Als Reaktion auf den Absturz des Germanwings-Flugzeuges in den französischen Alpen prüft die Muttergesellschaft Lufthansa die Einführung sporadischer psychologischer Tests. Geprüft wird das US-System, bei dem Piloten zufällig ausgewählt und zu medizinischen und psychologischen Tests aufgeboten werden. Dies berichtet die «NZZ am Sonntag». Der Schweizer Verband des Cockpitpersonals, Aeropers, ist offen für solche Ideen: «Kommt man aufgrund der Untersuchung zum Schluss, dass psychologische Tests in regelmässigen Abständen die Sicherheit verbessern können, sperren sich die Piloten nicht gegen die Auflage», sagt dazu ein Sprecher zur Zeitung.
Die Hinweise verdichten sich, dass der Co-Pilot Andreas Lubitz, der das Unglücksflugzeug wahrscheinlich absichtlich am Berg zerschellen liess, schwere psychische Probleme hatte. Aufgrund der bekannten Umstände schätzt der Schweizer Diplomkriminologe Karl Weilbach Lubitz als extrem selbstbezogenen Menschen ein. Vermutlich sei er depressiv gewesen, naheliegend seien auch narzisstische oder zwanghafte Züge. «Lubitz musste im Falle einer psychischen Erkrankung wohl um seine Karriere bangen. Das war eine tiefe Bedrohung seiner Identität», sagt er in der «NZZ am Sonntag». Der forensische Psychiater Frank Urbaniok spricht von einem möglichen «fanatischen Egotrip».
Nach dem Unglück werden jetzt unzählige Massnahmen geprüft, um ähnliche Katastrophen verhindern zu können. Dabei gibt es auch eine Geschlechterdiskussion. Vor allem Männer sind als Piloten, Lokführer oder Bus-Chauffeure tätig. Bei der Swiss sind von 1341 Piloten nur gerade 59 Frauen, wie die Schweiz am Sonntag berichtet.
Ein ähnliches Geschlechterverhältnis zeigt sich bei den SBB und beim Postauto: Von 3500 Lokführern sind 80 Frauen und von 3079 Postauto-Chauffeuren sind 245 Frauen. Diesen Anteil erachtet Gabriela Stoppe als deutlich zu tief. Sie ist Psychiaterin und Vizepräsidentin von Ipsilon, dem Dachverband für Suizidprävention in der Schweiz. «Es wäre nicht nur wegen der Durchmischung sinnvoll, mehr Frauen für den Transport von Menschen zu engagieren, sondern vor allem auch wegen der Sicherheit», sagt Stoppe gegenüber der Zeitung.
Ihre Aussage begründet sie damit, dass Frauen eine deutlich tiefere Suizidrate haben. «Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch in Europa ein Pilot mit dem Flugzeug Suizid begeht.» Der Suizid ist bei Männern zwischen 15 und 44 Jahren in der Schweiz die häufigste Todesursache. 240 Männer haben sich 2012 das Leben genommen. Zwar ist die Zahl der Selbsttötungen in den letzten zehn Jahren leicht zurückgegangen, doch noch immer nehmen sich dreimal mehr Männer das Leben als Frauen. «Dies sollte bei der Auswahl eines Piloten, Chauffeurs oder Lokführers auch berücksichtigt werden», sagt Stoppe.
«Emma»-Autorin Luise Pusch schlägt in die gleiche Kerbe. In einer Glosse fordert sie eine Frauenquote fürs Cockpit und schreibt: «Amoktrips sind Männersache» und «Die Opfer sind überwiegend Frauen, die Täter sind männlich.» Damit sorgt die Sprachwissenschaftlerin für eine hitzige Diskussion. Ihr wird vorgeworfen, die Opfer des Absturzes für die Frauenquote auszunutzen.
Die Psyche der Piloten überprüft der Fliegerarzt heute beim Eignungstest. Danach folgen jährlich lediglich medizinische Tests. Vergleichbar ist das Vorgehen bei den SBB und der Post. Angehende Postauto-Chauffeure werden vor allem auf Belastbarkeit, Beobachtungsfähigkeiten sowie auf aggressive Verhaltensweisen geprüft und angehende Lokführer auf berufsbedingte Eigenheiten wie Einsamkeit oder repetitive Tätigkeiten. Das reiche nicht, wie die Psychiaterin Stoppe weiter sagt. Es würde auch im späteren Berufsleben psychologische Tests brauchen. Und zwar von psychiatrisch geschulten Ärzten. Solche, wie sie die Lufthansa nur prüft. Ob die Swiss die Psyche ihrer Piloten künftig einmal im Jahr testet, wird bei der Airline derzeit diskutiert. (feb)