Mitte der 90er-Jahre steckten Computereffekte noch in den Kinderschuhen. Umso verblüffender war, was «Jumanji» uns 1995 im Kino auftischte. Wilde Tiere, die eigentlich nach Afrika gehörten, marodierten plötzlich durch eine US-amerikanische Kleinstadt. Mittendrin ein ausgeflippter Robin Williams, der mit viel Witz und Charme versucht, das Chaos zu beseitigen.
Schaut man sich den Film heute an, wirken die damals bahnbrechenden Effekte wie aus dem Digitalmuseum. Klar, muss da ein Remake her. Schliesslich will man den Stoff auch einem Publikum zugänglich machen, das nicht mit Disketten, VHS-Kassetten und Brettspielen aufgewachsen ist.
Alte Filme einem jüngeren Publikum näher zu bringen, ist im Hollywood des 21. Jahrhunderts zum Standard geworden. Klassiker werden reihenweise neu aufgelegt – und Fans der ersten Stunde reissen sich büschelweise die Haare aus. Immerhin kommt es nur allzu oft vor, dass das Remake den Nimbus des Originals nachhaltig beschädigt.
Nun also ist «Jumanji» an der Reihe und Kinder der 90er linsen entsetzt zwischen ihren vor dem Gesicht zusammengeschlagenen Händen hindurch. Doch ihr könnt euch beruhigen. «Jumanji – Willkommen im Dschungel» ist – zugegeben wider Erwarten – ein überraschend unterhaltsamer Film geworden.
Regisseur Jake Kasdan hat es geschafft, die Geschichte rund um das Brettspiel tatsächlich in die Gegenwart zu transportieren, ohne dabei das Original zu ignorieren. So könnte man den Film gut auch als «Jumanji 2» betiteln, denn gleich zu Beginn wird klar, dass man das Original nicht ersetzen möchte.
Die Geschichte ist nämlich eine etwas andere: Spencer und seine Mitschüler Bethany, Fridge und Jeanette haben sich Nachsitzen eingehandelt. Als Strafe müssen sie einen verstaubten Lagerraum aufräumen. Dort entdecken sie eine alte Videospielkonsole mit einem Spiel namens «Jumanji». Die vier starten das Spiel, wählen alle einen Avatar aus und werden von der Konsole ins Spiel gesaugt. Kurz darauf finden sie sich im Dschungel wieder – als die von ihnen ausgewählten Spielcharaktere. Nur wenn sie das Game durchspielen, können sie wieder in die reale Welt gelangen.
«Jumanji» ist voller Stereotypen. In einem Videospiel würden die Steckbriefe der jugendlichen Hauptfiguren wohl so aussehen:
Typus: Nerd
Stärken: Musterschüler, Profigamer
Schwächen: unbeliebt, kann nicht mit Frauen umgehen, ist so ziemlich gegen alles allergisch
Typus: Abschlussballkönigin
Stärken: hübsch, beliebt, wickelt alle um den Finger
Schwächen: arrogant, selbstverliebt, egoistisch
Typus: Football-Captain
Stärken: gutes Aussehen, Muskelprotz, beliebt
Schwächen: egoistisch, hat keine Zeit, um zu lernen
Typus: Nerd
Stärken: mega schlau, voll auf ihre Karriere fokussiert
Schwächen: unbeliebt, stösst alle vor den Kopf
Diese Klischeecharaktere werden im Game wiederum in Stereotypen transformiert, welche aber gegenteilige Eigenschaften aufweisen. Fertig ist der Grundkonflikt des Films.
Im ersten Moment klingt das nicht wirklich nach etwas Neuem. Protagonisten werden mit ihren charakterlichen Schwächen konfrontiert und lernen daraus. In «Jumanji» ist das nicht anders und ändert sich auch bis zum Schluss des Filmes nicht. Die Jugendlichen müssen ihre Lektion lernen, so funktionieren Familienfilme nun einmal.
Glücklicherweise spielt die Handlung in einem Game und hier gehören Stereotypen nun einmal zur Grundausstattung. Da nervt auch die typische Szene nicht, in welcher der 08/15-Bösewicht seine unfähigen Handlanger umbringt. Regisseur Jake Kasdan kostet es sogar richtig aus, die Game-Welt der 90er-Jahre zu parodieren.
Das fängt nur schon bei den Fähigkeiten der Game-Figuren an. Stärken wie «Kartenlesen», «ein glühender Blick» oder auch «Kampftanzen» werden Schwächen wie «schlechte Ausdauer», «Kuchen» oder auch «Gift» gegenübergestellt. Warum eine Schwäche für Kuchen nichts Gutes ist, wird in einer absolut aberwitzigen Szene dargelegt.
Auf die Spitze getrieben wird die Parodie aber, wenn grundlegende Game-Elemente die Gruppe aufhalten. Zum Beispiel als ihr vermeintlicher Retter ihnen nur vorgefertigte Antworten geben kann, weil er eben eine programmierte Figur ist und ihnen damit nicht wirklich eine Hilfe ist.
Ansonsten bietet der Film genug Konfliktpotential für witzige Momente – und von denen hat es einige. Immerhin trampeln hier vier 15-Jährige in Körpern von Erwachsenen durch den Dschungel. Dass dabei allerlei absurde Situationen entstehen, dürfte klar sein. Vor allem Dwayne «The Rock» Johnson ist als muskelbepackter Abenteurer, der sich aber wie ein pubertierender Junge benimmt, grandios. Auch Jack Black ist endlich wieder einmal richtig witzig und Kevin Hart ist stellenweise nur schon wegen seiner Sprechweise zum Totlachen. Einzig Karen Gillan schafft es trotz Kampftanzen nicht, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Bei so viel Witz und Charme sieht man auch gerne über gewisse Logikfehler hinweg. Einzig, wenn es gegen Ende etwas rührseliger wird, dürfte der ein oder andere Zuschauer die Augen verdrehen.
Actionmässig ist immer viel los. Übertrieben wirkt es dabei aber nur sehr selten. Auch der obligatorische Kampf gegen den Endboss gehört natürlich dazu – immerhin geht es hier um ein Videospiel. Glücklicherweise haben es die Macher vermieden, diesen unnötig in die Länge zu ziehen, sodass der Film trotz seiner 119 Minuten sehr kurzweilig ist.
Sehr schön ist, dass «Jumanji – Willkommen im Dschungel» es schafft, den Geist des Originals in die Moderne zu transportieren. Klar, ein Robin Williams kann man nicht ersetzen, aber das Remake ist eine würdige Fortsetzung der Originalgeschichte. Und wer den original «Jumanji» noch gut im Kopf hat, wird mehr als nur eine Referenz im neuen Film entdecken.
«Jumanji – Willkommen im Dschungel» präsentiert uns eine altbekannte Geschichte, in der Jugendliche über sich hinauswachsen müssen, um ihre Ziele zu erreichen. Der Film hat weder tiefgründige Charaktere, noch ist es mit der Logik sehr weit her. Aber «Jumanji» ist trotzdem ein unterhaltsamer Film, der während der ganzen 119 Minuten für Lacher sorgt und euch mit guter Laune aus der Vorstellung entlassen wird. 18 Franken kann man wahrlich schlechter ausgeben.
Schweizer Kinostart: 21. Dezember 2017
Laufzeit: 119 Minuten