Herr Rösti, wir beglückwünschen Sie!
Albert Rösti: Wozu?
Zur Vernehmlassungsvorlage MEI und des Bundesrates natürlich.
Die hat der Bundesrat gemacht. Nicht ich. Sie beinhaltet zwar wichtige Elemente
des neuen Verfassungsartikels wie Kontingente und Inländervorrang, muss aber nachgebessert werden.
Eben. Sie leiten den Wahlkampf für die Nationalratswahlen 2015. Die schwammige MEI-Umsetzungsvorlage des Bundesrates ist ein ideales Wahlkampfthema.
Die MEI-Umsetzung ist wichtig in unserer Wahlkampfstrategie. Damit wir genügend Einfluss auf eine
konsequente MEI-Umsetzung nehmen können, müssen wir die Wahlen gewinnen. Und so wie es derzeit aussieht, ist es nötig, dass wir im Parlament Verbesserungen anbringen.
In welchen Bereichen?
Der Familiennachzug muss eingegrenzt werden. Wir brauchen genügend Plätze in den Kontingenten, für diejenigen Leute, die die Wirtschaft braucht.
Das wird völkerrechtlich schwierig, aber gut ... Womit sind Sie sonst noch unzufrieden?
Der Bundesrat hat nichts darüber gesagt, wie die Zugangsbeschränkungen der Einwanderer zu den Sozialversicherungen geregelt werden sollen. Das sind zwei entscheidende Punkte, in denen der Bundesrat von unseren Vorschlägen abweicht. Aber nicht die zentralsten.
Also, womit sind Sie am unzufriedensten?
Der Bundesrat signalisiert immer noch, dass die Umsetzung des am 9. Februar 2014 angenommene Verfassungsartikels nur möglich sei, wenn die EU einer Änderung des Abkommens über die Personenfreizügigkeit zustimmt. Das ist für erfolgreiche Verhandlungen eine schlechte Voraussetzung. Warum soll die EU Zugeständnisse
machen, wenn sie weiss, dass die Umsetzung im Inland scheitert, wenn sie sich
sperrt?
Zum Beispiel, weil sie weiss, dass die SVP dann die Personenfreizügigkeit per Initiative abzuschiessen versucht, was alles noch komplizierter macht, sollte es gelingen?
Man darf nicht immer so tun, als ob die kleine Schweiz der grossen EU machtlos ausgeliefert wäre. Mit der EU kann man erfolgreich verhandeln. Das hat die Vergangenheit gezeigt.
Wie hoch schätzen Sie denn die Chancen ein, dass die EU der Schweiz entgegenkommt und ihr bezüglich Personenfreizügigkeit eine Extrawurst gewährt?
Wenn man Brüssel vernünftig erklärt, wo die Probleme liegen und alles in die Waagschale wirft, was man hat, dann schätze ich die Chancen auf über 50 Prozent. Und der Bundesrat sollte das auch tun. Denn wenn man nicht damit rechnet, Erfolg zu haben, dann hat es überhaupt keinen Sinn in Verhandlungen einzutreten.
Und was kann die Schweiz in die Waagschale werfen?
Wir müssen der EU aufzeigen, dass ihr die bilateralen Verträge wie das Landverkehrsabkommen,
das Luftverkehrsabkommen und das Landwirtschaftsabkommen auch erhebliche
Vorteile bringen und eine Neuverhandlung der Personenenfreizügigkeit nicht gleich zur
Kündigung aller Bilateralen führen muss. Zudem ist eine Verknüpfung der
Verhandlungen mit anderen Dossiers wie etwa der Unternehmenssteuer-Reform
mit ihren Holdingprivilegien zu prüfen. Man kann fast bei jedem Teilvertrag der
Bilateralen auch massive Vorteile bei der EU ausmachen. Deshalb ist es alles andere als sicher, dass die Guillotinenklausel am Ende wirklich das Damoklesschwert ist, vor dem sich alle fürchten.
Das mag sein. Aber Stand jetzt ist, dass die EU der Schweiz massive Probleme bereiten kann, wenn die Schweiz einen Teil der Bilateralen aufkündigen will. Einverstanden?
Einverstanden. Aber genau deshalb müssen wir der EU aufzeigen, was sie verliert, wenn wir die bilateralen Verträge in Frage stellen. Immerhin ist die Schweiz der zweitwichtigste
Handelspartner der EU mit einem massiven Handelsbilanzüberschuss zugunsten der
EU.