Vor dem NATO-Gipfel tut sich die Militärallianz mit der Forderung von US-Präsident Donald Trump nach einem Beitritt zur internationalen Anti-«IS»-Koalition schwer. Generalsekretär Jens Stoltenberg musste am Mittwoch einräumen, dass die Frage «noch diskutiert» werde. Einige Mitgliedsstaaten hatten offenbar Vorbehalte.
Am Mittwochabend wurde aus Diplomatenkreisen allerdings bekannt, dass sich die NATO-Mitgliedsländer doch noch auf einen Beitritt geeinigt hätten. Der US-Präsident nimmt am Donnerstag in Brüssel zum ersten Mal an einem NATO-Gipfel teil, jener Militär-Allianz, die er vor seinem Amtsantritt noch als «obsolet» bezeichnet hatte.
Er kritisierte damals neben zu niedrigen Verteidigungsausgaben europäischer Verbündeter auch ein zu geringes Engagement im Kampf gegen den Terrorismus. Washington dringt dabei auch auf den offiziellen Beitritt zur «globalen Koalition» gegen die Terrormiliz «Islamischer Staat» («IS»).
Der 2014 von den USA gegründeten Koalition gehören derzeit 68 Mitglieder an, darunter alle 28 NATO-Staaten. Die NATO selbst ist aber nicht Mitglied – auch weil bei einigen arabischen Ländern der Koalition Vorbehalte gegen das westliche Militärbündnis gesehen wurden.
«Viele Mitglieder» der NATO wollten den Beitritt, sagte Stoltenberg nun. Er sieht zwei Argumente, die dafür sprechen: Politisch gesehen sei es gerade nach den Anschlägen von Manchester wichtig, dass das Bündnis im Kampf gegen den Terrorismus Geschlossenheit zeige, sagte der Generalsekretär. Zudem werde die NATO dann voll in den Informationsaustausch innerhalb der Koalition einbezogen.
Als skeptisch gelten aber insbesondere Frankreich und Italien. Der Beitritt könne ein «Problem» werden, wenn die Luftangriffe in Syrien «nach und nach mit den Luftangriffen der NATO gleichgesetzt werden», sagte ein Diplomat. Der Beitritt bringe zudem für das Bündnis «keinerlei Mehrwert».
Anders Deutschland: Die deutsche Regierung ihrerseits rechnet damit, dass das Bündnis der Koalition beitreten wird. Kanzlerin Angela Merkel hatte bereits vor zwei Wochen nach einem Gespräch mit Stoltenberg angedeutet, dass sie eine Einbindung der NATO in die Anti-«IS»-Koalition nicht ablehne. Sie betonte aber, es werde keine militärische Aktivität Deutschlands erweitert.
Stoltenberg erwartete dagegen, dass der NATO-Gipfel der Ausweitung der Unterstützung durch Awacs-Aufklärungsflugzeuge für die Koalition zustimmen wird.
Die Maschinen sorgen mit ihrem starken Radar durch Flüge über der Türkei bisher für verbesserte Lagebilder zum Luftraum über Syrien und dem Irak. Auf dem Tisch liegt ein Plan, die Einsatzzeiten zu verlängern und sie auch zur Koordinierung des Flugverkehrs einzusetzen, solange es nicht um Bombeneinsätze geht.
Im wochenlangen Streit um höhere Verteidigungsausgaben kommen die Bündnismitglieder zudem Trump entgegen. Stoltenberg sagte, er gehe davon aus, dass sich die Alliierten auf jährlich vorzulegende nationale Ausgabenpläne einigen würden.
Diese sollen darlegen wie das 2014 vereinbarte NATO-Ziel erreicht werden soll, die Verteidigungsausgaben innerhalb eines Jahrzehnts auf «Richtung zwei Prozent» der jeweiligen Wirtschaftsleistung zu erhöhen.
Am kommenden Gipfel tagen die Staats- und Regierungschefs bereits im neuen, aber noch nicht bezugsfertigen Hauptquartier der Allianz. Angesichts von Trumps anfänglicher Skepsis gegenüber der NATO wird einem Programmpunkt am Gipfel ein hoher Symbolwert beigemessen: Der US-Präsident wird ein Denkmal zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 einweihen.
Der Angriff auf die USA war das erste und bisher einzige Mal, dass die NATO den Bündnisfall erklärt hat. Trump wird dies an der Seite von Kanzlerin Merkel tun. Sie weiht ihrerseits ein Denkmal aus einem Stück der Berliner Mauer ein. (sda/afp/dpa)