sieht. Er liebt das Wort «er» viel mehr als «sie», sagt er.
Leider ist in jeder Folge auch noch Moderator Florian Sonderegger zugegen. Weiss der Mann, worum es hier geht? Fühlt er es? Zu vieles klingt auswendig gelernt. Engagement und Empathie drücken sich anders aus. Aber vielleicht muss das so sein. Vielleicht ist das Konzept. Dieser von allen Zweifeln unbeleckte (okay, das ist eine böööse Unterstellung!) Hetero-Blick auf die schillernden Mikroparadiese der andern.
«Kreuz & Queer»: 25 Episoden à ca. 5 Minuten, zu sehen auf der Online-Seite von SRF Virus, auf der Youtube-Seite von SRF Virus oder bei Vice. Eine zweite Staffel ist für den Herbst geplant.
Wenn jemand Trans ist, wieso fühlen sich andere Menschen angegriffen. Es betrifft Sie ja nicht. Let people be people, alright?