Es fängt da an, wo fast alles anfängt: zwischen den Beinen. Wie nennt man das, was da hockt? «Vulva» tönt klinisch und «Muschi» hat was Kindliches. Sagt man «Pussy», klingt man wie ein alberner Gangster-Teenie und von der «Fotze» zu sprechen, ist schliesslich auch mehr vulgär als sexy. Wir beginnen an dieser Stelle gar nicht erst mit dem Analysieren von «Schwanz», «Kolben» und «Pimmel».
Denn die Problematik ist definitiv ein- und nicht doppeldeutig: Dirty Talk taugt in deutscher Sprache etwa so viel, wie eine matschig-braune Banane, die als Analdildo verwendet werden soll. Ich meine, schon nur den Begriff «Dirty Talk» in die Sprache der Dichter und Denker zu übersetzen, endet im Versuch «Verschmutztes Gerede» in lasziv-flüsterndem Tonfall von sich zu hauchen.
Doch damit nicht genug. Oft klingt das Unsagbare in geschriebener Form ja ganz passabel. Und gerade in der Zeit digitaler Romantik (Tinder & Co. lassen grüssen!) ist jeder sehnsüchtige Mingle auf ordentliche Sexting-Skills angewiesen. Sexting? Noch nie gehört? Damit meint man das gegenseitige Austauschen von anzüglichen Gedanken (und manchmal auch Bildern) via Chat. Aber eben. Selbst geschrieben weist die deutsche Sprache einige Defizite auf, wenn es um die malerische Beschreibung expliziter sexueller Handlungen geht. Kleine Anmerkung: Auf Englisch hätte man jetzt einfach fucking gesagt. Und es wäre überhaupt nicht komisch. Nun denn …
Ein kleiner Hoffnungsschimmer für rattige (ja, das ist die Übersetzung von «horny») Germanisten ist die sprachliche Entwicklung weg von den Wörtern – hin zu den Emoticons. Klar, die meisten Germanistinnen würden solch eine «Piktogrammisierung» ihrer geliebten Sprache am liebsten staatlich verbieten, aber fürs Sexten können diese Symbölchen schon ganz praktisch sein.
Aus einer kleinen Recherche im Netz entstand dieser Mini-Dixionär für «Einstiegs-SexterInnen». Nur mal so zum reinschmökern …
Das Problem ist damit aber noch nicht ganz gelöst. Denn es bleibt dabei:
Ist es nun die englische Sprache, die so unglaublich erotisch klingt oder ist es tatsächlich die deutsche Sprache, die so unglaublich plump und unerotisch beschaffen ist? Wohl eine Mischung aus beidem!
Die Berliner Sexarbeiterin Pearl Love Lee bietet regelmässig «Dirty-Talk-Workshops» an. Allerdings auf Englisch. Auf ihrem Blog berichtet sie von einem bekannten Paar, das es liebt sich gegenseitig die vulgärsten Ausdrücke – bis weit über die moralischen Grenzen hinaus – an den Kopf zu werfen. Und obwohl die beiden muttersprachlich deutsch sind, praktizieren sie ihren Verbal-Koitus nur auf Englisch.
Es kann gut sein, dass es einem einfacher fällt, solche Dinge in einer Fremdsprache auszusprechen, weil wir auf diese Weise besser Abstand zu unseren Fantasien gewinnen können. Schliesslich schlummern punkto Sexualität noch viele Dinge im Bereich der anstössigen Tabus – und indem wir «cunt» statt «Fotze» gebrauchen, fühlen wir uns dadurch schon ganz viel weiter weg von jenen Tabus; viel weniger wie der frauenverachtende Gangster-Rap-Fan von der Shisha-Lounge um die Ecke.
Wir begreifen also: Abstand durch Smiley-Symbole oder Fremdsprache ist eine Strategie, um sich dem «schmutzigen Sex-Geplapper» anzunähern. Die Dirty-Talk-Expertin Pearl Love Lee plädiert jedoch für eine andere: Sie sagt, dass wir uns den eigenen Sexfantasien wieder ermächtigen sollen, wir mit ihnen in Kontakt treten müssen, sie ernst nehmen und eben nicht noch mehr Abstand zu ihnen aufbauen. Dazu gehöre auch, dass man sexuell konnotierte Wörter aus der Schmuddelecke hinaus wieder rein in den privaten Alltag hieven muss. Wie das konkret funktionieren soll? Etwa so:
Interessant an diesem Ansatz ist, dass es dem sogenannten «Dirty Talk» eigentlich die Dirtyness abspricht. Denn wer das Sprechen über und während dem Sex zu normalisieren vermag, baut konstant Hemmungen ab, ohne die es letztendlich keine «schmutzige» Grenzüberschreitung mehr geben kann. Dann wäre – zumindest für die Beteiligten – nichts mehr so verboten, dass es sich lächerlich oder peinlich anhören könnte, wenn man es ausspricht. Bei Sexpartnern, die ihre sexuellen Vorlieben schon ganz detailliert besprochen und erforscht haben, kann dann eine Aufforderung wie: «Und jetzt fickst du mich in Doggy-Stellung, sodass ich morgen nicht mehr richtig gehen kann!» zu einer ganz normalen und ehrlichen «Bettgesprächssituation» werden.
Nun kann man sich fragen, ob nicht gerade in jener Grenzüberschreitung der Reiz gelegen hat? Im Sinne von: Kein Dirty Talk ohne Tabus! Schliesslich muss das wohl jede und jeder für sich selbst herausfinden.