Der Feminismus ist super. Oder nervig. Oder notwendig. Oder dumm.
Das sind alles falsche Aussagen. Denn «DER» Feminismus existiert so nicht. Wie bei jeder sozialen Bewegung scheiden sich auch beim Feminismus die Geister. Auch wenn es so wirkt, als wollten alle Feministinnen dasselbe, entspricht das überhaupt nicht der Realität. Es gibt ganz verschiede Motivationen dafür, sich feministisch zu nennen. Einige stehen ganz nahe zusammen und andere widersprechen sich grundsätzlich. Die einen wollen den Staat abschaffen und die Anarchie ausrufen – andere sagen, Sexismus gäbe es nur wegen der Migration.
Für den internationalen Frauentag haben wir 10 verschiedene Feminismus-Bewegungen unter die Lupe genommen.
Der Mainstream-Feminismus beherbergt alle Forderungen nach Gleichstellung, die nicht gerade die ganze Welt auf den Kopf stellen wollen: Zum Beispiel den Feminismus im Staatswesen mit den Gleichstellungsbüros von Bund und Kantonen, die auf institutioneller Ebene für mehr Geschlechter-Gerechtigkeit sorgen sollen.
Zum Mainstream-Feminismus gehören aber auch Kampagnen, die den Alltagssexismus verurteilen. Wir erinnern uns an Hashtag-Aktionen wie #schweizeraufschrei oder #metoo. Durch den Mainstream-Feminismus gelangen Themen wie sexuelle Diskriminierung oder Lohnungleichheit an eine breite Öffentlichkeit. Er gilt als die Errungenschaft der grossen Frauenbewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts. Und er ist somit auch die Plattform dafür, dass Feminismus immer trendiger wird. Galten Feministinnen früher als krächzende Männerhasserinnen mit krausem Achselhaar, ist die Selbstbezeichnung als «Feminist» heute der Statusquo eines jeden urbanen Menschen. Was nicht ohne Kritik bleibt.
Dem Mainstream-Feminismus wird oft vorgeworfen, dass er mit seinen schmucken «Girl Power»-Shirts und seinen Pop-Star-Ikonen wie Beyoncé und Co. die fundamentalen Probleme aus den Augen verliert.
Zu den Kritikerinnen des Mainstream-Feminismus' gehören jene Aktivistinnen, die sich als radikal verstehen. Sie sehen etwa in der staatlichen Frauenförderung keine effektive Methode zur absoluten Gleichberechtigung. Viel mehr seien solche Versuche Tricks, um die Arbeitskraft von Frauen maximal auszubeuten, sodass die Frauen im Alter dem Staat nicht auf der Tasche liegen. Mit «maximaler Ausbeutung» argumentieren radikale Feministinnen deshalb, weil sie davon ausgehen, dass die meisten Tätigkeiten im Haushalt und in der Kinderbetreuung immer noch in weiblicher Verantwortung liegen.
Geboren zwischen den 1960er- und 1970er-Jahren geht der radikale Feminismus davon aus, dass wir in einer total patriarchalen Gesellschaft leben, in der Männer Frauen schon seit jeher und auf allen verschiedenen Ebenen kontrollieren. In dieser Logik scheint es den radikalen Feministinnen als unmöglich, das System mittels Frauenförderung und hippen Feminismus-Shirts zu reformieren. Sie fordern letztlich eine Revolution. Die Überwindung des Patriarchats, zur Gleichstellung aller Menschen.
Die Gleichheit und Gleichberechtigung wird zu einem schwierigen Thema, wenn man mit einer Differenzfeministin spricht. Denn in dieser Bewegung existiert das «Gleiche» überhaupt nicht. Man geht hier davon aus, dass Männer und Frauen grundsätzlich verschieden sind. Frauen hätten unter anderem durch die Fähigkeit, Mutter zu werden und ganz andere Wesenszüge als Männer. Etwa Fürsorglichkeit, Mitgefühl oder Geduld.
Was jetzt so tönt wie alte Vatikan-Theologie, meint eigentlich nur, dass das ewige Plädieren auf Gleichheit keinen Sinn mache. Frauen und Männer haben dieser Meinung nach ganz andere Fähigkeiten, die es unterschiedlich einzusetzen gilt. Zum Beispiel seien Frauen durch ihre friedvolle Art oft besser fürs Personalmanagement geeignet, als Männer. Heisst es so oft in den Argumenten jener Feministinnen.
Im Differenzfeminismus ist man dann auch der Meinung, dass sich Frauen und Männer am besten unter ihresgleichen entfalten können. Dabei ist wahrscheinlich nicht die Aufforderung an alle Menschen der Homosexualität zu verfallen gemeint, dennoch haben das einige Männer schon so verstanden …
Öko-Feminstinnen sind eine Teilgruppe der Differenzfeministinnen, die sich aber vor allem mit Klimafragen beschäftigen. Sie glauben, dass Frauen eine «natürliche Verbindung zur Umwelt» haben und diese deshalb am besten schützen können.
Zudem sind Ökofeministinnen zumeist davon überzeugt, dass Frauen und Kinder, gerade auch in Industrieländern, am meisten von der Ausbeutung der Natur betroffen sind. In ihrem Kampf gegen das Patriarchat sehen sie die Chance, die zukünftigen Generationen in weiblicher Hand, nachhaltig zu organisieren.
Für die Argumente von Differenz- und Öko-Feministinnen hat der Queer-Feminismus nur Augenrollen übrig. Die erste Vordenkerin dieser Bewegung hiess Simone de Beauvoir und sie ging mit folgendem Satz in die Geschichte ein:
Anders als die Differenzfeministinnen sieht de Beauvoir Geschlecht nicht als etwas Essenzielles – nicht als ein Wesen in einem drin – sondern als etwas, das man beigebracht kriegt. Durch ganz viele soziale Normen.
Denkt man auf diese Art und Weise über Geschlecht nach, so gibt es eigentlich keine Männer und Frauen mehr, sondern, wie die Philosophin Judith Butler sagt:
Die Konsequenz daraus: Der Queer-Feminismus kämpft nicht per se für die «Frau», sondern gegen das System, das Menschen in zwei Gruppen einteilt. Denn laut dem Queer-Feminismus sind alle Menschen grundsätzlich gleich und nur die Gesellschaft ist es, die den «Frauen» beibringt, dass sie fürsorglich sein sollten, Lippenstift tragen müssen und sich alle paar Tage die Beine rasieren müssen.
Das Wort «queer» spielt dabei eine grosse Rolle. Auf deutsch bedeutet es «merkwürdig» oder «wunderlich». Früher wurde es im englischen Sprachraum oft benutzt, um homosexuelle Menschen zu beleidigen. Seit den 90er-Jahren haben sich Menschen, die aus der geschlechtlichen oder heterosexuellen Norm fallen, den Begriff selbst angeeignet. Sie zelebrieren damit ihre mutmassliche «Merkwürdigkeit» und wollen zeigen, dass ein Denken in «normal» und «abnormal» unlogisch ist.
Dem Queer-Feminismus schliessen sich deshalb viele Mitglieder der LGBT-Community an. Nicht zuletzt weil Transmenschen von Differenzfeministinnen oft ausgeschlossen werden. In jenen Kreisen herrscht nämlich oft die Meinung, dass Transfrauen keine echten Frauen und Transmänner Verräter des Feminismus' seien.
Sexpostiver Feminismus geht davon aus, das Feministinnen sich auf die lustvollen statt auf die gewaltvollen Aspekte von Sexualität konzentrieren sollten. Dabei wird festgehalten, dass sexuelle Freiheit ein wichtiger Teil der Emanzipation darstellt.
Während die sogenannten «Altfeministinnen» (Prägung der 70er-Jahre) wie etwa die deutsche Schriftstellerin Alice Schwarzer Pornographie, Sexarbeit und BDSM-Spielereien noch heute vehement verurteilen, frönen die sexpositiven Feministinnen genau dem. Sie setzen sich gegen das veraltete Opfer-Täter-Narrativ ein, indem sie finden, dass Sexarbeit und Sadomaso-Sex emanzipatorisch ist, wenn alles in gegenseitigem Einverständnis geschieht. Schwarzer schrieb einst in ihrer Zeitschrift Emma, dass solch eine Neigung, eine Kollaboration mit dem Patriarchat sei.
Der Feminismus, der spezifisch für die Rechte schwarzer Frauen kämpft, entwickelte sich in den 1960er-Jahre. Damals fand in den USA eine schwarze Bürgerrechtsbewegung statt. Zeitgleich kämpften im Zuge der zweiten Feminismuswelle vor allem weisse Frauen aus dem Mittelstand für bessere Arbeitsrechte.
Schwarze Frauen fanden in keiner der beiden Bewegungen ihren Platz. Bei der Bürgerrechtsbewegung schwarzer Männer wurde nicht über den Sexismus in den eigenen Reihen gesprochen. Bei den weissen Frauen, machte man sich keine Gedanken über Themen wie Rassismus und Klassismus. Die Schriftstellerin Audre Lorde schrieb dazu:
Der Black-Feminsimus widmet sich deshalb besonders der Überkreuzung von Sexismus und Rassismus. Von ihm abgespalten existiert auch der islamische Feminismus. Er operiert zwar ähnlich, doch argumentiert weniger kulturell als innerhalb der religiösen Lehren des Korans.
Apropos Überkreuzung. Der Black-Feminismus ist mitunter auch der Begründer der Intersektionalen-Denkweise.
Ein Wort das fürchterlich kompliziert klingt, aber einfach zu verstehen ist. Intersektion bedeutet Überschneidung oder Kreuzung. Intersektionaler Feminismus denkt folglich mit, dass Frauen nicht nur aufgrund ihres Geschlechts unterdrückt werden, sondern dass es noch viele andere Faktoren gibt, die Menschen einteilen und somit diskriminieren können. Zum Beispiel eben die Hautfarbe, die ethnische Zugehörigkeit, Religion, die Lohnklasse oder die Sexualität.
Zum Beispiel hat eine schwarze, lesbische Transfrau mit Diskriminierung auf vielen verschiedenen Ebenen zu kämpfen. Dieser Kampf erschwert jener Frau dann beispielsweise auch das Arbeitsleben, weswegen sie eventuell in Armut verfällt und so weiter.
Intersektionaler Feminismus reagiert auf Probleme dieser Art, indem er kritisiert wie die Gesellschaft Menschen einteilt, einschränkt und unterdrückt. Dabei wird oft von Normen und Privilegien gesprochen, die es als privilegierter Mensch, namentlich vor allem als weisser, gutverdienender Hetero-Mann, zu hinterfragen gilt.
Kritikerinnen und Kritiker unterstellen dieser Praxis, dass sie eine utopische Welt anstrebt, die man nicht erreichen kann, ohne die Freiheit des einzelnen anzugreifen. Viele Menschen stören sich daran, dass intersektionale Feministinnen gewisse Wörter als derart rassistisch, trans- oder homophob erachten, dass sie sie gänzlich verbieten wollen.
Zu diesen Kritikerinnen gehören unter anderen die Femonationalistinnen. Sie sagen, dass es in Europa bloss Sexismus gäbe, weil so viele Leute hier hin flüchten würden. Obwohl der Bewegung aus den verschiedensten Kreisen unterstellt wird, dass es sich hierbei bloss um eine neurechte Bewegung handelt, die feministische Begriffe missbraucht, erfreut sich die Strömung gerade an grossem Interesse in den sozialen Medien.
Unter dem Hashtag #120db (Dezibel) will eine Gruppe von Frauen aus der indentitären Bewegung zum «wahren» Aufschrei gegen Sexismus aufrufen. 120 Dezibel, so die Gruppe, sei die Lautstärke eines Handelsüblichen Taschenalarms, den mittlerweile jede Frau in Zentraleuropa rund um die Uhr bei sich haben müsste. In einem Video sagen einige Mitglieder der Gruppe explizit, dass jeder, der sich für eine lockere Einwanderungspolitik ausspreche, die Vergewaltigung von zentraleuropäischen Frauen mitverantworte.
Der Femonationalismus zeigt, dass auch rechte Frauen gegen Unterdrückung kämpfen. Jedoch geht es diesen Frauen dabei nicht um die Unterdrückung durch das Patriarchat, sondern um die Unterdrückung ihrer rechten Ideologie durch eine Gesellschaft, die sich um Freiheit und Toleranz bemüht.
Eine Gesellschaft, die sich um Freiheit und Toleranz bloss bemüht, reicht der letzten unserer Feminismus-Strömungen nicht aus. Die Anarcha-Feministinnen sind wohl die radikalsten Aktivistinnen, was ihre Forderungen anbelangt.
In ihren Augen kann die Gleichstellung nur erreicht werden, wenn Nationalstaaten zerstört, die Ehe abgeschafft und der Kapitalismus überwunden ist. Die Unterdückung, die sie bekämpfen wollen, zeige sich in jeder Faser unserer Kultur. Im Kaufhaus, am Arbeitsplatz, an Landesgrenzen und im Schlafzimmer. Die einzige Möglichkeit, um diese Misere zu stoppen, sei das Überwinden jeglicher Grenzen und somit das Ausrufen der Anarchie.
Was für die Anarcha-Feministinnen soviel bedeutet wie die Ablehnung jeder Hierarchie und die damit verbundene grenzenlose Zusammenarbeit aller Menschen an einer freiheitlichen Gesellschaft. Sowohl im öffentlichen, wie auch im privaten Leben.