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Europa bittet, hofft, sanktioniert, droht – aber am Ende lacht Putin

Ein Duma-Abgeordneter sagte nach den Unterredungen: «Die Welt hat den Friedensstifter Putin gesehen».
Ein Duma-Abgeordneter sagte nach den Unterredungen: «Die Welt hat den Friedensstifter Putin gesehen».Bild: AP/RIA Novosti Kremlin
Friedensgespräche in Minsk

Europa bittet, hofft, sanktioniert, droht – aber am Ende lacht Putin

Die Europäer schaffen es nicht, im Osten als Ordnungsmacht aufzutreten: Mal drohen sie den Russen, mal bitten sie. Ihre Kraftlosigkeit spielt am Ende Wladimir Putin in die Hände.
12.02.2015, 22:0312.02.2015, 22:11
Benjamin Bidder, Moskau
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Ein Artikel von
Spiegel Online

Es reichte trotz vielen Stunden intensiver Gespräche in Minsk noch nicht einmal zu einem gemeinsamem Auftritt der verhandelnden Staats- und Regierungschefs: Angela Merkel trat mit Frankreichs Staatschef François Hollande ans Mikrofon - müde und ohne «Illusionen», wie sie sagte.

Ganz anders Wladimir Putin: Der Kreml-Chef trat breit lächelnd vor die russische Presse. Er war zum Scherzen aufgelegt. Warum die Journalisten denn nicht geschlafen hätten? «Arbeiten mussten doch wir und nicht ihr», witzelte er. Es sei zwar «nicht die beste Nacht» seines Lebens gewesen, aber «der Morgen ist in meinen Augen ein guter».

Auch in der Hauptstadt Moskau wurde Russlands Präsident gelobt: «Die Welt hat den Friedensstifter Putin gesehen», schwärmte etwa der Duma-Abgeordnete Leonid Sluzkij.

In Minsk wurde so verhandelt, wie es sich der Kreml-Chef schon lange erhoffte: Moskau spricht mit der EU, die Amerikaner sind weitgehend aussen vor. Ein Mitspracherecht Russlands über das Schicksal seiner Nachbarländer hatte der Westen bislang immer vehement abgelehnt. Faktisch hat sich Putin genau das nun aber erkämpft.

Russland heizte die Rebellion in der Ostukraine an

Es stachelte die Bevölkerung gegen die vermeintliche «faschistische Junta» in Kiew auf. Erst reisten Freischärler über die Grenze in den Donbass ein, dann kamen immer schwerere Waffen und russische Militärs. Die «Volksrepubliken» haben Kiew dadurch in einen blutigen und verlustreichen Krieg verwickelt. Wenn das Land durch den Krieg ausblutet, könnte das pro-europäische Experiment in Kiew vorbei sein, bevor es richtig begonnen hat.

Wie lange noch? Petro Poroschenko – bei einem Treffen mit dem britischen Premierminister David Cameron – ist auch innenpolitisch unter Druck geraten.
Wie lange noch? Petro Poroschenko – bei einem Treffen mit dem britischen Premierminister David Cameron – ist auch innenpolitisch unter Druck geraten.Bild: ERIC VIDAL/REUTERS

Ukraines Präsident Petro Poroschenko steht innenpolitisch unter Druck, wegen militärischer Niederlagen und der wirtschaftlich schwierigen Lage. Die Gespräche mit Putin könnten ihm auch von Hardlinern im eigenen Lager als Schwäche ausgelegt werden. Das erhofft zumindest der Moskauer Politologe Sergej Markow, der enge Kontakte zum Kreml hat: Moskau müsse nur abwarten, bis Premierminister «Jazenjuk und (der Chef des Sicherheitsrates) Turtschinow Washington vorschlagen, Poroschenko zu stürzen».

Putin gab Poroschenko die Schuld für Verzögerungen bei den Verhandlungen in Minsk, weil «die Machthaber von Kiew noch immer direkte Gespräche mit den Vertretern der Volksrepubliken Donezk und Luhansk ablehnen». Kanzlerin Merkel dagegen hatte den ukrainischen Präsidenten ausdrücklich gelobt. Er habe «alles getan», um zu einer friedlichen Lösung zu kommen.

Der Verhandlungen von Minsk zeigen: Der Riss, der durch Europa geht, lässt sich auch nicht mehr kitten, wenn die mächtigsten Politiker des Kontinents sich 16 Stunden lang an einem Tisch gegenübersitzen.

Am Ende blieb ein Minikompromiss: Feuerpause ab Sonntag, die Einrichtung einer entmilitarisierten Pufferzone. In einem Dokument der OSZE-Kontaktgruppe ist auch wieder die Rede vom Beginn eines «politischen Dialogs» und der Wiederherstellung von «voller Kontrolle der Grenze durch die ukrainische Regierung». Zu beidem hatten sich die Konfliktparteien bereits früher bekannt, aber nie umgesetzt.

Jetzt auf

Der EU fehlt die Kraft

Für Merkel und Hollande ist das Ergebnis von Minsk ernüchternd. Beide warfen ihr ganzes politisches Gewicht in die Waagschale - aber es hat nicht gereicht. Am Ende wurden Präsident und Kanzlerin von zwei zwielichtigen Gestalten düpiert, die sich «Premierminister» der «Volksrepubliken» von Luhansk und Donezk nennen und nichts von einem Kompromiss wissen wollten. Ihre Hochburgen liegen nur 800 Kilometer von der EU-Grenze entfernt, aber von Merkel und Hollande lassen sie sich nichts sagen.

Putin gegen den Rest: Der russische Präsident, Francois Hollande, Petro Poroschenko und Angela Merkel (von links nach rechts).
Putin gegen den Rest: Der russische Präsident, Francois Hollande, Petro Poroschenko und Angela Merkel (von links nach rechts).Bild: VASILY FEDOSENKO/REUTERS

Der Europäischen Union fehlt die Kraft, um in ihrer Nachbarschaft als Ordnungsmacht aufzutreten. Nach dem Ende des Kalten Krieges schien klar, dass die EU ihren Einfluss sukzessive nach Osten ausweiten würde. Den weissrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko bezeichnete man im Westen deswegen gern als «letzten Diktator» - als handele es sich um einen Dinosaurier, der zwar schrecklich anzuschauen war, aber sicher aussterben würde. Doch Lukaschenko sitzt fest im Amt, weil Russland seit Jahren seine Wirtschaft unterstützt.

Am Ende wirkt Minsk fast wie ein Abbild des bisherigen Konfliktverlaufs: Mal drohen die Europäer den Russen, mal bitten sie. Sie haben Sanktionen verhängt. Sie haben gehofft, dass Russland einlenkt, wegen der Empörung über den Abschuss von MH17 oder der Rubelkrise.

Doch das Ergebnis sah bislang immer aus wie am Donnerstagmorgen: Am Ende lächelt Putin.

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