05.01.2018, 15:4605.01.2018, 16:49
Am 1. Januar um 0:47 Uhr kommt in einem Wiener Spital das Neujahrsbaby zur Welt. Es ist 51 cm gross, wiegt 3460 Gramm, heisst Asel und ist die Tochter von Naime und Alper. Stolz teilt das Spital ein Foto der glücklichen Familie auf den sozialen Medien, und schon geht der Shitstorm los. Erstens, weil die Mutter ein Kopftuch trägt. Zweitens, weil Asel kein deutsch klingender Name ist.
«Nächster Terrorist ist geboren», schreibt einer. «Hat die Frau Krebs? Oder warum trägt sie ein Kopftuch? Kalt wird es ja wohl nicht sein», ein anderer. «Auch 2018 sind Mehmet und Fatma nicht erwünscht» – und so weiter. Die Organisation Netpeace, die sich gegen Hass im Netz einsetzt, sammelt die Kommentare und mahnt: «Eigentlich sollte die Geburt eines Babys Grund zur Freude sein.»
Bild: facebook/netpeace
Auf der FPÖ-nahen Plattform Unzensuriert.at ist zu lesen: «Übrigens: Das
Neujahrsbaby österreichweit ist in diesem Jahr ein Kind österreichischer
Eltern namens Julia. Eine echte Rarität!» Der ehemalige Unzensuriert-Chefredaktor ist Alexander Höfl. Sein aktueller Job: Kommunikationschef im Innenministerium.
Einem Mann wird das zuviel: Der Wiener Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner ruft am 3. Januar zum Gegenteil eines Shitstorms auf, zum Flowerrain. Er schreibt auf Facebook:
«Das
ist das Wiener Neujahrsbaby und seine glücklichen Eltern. Das süsse
Mädchen war bereits in den ersten Stunden nach seiner Geburt einer
unvorstellbaren Welle von Gewalt- und Hasskommentaren im Netz
ausgeliefert. Es ist eine völlig neue Dimension von Hass im Netz gegen
ein unschuldiges Neugeborenes.
Ich will das so nicht hinnehmen und
sammle hier in den Kommentaren jetzt Glückwünsche,
nette Worte und Willkommensnachrichten für das entzückende Baby und
seine Eltern. Diese Nachrichten möchte ich dann ausdrucken, binden
lassen und der Familie übergeben. Ich wünsche mir einen regelrechten #flowerrain für das Neugeborene namens Asel. Wer ist dabei?»
Facebook
Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner, Mann der Herzen.bild: Facebook/klaus schwertner
Abertausende wollen dabei sein. Innerhalb eines Tages schicken 20'000 Menschen liebe Worte, über 10'000 teilen Schwertners Post. Selbst die «New York Times» schreibt darüber. Schwertner will die Botschaften ausdrucken, zu einem Buch binden und der Familie überreichen.
«Kleines liebes Mädchen, mögest Du in Zukunft in einer friedvollen Welt aufwachsen, ohne Hass und Vorurteile! Alles Gute für Dich und Deine Eltern!»
Facebook-Userin Elif
«Liebe
Asel, willkommen auf dieser Welt! Und keine Bange – nicht alle
ÖsterreicherInnen wünschen dir Schlechtes. Ich kenn ganz viele, die dir
nur Gutes wünschen!»
Facebook-User Gebhard
Asel schläft, alle andern strahlen.Bild: kav-spital rudolfstiftung/votava
Am Freitagmorgen ist der Post verschwunden. Schwertner protestiert:
«Lieber Mark Zuckerberg
Was ist da los? Ich kann es nicht glauben: Mein #flowerrain
Posting an das Wiener Neujahrsbaby Asel und ihre Eltern ist über die
Nacht plötzlich weg. Ich vermute es wurde von Facebook gelöscht! Wir
lassen uns aber nicht klein machen, wir lassen uns nicht unsichtbar
machen, wir lassen uns nicht entmutigen.»
Facebook
Mit Erfolg. Nach ein paar Stunden erscheint der Post wieder auf Facebook und der Flowerrain der Liebe für die kleine Asel und ihre Eltern geht weiter.
(sme)
So friedliche Vierlinge hast du noch nie gesehen
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Ich wünsche den Eltern und Asel alles gute.
#flowerrain 💮🏵️💮
Dass es tatsächlich Leute gibt, die Mutter und Kind aufgrund ihrer Herkunft oder ihres äusseren Erscheinungsbildes kritisieren, sagt mehr über die Verfasser der Kommentare selbst aus als über irgendjemanden sonst.
Beschämend.
Der Medienkonzern Facebook hats komplett nicht mir im Griff 🤦🏼♂️
Alles Gute kleine Erdenbürgerin!