Was die Öffentlichkeit sehen sollte, bleibt oft verborgen. Man spricht von der vierten Gewalt – dem Journalismus. Die Presse soll im Idealfall jenen Informationspfeiler stellen, der (unter anderem) über fragwürdiges Vorgehen sowohl von privaten, wie auch von staatlichen Organen aufklärt.
Oft bleibt dies aber graue Theorie. Die Presse wird in vielen Teilen der Erde noch immer stark behindert. Sei es durch explizite Zensuren, durch die Inhaftierung von Journalisten oder durch fehlende Gelder und mangelnde Infrastruktur. «Informationen sind der erste Schritt zu Veränderungen», schreibt die Organisation «Reporter ohne Grenzen» (RoG) auf ihrer Internetseite. Denn nicht zuletzt hat ein Mangel an Pressefreiheit auch Einflüsse auf die Informationen, die wir hierzulande konsumieren. Wie man Syrien, Ruanda, die Türkei oder Georgien sehen und was man von diesen Ländern hören kann, hängt stark davon ab, welche Möglichkeiten die Lokalpresse vor Ort hat.
Am 3. Mai jährt sich seit 1994 der internationale Tag der Pressefreiheit. Die «Reporter ohne Grenzen» nutzen dieses Datum, um zu zeigen, was die Welt nicht sieht, aber trotzdem sehen sollte. Im Bildband «Fotos für die Pressefreiheit» zeigt RoG Fotografien von 20 FotografInnen, die dort waren, wo man sie nicht haben will. Sie haben Kriegsgebiete bereist, in Mafia-Zirkeln recherchiert und haben ihre Privilegien eingesetzt, um von dort zu berichten, wo es die vierte Gewalt so gar nicht gibt.
Mit dem Völkermord an den Tutsi durchlebte Ruanda ein unfassbar grausames Kapitel seiner Geschichte. Mehr als 20 Jahre danach gibt es zarte Ansätze der Versöhnung. Die niederländische Fotografin Anoek Steketee hat nachgezeichnet, wie eine Radio-Soap über zwei verfeindete Dörfer dabei helfen kann, vielen Menschen den Weg zu einer gemeinsamen Sprache zu ebnen.
Guatemala erlebte durch den Bürgerkrieg 36 Jahre lang unaufhörlich Gewalt. Seit 1996 wird nicht mehr gekämpft, doch die Hypothek des Krieges wiegt bis heute schwer. Im Polizeiarchiv lagern dicke Bände mit Fotos von Opfern willkürlicher Verhaftungen. Zehntausende Menschen gelten noch immer als spurlos verschwunden. Doch wer zu den Verbrechen recherchiert, wird bedroht und bekommt massiven Widerstand zu spüren.
Die georgische Fotografin Daro Sulakauri hat im Nordosten Georgiens den Alltag tschetschenischer Geflüchteter in den unwirtlichen Bergregionen an der Grenze zu Russland begleitet. Viele Menschen leben seit Jahrzehnten dort, heiraten, haben Kinder, feiern Feste – ohne zu wissen, was die Zukunft bringt. Für ein anderes Projekt fuhr die Fotografin in Dörfer der abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien und zeigt «wandernde Grenzen».
Das Bild eines gemeinsamen Mahls inmitten von Trümmern im damals noch belagerten Douma in Ost-Ghouta mutet surreal an. Es erzählt von Menschen, die auf Initiative einer Wohltätigkeitsorganisation auf den Strassen zusammenfanden, um an langen, gedeckten Tafeln das islamische Fastenbrechen zu begehen. Fotograf Mohammed Badra will mit seinen Bildern nicht nur Leid und Zerstörung zeigen, sondern die menschliche Seite des Alltags in Syrien.
Für die Massenüberwachung digitaler Datenströme zapften US-Geheimdienste die Kabel am Grund der Ozeane an. Fotokünstler Trevor Paglen hat die Dokumente von Whistleblower Edward Snowden studiert, einen Tauchkurs besucht, sich durch Seekarten gearbeitet und Boote gechartert, um diesen gigantischen Lauschangriff in Bilder zu fassen. Der Titel dieses Fotos: «South America (SAM-1) NSA/GCHQ-Tapped Undersea Cable Atlantic Ocean».
Sie sind Ehefrauen – und Geliebte: die Frauen japanischer Mafia-Bosse, die in der so genannten Yakuza organisiert sind. Der französischen Fotografin Chloé Jafé sind sehr persönliche Aufnahmen dieser Frauen gelungen, deren Erkennungszeichen grossflächige Tattoos sind. Mehrere Jahre lang hat Jafe für diese Fotoserie in Tokio recherchiert.
Anhänger des verstorbenen Präsidenten Hugo Chavez protestieren in Caracas vor dem Parlamentsgebäude gegen die Opposition und halten Porträts ihres Idols in den Händen. Chavez hatte Venezuela einen neuen Sozialismus versprochen. Doch der erwies sich als Mythos. Seit Chavez‘ Tod leidet das Land unter dramatischen Versorgungsengpässen und schweren gewalttätigen Unruhen. Alejandro Cegarra hat die Zustände in Bilder gefasst.
Ein Mann hält eine rosa Blume in der Hand, eine Frau sitzt unter dem Haartrockner in einem Friseurgeschäft, ein Paar posiert vor Herbstbäumen: Die Fotografin Aija Bley hat die Bewohner des verschlafenen Städtchens Livani in Lettland porträtiert. «Von ihrer Melancholie wollte ich auch deshalb erzählen, weil sie etwas Postsowjetisches vermittelt.»
Zwischen den Felsformationen von Göreme mitten im gleichnamigen Nationalpark von Kappadokien wartet ein Souvenirverkäufer vergeblich auf Kundschaft. Wie die Türkei, sonst beliebtes Urlaubsziel, den Touristen aus aller Welt plötzlich nicht mehr geheuer war, hat der Fotograf Emin Özmen bei seiner Fahrt entlang klassischer Reiserouten festgehalten.
(jin mit Informationen von «Reporter ohne Grenzen»)