Leben
Gefühle

Geschichten über New York – darum lieben und hassen Menschen die Stadt

«Meine allererste Nacht verbrachte ich im Knast» – New Yorker über ihre Stadt

New York, New York ...Bild: AP/AP
Der Big Apple – man mag die Stadt lieben oder hassen – einen ganz besonderen Reiz hat sie aber. Gestandene New Yorker erzählen aus ihrem Leben und von ihrer Beziehung zur Metropole. 
23.07.2017, 19:4824.07.2017, 10:03
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Spricht man mit New Yorkern über ihre Stadt, fällt schnell das Wort «Hass-Liebe». Wie in vielen Grossstädten liegt das Positive sehr nah am Negativen: Man steigt über Obdachlose, um bei einem Gratiskonzert am Union Square eine besser Sicht zu haben. Man watet durch überflutete Subway-Stationen, um im Restaurant um die Ecke den nächsten Foodtrend auszuprobieren. Man beisst monatelang die Zähne zusammen und trotzt eisigem Wind und Blizzards, um während der Sommermonate am Strand zu liegen und Nächte auf Dachterrassen durchzutanzen.  

Es dauerte eine Weile, bis ich mich hier heimisch fühlte. Seit das der Fall ist, verstehe ich aber, was die Menschen meinen, wenn sie vom Suchtpotenzial der Stadt reden. Aber lassen wir sie selbst erzählen. Darüber, weshalb sie die Stadt lieben und sie zeitweise auch hassen.

Jahmad (25)

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Kommt aus L.A. und lebt seit mehr als drei Jahren in New York.
«Meine allererste Nacht in New York verbrachte ich im Knast. Ich war 19 Jahre alt und bei Freunden zu Besuch. Die Polizei erwischte mich beim Trinken auf der Strasse und da ich damals wie ein Skater angezogen war, waren sie sich sicher, dass ich einer Gang angehöre. Nach diesem Erlebnis war ich überzeugt: Diese Stadt ist nichts für mich! Nur drei Jahre später kehrte ich eines Jobs wegen zurück – ich arbeite als In-House-Fotograf bei Marc Jacobs und liebe meine Arbeit. New York ist durchaus mühsam, vor allem die kalten Winter. Aber der Reiz der Stadt liegt darin, dass hier wirklich alles passieren kann. Wie an dem Abend, als ich eigentlich gar nicht ausgehen wollte, es dann aber doch tat und unverhofft mit Leonardo DiCaprio ins Gespräch kam.»

A (51) und Hani (49) mit Hund Max (10)

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Sind vor elf Jahren aus Thailand, beziehungsweise Kuwait nach NYC gezogen.
A: «Wir sahen uns während drei Jahren regelmässig im Central Park beim Besuch von Gratiskonzerten. Als ich zufällig gleich neben Hani einzog, wurden wir ein Paar. Der Vibe dieser Stadt ist unvergleichlich, ausruhen ist hier aber nicht. Es macht so viel Spass, hier zu leben, aber ich muss stets darauf achten, meine Energie aufrecht zu erhalten. Mein Rezept: Ich tue, was ich liebe. Letzten August haben wir zusammen ein thailändisches Restaurant aufgemacht. Ich liebe es, für Gäste zu kochen und sie zu bedienen. Mein Mann sorgt für die Musik.»

Eva (24)

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Zog vor sechs Jahren aus L.A. hierher.
«Mir rannte in der Subway eine fette Ratte über den Schuh. Meine Freundin und ich schauten uns bloss unbeeindruckt an und setzten unser Gespräch fort – in dem Moment wusste ich, nun bin ich eine wahre New Yorkerin! Über solche Dinge schaue ich aber grosszügig hinweg, denn hier kann ich meinen Traum als Tänzerin und Kostümdesignerin leben.»

Jason (40) mit Tochter Nomi (3)

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Lebte schon in Paris, Tokyo, Seoul, Stockholm und San Francisco – aber NYC nennt er seit 19 Jahren sein Zuhause.
«Von allen Städten, in denen ich schon gelebt habe, ist es DIE Stadt.»
Jason
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«Ja, ich trage diese Schuhe, weil Nomi sie mag. Passend dazu haben wir uns gestern gegenseitig unsere Fingernägel lackiert. Hier zu leben, gefällt mir zwar immer weniger, insbesondere aufgrund der steilen Preise, aber meiner Tochter wegen bleibe ich. Wir gehen pro Woche bestimmt in vier verschiedene Museen. Heute gehen wir ins Noguchi Museum. Klar, will ich auch, dass sie von Natur umgeben ist, aber das muss warten. Nomi, was liebst du an New York?» – «Als wir campen waren.» – «Ach so, da waren wir in Maine, ja.» – «Was noch?» – «Als wir auf dem Hudson River rudern waren.»

Jamie (35)

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Lebt seit 16 Jahren mit Unterbrüchen in New York.
«The only way to stay in New York is to leave.»
Man hält es nur in NYC aus, wenn man die Stadt immer wieder mal verlässt.Jamie
«Seit 2001 verschlägt es mich immer wieder hierher. Offensichtlich liebe ich diesen Ort. In letzter Zeit denke ich aber bedeutend mehr darüber nach, wie sehr ich ihn hasse: die schlechte Luft, der Abfall überall, der öffentliche Verkehr, der scheisse ist. Aber dann steige ich in die Subway ein und dort spielt jemand wunderschöne spanische Musik auf der Gitarre – oder irgendein Verrückter tanzt mitten im Winter im Tanga durch den Waggon. Das ist wunderbar! Ganz zu schweigen vom künstlerischen Boom in dieser Stadt. Als Schauspielerin gibt es hier einfach bedeutend mehr und gut bezahlte Jobs als in New Orleans, wo ich herkomme.»

David (47)

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Zog vor sechs Jahren aus Massachusetts hierher.
«Seit einem Jahr pendle ich jeden Tag 1.5 Stunden zur Arbeit als Postangestellter. Und das für einen Stundenlohn von 13 Franken. Aber es ist es mir wert, denn hier in Williamsburg treffe ich auf inspirierende Menschen. Gerade gestern kam eine Frau vorbei, um ihr Buch drucken zu lassen. Sie ist Stripperin und hat eine Biographie geschrieben. Der Spruch ‹Wer es in NYC schafft, der schafft es überall› ist Schwachsinn. Es ist genau anders rum: In NY schafft es jeder, die Möglichkeiten sind endlos. Ich arbeite zum Beispiel nebenbei auch als Musikfotograf.»

Anna (33)

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Lebt seit elf Jahren in NYC und entdeckt erst gerade den Broadway.
«Ich hadere schon seit eh und je mit meinem Aussehen. Bin ich zu dick, zu dünn, gar zu knochig? Heute habe ich das erste Selfie in diesem Jahr überhaupt geschossen. Und gestern erst sagte ich meiner Schwester, dass ich meine Augen schön finde. Es ist schwierig, wenn ich an den Times Square gehe und mich makellose Schönheiten von den Plakatwänden aus anlächeln. Ich bin aber auf gutem Weg, mich selbst zu lieben. Ich habe mir gerade eben dieses Buch mit Liebesgedichten von Rumi gekauft.»

Nelson (42)

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Lebt seit 15 Jahren in New York.
«Entschuldige, ich spreche nicht so gut Englisch ... Ich komme aus Puerto Rico. New York ist ok; meine zwei Söhne und mein Grossvater leben hier. Aber ich vermisse Puerto Rico, wo meine drei anderen Kinder leben. Ich war seit sieben Jahren nicht mehr Zuhause, aber bald habe ich zwei Wochen Ferien von meinem Job als Hilfskoch und dann gehe ich sie besuchen.»

Cynthia (25)

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Lebt seit elf Jahren in New York.
«Puh, die Männer – das nervt mich an New York! Als wäre die Stadt nicht schon laut genug, ohne dass sie einem ständig hinterherrufen. Sie können echt aggressiv sein. Darum laufe ich meist mit Kopfhörern durch die Gegend. Um dem Lärm zu entfliehen, nehme ich am liebsten die Metro-North Railroad und gehe nach Beacon, Poughkeepsie oder in die Catskill Mountains zum Wandern.»

Shimon (30)

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Ist in New York geboren und aufgewachsen.
«Ich verstehe den Hype um New York nicht. Für mich ist es eine Stadt, wie jede andere auch. Das liegt wohl daran, dass ich hier aufgewachsen bin. Als Tätowierer ist die Stadt für mich himmlisch; ich finde überall Inspiration. Nur die Hitze im Sommer, ohne die könnte ich gut leben. Sorry, aber ich muss weiter, die Arbeit ruft. Typisch New Yorker eben, nie haben wir Zeit.»

Augenweiden – Bilder aus aller Welt

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Augenblicke – Bilder aus aller Welt
Zoo Berlin: Panda Weibchen Meng-Meng mit einem ihrer gerade geborenen Babies am 2. September 2019.
quelle: epa / zoo berlin handout
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