Ferien sind immer geil. Viel gut essen, fläzen, lesen, aktiv sein, wandern gehen oder irgendwelchen anderen zeitintensiven Schnack treiben, der nicht in ein Zwei-Tage-Wochenende reinpasst. Den Tagesrhythmus bestimmt man im Urlaub selber. Der Alltag wird unters Frottetuch gekehrt. Oder unters Surfbrett. Man denkt langsam und klärend. Es fühlt sich an, als schöpfe man Energie fürs ganze Leben. Euphorie.
Doch ehe man sich versieht, schmilzt die scheinbar unendliche Autonomie dahin wie ein Raketenglacé in der Sommersonne. Und dann ist plötzlich Sonntagabend. Dein Kopf voll, deine Batterie leer. Schlimmer als an einem Freitagmorgen, nachdem du den Donnerstagabend wie eine Samstagnacht behandelt hast. Ausgesaugt.
Viele überkommt das nackte Grauen, wenn sie an den Tag danach denken. An den ersten Arbeitstag nach dem Urlaub. An die fordernde Chefin, die genervten Kollegen und die Armada ungelesener E-Mails. Mir ging's – bei aller Liebe zu meinem Job (ich wurde nicht gezwungen, das zu schreiben) – nach meinem letzten dreiwöchigen Urlaub genauso.
In der Ecke meines Zimmers gammelt mein Rucksack, wie ausgekotzt vor sich hin. Der Gedanke ans Auspacken und Wäschewaschen entfacht krampfartige Reaktionen in meiner Bauchhöhle. Die zwei unbezahlten Rechnungen auf dem Tisch kreischen so laut «Erledige mich!», dass ich mich gezwungen fühle, sie zu entsorgen. Ich fühle mich fremd im eigenen Heim. Eingepfercht.
Die Wissenschaft kennt einen Begriff für diesen Zustand. Das Post-Holiday-Syndrom (PHS) sei es, das die Gemüter von Millennials im Spätkapitalismus zwischen Arbeits- und Ferienzeit zerreisst. Mich eingeschlossen. Aber nicht nur: Fast jede dritte Person soll von dieser «Kurzdepression» betroffen sein, zeigt eine Umfrage des deutschen Reiseportals Momondo. Die niederländische Tourismusforscher Jeroen Nawijn hat ebenfalls zu jenem Phänomen geforscht und sogar folgende Grafik dazu entwickelt:
Nawijin will also herausgefunden haben, dass wir bereits in den Ferien den näher kommenden Alltag spüren. Unsere Stimmung sinkt indes der Bedrücktheit entgegen und spätestens am dritten Tag nach der Rückkehr fühlen wir uns wieder genauso beschissen wie zwei Tage vor dem langersehnten Urlaub. Nawijins Devise: Mehr Ferien machen, dafür kürzere. Denn egal ob fünf Tage oder fünf Wochen, das Zurückkommen sei jeweils gleich zermürbend.
Weitere Tipps finden sich direkt unter den Umfrage-Resultaten des Reiseportals. Da gibt's derer gleich sechs Stück, die in pseudopsychologischer simplen Manier Vorgehensweisen gegen dieses PHS vorschlagen. Die da wären:
Als Anmerkung verweisen die Ratschläger drauf, dass sie diese Tipps gegen die Niedergeschlagenheit nach dem Urlaub so realistisch und machbar wie möglich zu gestalten versucht haben. Man soll mit einem der obigen Punkte beginnen. Falls der nicht klappt, kann man eifach zum nächsten übergehen. Ganz einfach. Ich entscheide mich für Nummer sechs, dem einzig realisierbaren Ratschlag für einen Sonntagabend. Ich geh' spazieren.
Zwei mahnende Sätze tanzen mir im Kopfe herum. Der eine in der schadenfreudigen Stimme meiner Mutter, die sich freut, dass die Kinder wieder jeden Tag von acht bis vier ausser Haus sind: «Morgen weht dann wieder ein anderer Wind, mein Lieber.» Der andere kommt im gehässigen Tonfall meines Gewissens daher: «Du kleines undankbares Wohlstandsscheusal!»
Ich laufe und sehe meine Stadt aus einer touristischen Optik. Flamingos, Einhörner und Pizzaschnitten aus Gummi treiben mit den letzen Sonnenstrahlen den Fluss hinunter. Jemand spielt Akkordeon und will dafür Geld. An Dingen, die ich für gewöhnlich verabscheue, finde ich in diesem Moment Gefallen. Mit jedem Schritt wird mir das befremdete Bekannte wieder vertraut. Bin Tourist im eigenen Heim. Komme nach Hause und beginne zu akzeptieren.
Zuhause heisst Alltag. «Ja, morgen weht dann wieder ein anderer Wind. Das ist ein bisschen unbequem, klar, aber Realität. Verdammt nochmal!», fluche ich der mahnenden Stimme meiner Mutter entgegen. Ich fluche, weil ich mir selbst noch nicht ganz glaube. Aber ich bin überzeugt, dass ich kein Wohlstandsscheusal bin. Ich bin nur einer von allen, der etwas, das auf drei Wochen begrenzt ist, mehr zelebriert als ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Dazu braucht es doch keine Pathologisierung.