Arash und Anoosh, so heissen die beiden Teheraner, die in die Schweiz gekommen sind, um heute Abend am Lethargy Festival in der Roten Fabrik aufzulegen. Blade&Beard nennen sich die Iraner, wobei Arash «die Klinge» ist und Anoosh «der Bart» – auch wenn er gerade keinen solchen trägt.
Vor ihrem ersten Auftritt in der westlichen Welt, der auch ihr erster legaler sein wird, hat das Deep-House-Duo watson besucht. Und zum guten Glück fehlte auch Frau Mohebbi nicht, die mir alle Antworten ganz wunderbar vom Persischen ins Deutsche übersetzt hat.
Ihr macht «Untergrund-Musik», wenn man das so sagen kann, eure Partys in Teheran sind illegal. Warum sind sie das?
Arash&Anoosh: Das hat eine gesellschaftliche Ursache: Im Iran ist eigentlich alles verboten, was Spass macht. Auch Musik und Partys, wo sich die Menschen freuen, wo sie sich gut fühlen und ihre Begeisterung auch ausdrücken können. Das alles wird nicht geduldet.
Das heisst also, die Partys müssen an geheimen Orten stattfinden. Was passiert, wenn ihr trotzdem auffliegt?
Die Polizei handelt sehr willkürlich. Manchmal kann man sie schmieren, damit sie wieder gehen, aber die Party crashen sie halt trotzdem. Im schlimmsten Fall nehmen sie die Leute mit und stecken sie ins Gefängnis.
Anoosh: Ich war mal selbst auf einer Party und da kam auch die Polizei und hat Geld von uns verlangt. Wir haben ihnen etwa 2000 Euro gegeben, was eine sehr hohe Summe ist im Iran. Der Polizist hat dennoch zusätzlich den DJ verlangt. Also haben wir ihm den DJ überlassen. Die Party war sowieso vorbei und so konnte man wenigstens nach Hause gehen.
Wie erfahren die Leute überhaupt von diesen geheimen Partys – läuft das über Social Media?
Das organisieren wir alles selber, weil solche Social-Media-Plattformen wie Facebook zum Beispiel alle gefiltert sind. Das heisst, sie sind von der Regierung blockiert. Sich über den Online-Weg bemerkbar zu machen, ist sehr schwierig. Darum leben wir vor allem von Mund-zu-Mund-Propaganda: Wir rufen Freunde an, die dann ihren Freunden Bescheid sagen und so erfährt dann die Community davon.
Was bedeutet Musik für euch?
Anoosh: Ein Wunsch. Und die Erfüllung davon. Die Freiheit zu haben das zu tun, was man will.
Arash: Komplette Entspannung.
Wollt ihr euren Hörern etwas Bestimmtes vermitteln, eine Art «Message» oder geht es vorrangig darum, einfach Party zu machen, sich befreit und glücklich zu fühlen?
Wir haben schon eine Message: Liebe und Frieden lautet sie. Wir versuchen auf jedem unserer Tracks eine Stimme zu haben, die von der Liebe singt und die eine Verbindung herstellt zwischen uns und den Zuhörern.
Nun seid ihr hier. Das erste Mal im Westen. Was versprecht ihr euch von eurem Aufenthalt und von eurem Auftritt am Lethargy-Festival?
Wir hoffen vor allem, andere Künstler, andere DJs kennenzulernen. Wir wollen uns ihre Sachen anhören, ihnen aber auch unsere eigene Interpretation zeigen. Und wer weiss, vielleicht verändert das ja auch ein bisschen die Musikszene im Iran. Vielleicht hilft es, elektronische Musik populär zu machen bei uns Zuhause. 77 Millionen Menschen House schmackhaft zu machen, ist natürlich schwierig. Aber wir wollen da dran bleiben, auch wenn wir manchmal die Hoffnung verlieren.
Diese himmelhohen Ambitionen werden nun mit einem Bier belohnt. Ich habe es also gewagt, den beiden Iranern ein «Quöllfrisch» hinzustellen. Sie sind entzückt und kriegen ganz glänzende Äuglein.
Arash (versucht den Namen des schmackhaften Appenzeller Biers auszusprechen): *****ÖLLFRISCH?
Wer braucht schon das «Q». Es hat dennoch sehr schön geklungen.
Wir stellen uns vor: Es wird dir zu Ehren eine Statue errichtet. Welche Pose wird dein Ebenbild einnehmen, wie gross wird sie sein, an welchem Ort wird sie stehen und aus welchem Material wird sie bestehen?
Anoosh (lacht, dann denkt er angestrengt nach): Naja, die Statue müsste so etwa wie eine Glühbirne aussehen. Symbolisieren würde sie zwei Fragezeichen, die sich «anschauen». Und sie wäre in etwa so gross wie der Bildschirm da hinten (da hinten steht eine durchschnittlich grosse Beamer-Leinwand).
Und das Material? Es darf auch Gold sein. (Ein Suggestionsversuch, Anoosh zu mehr Grössenwahn anzutreiben.)
Anoosh: Stein.
Arash: Ich will einen Wolf. (Näheres über den Wolf hab ich mich nicht getraut in Erfahrung zu bringen. Arash hat sehr ernst dreingeschaut.)
Was denken eure Eltern? Wissen sie überhaupt, was ihr treibt?
Ja, die wissen es. Weil es illegal ist, was wir machen, müssen wir Zuhause arbeiten. DJ ist kein anerkannter Beruf im Iran, das heisst, man verdient damit kein Geld. Darum haben wir auch ständig Diskussionen mit unseren Eltern: «Mach doch mal einen richtigen Job», «Bring mal Geld nach Hause», «Wo soll das nur hinführen?» Sie sehen zwar, dass wir es sehr ernsthaft betreiben, aber wünschen tun sie sich etwas anderes für uns.
Falls ihr also die Möglichkeit hättet, im Ausland mit eurer Musik Geld zu machen, würdet ihr dann weggehen?
100 Prozent ja. Das ist unsere Passion.
Habt ihr Groupies?
Wir haben keine «echten» Groupies. Es hat uns noch nie jemand um eine Unterschrift gebeten, aber während der Party machen uns die Mädels schon schöne Augen, aber nur während der Party. Danach gehen sie nach Hause.
Also keine Telefonnummern oder BHs, die euch zufliegen?
(Übersetzerin: Wie frag ich das jetzt auf Persisch?)
Arash: Ich träume davon.
In der Schweiz wird es dir sicher passieren. (Hoppla, wenn ich da mal nicht zu viel versprochen habe ...)
Arash: Ich hoffe darauf.
Also liebe Leserinnen, ihr habts gehört: Heute spielen Blade&Beard in der Roten Fabrik und sie warten auf eure BHs.