Regelmässige Passagiere der Swiss wissen es: Die Airline fliegt (wie viele ihrer Konkurrentinnen) täglich über Kriegs- und Krisengebiete. Vor weniger als einer Woche, am 16. Juli, überquerte die Swiss letztmals ostukrainischen Luftraum. Es war ein Airbus A343 auf dem Weg von Bangkok nach Zürich. Einen Tag später schossen mutmasslich prorussische Rebellen in der gleichen Region eine Boeing 777 der Malaysia Airlines mit einer Boden-Luft-Rakete vom Himmel. 298 Menschen starben.
Die Tragödie hat eine neue Debatte über die Sicherheit in der Passagierfliegerei entfacht. Doch wer wissen will, welche Flüge der Swiss weiterhin über Risiko-Regionen verkehren, bekommt von den Verantwortlichen keine Antwort. Die «Aargauer Zeitung» hat nun anhand von Daten des Online-Dienstes Flightradar24.com jene Verbindungen der Airline ermittelt, die laut der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA über potenziell gefährliche Gebiete führen.
Die erwähnten Routen galten bis zum letzten Donnerstag als unproblematisch. Nun mehren sich Zweifel: Denn die Piloten von Flug MH17 hatten die im ostukrainischen Luftraum gültige Mindestflughöhe von 9750 Metern eingehalten und sogar um 300 Meter überschritten. Trotzdem kamen sie und mit ihnen alle Passagiere ums Leben. Niemand rechnete damit, dass eine Rebellengruppe einen modernen Passagierjet auf Reiseflughöhe abschiessen könnte.
Für das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) im bernischen Ittigen ist klar: Es muss sich etwas ändern. «Die zentrale Frage lautet, wie man künftig mit Kriegsgebieten umgeht», erklärt Kommunikationschef Urs Holderegger. Bis jetzt seien die Airlines davon ausgegangen, dass Passagierflieger ab einer gewissen Höhe sicher seien. Diese Annahme sei nun infrage gestellt. «Eine Verschärfung der internationalen Bestimmungen ist wahrscheinlich. Luftraumbeschränkungen bis zu einer gewissen Höhe dürften bei bestimmten Kriegsgebieten nicht mehr ausreichen.»
Die neuen Sicherheitsempfehlungen sollen in der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) ausgearbeitet werden. Die Schweiz ist laut Holderegger an mehreren Panels der ICAO beteiligt.
Sofortmassnahmen auf nationaler Ebene lehnt das Bundesamt jedoch ab. Holderegger: «Es macht keinen Sinn, wenn jedes Land auf eigene Faust versucht, etwas zu unternehmen. Es braucht eine internationale Koordination.»
Auch der Schaffhauser Swiss-Pilot und Nationalrat Thomas Hurter (SVP) sieht keinen sofortigen Handlungsbedarf für seine Arbeitgeberin. Wenn eine Fluggesellschaft überleben wolle, könne sie bei der Sicherheit ohnehin keine Abstriche machen, geschweige denn ein Unglück in Kauf nehmen. Er räumt freilich ein, dass Flüge über Kriegsgebieten Kapitän und Co-Pilot sehr viel Aufmerksamkeit abverlangen: «In solchen Situationen überlegt man sich natürlich, welche Optionen man hat, wenn technische Probleme auftreten oder ein Passagier wegen gesundheitlicher Probleme so schnell wie möglich in ein Spital muss.»