Irgendein sadistisches Genie hat mal Boholmen erfunden. Wahrscheinlich sass es in einem schön gestalteten Blockhaus an einem schwedischen See, delektierte sich an einem Dreierlei vom Elchfilet und fragte sich: Wie schaffe ich es, dem kommunen Feriengast am schnellsten ein schwer therapierbares Abwaschtrauma aufzudrücken?
Boholmen ist das Küchenutensil, das ich in den Airbnb-Wohnungen der letzten Jahre am häufigsten angetroffen habe. Boholmen ist eins der günstigsten Spülbecken von Ikea. Es ist zu schmal und zu tief, ein grosser Teller hat höchstens hochkant Platz, eine Bratpfanne lässt sich nur mit viel Akrobatik reinigen, und immer, immer ist Boholmen in eine Arbeitsplatte mit Billigfurnier eingelassen, das sich bei der ersten Berührung mit Wasser ekelgeschüttelt von seiner Unterlage löst.
Neben Boholmen gibt es auch regelmässig Alubehälter mit minimalistischen Plastikpflanzen, die fröhliches Grün beziehungsweise frische Küchenkräuter beziehungsweise lustiges Katzengras simulieren sollen. Ganz zu schweigen von all den unscharfen Messern und diesen klobigen Tellern, die sich anfühlen, als hätten pensionierte Elefanten versucht zu töpfern. Sorry, aber einfach mal nettes altes Porzellan im Brocki zu kaufen, käme genauso günstig.
Der Blick aus dem Fenster ist immer ein ganz anderer. Der Sonnenaufgang über dem Hafen von Marseille hat nichts mit dem Schattenspiel der Platanen auf kahlen Brandmauern in einem Berliner Hinterhof zu tun. Die Engen der Altstadtgassen von Palma nichts mit der elegischen Weite der Donau in Wien. Doch der Kokon, in dem man wohnt, ähnelt sich wie eine Ikea-Austellungskoje der andern. Zwei Lifestyle-Unternehmen haben sich blind gefunden. Zwei Experten fürs Schnelle, Neue, Budgetbewusste. Und: Jeder Depp versteht den Duschkopf Brogrund.
Am lustigsten wird es, wenn die Vermieter versuchen, die Konformität ihrer Einrichtung durch ein Märchen zu mildern. Es gab da mal die Stühle, die uns eine Vermieterin begeistert als «echte skandinavische Vintage-Designerstücke aus den Fifties» beschrieb. Eins der Stücke krachte schon beim ersten Frühstück erschöpft zusammen. Auf seiner höchstens fünf Jahre alten Unterseite fand sich das Firmenlogo des Möbelhauses unserer Herzen.
Die entsprechenden Vermieter sind auch nicht einfach nur Vermieter – obwohl sie dies in Wirklichkeit sind – nein, sie machen «so Slow-Food-Sachen in diesem Industrie-Areal, komm doch mal vorbei». Sie sagen: «Ich versteh dich voll, Reisen ist meine Leidenschaft, ich bin ja mal in ‹Goodbye Deutschland› ein bisschen berühmt geworden. Hast du mich gesehen? Ist alles auf YouTube!» Oder: «Wenn was ist, ruft mich einfach an, ich bin allerdings gerade auf der andern Seite der Insel, ich handle nämlich mit Meersalz.»
Sie geben sich so individuell wie das Matterhorn und das Meer. Sie übergeben dir den Schlüssel. Du schliesst die Tür zu einer neuen Erfahrung auf. Und bist zuverlässig gefangen im ewigen Loop deines «Groundhog Day» aus Boholmen, Brogrund, dem Billyregal und der Bambus-Tischleuchte Böja, dieser sanft leuchtenden Boje im grauen Meer eines trüben Tags. Ehrlich, nach unserer letzten Airbnb-Wohnung hab ich mir überlegt, so eine blöde Böja zu kaufen. Mission accomplished.