Es ist eines der brutalsten Verbrechen der jüngeren Kriminalgeschichte. Am 21. Dezember 2015 werden vier Menschen im aargauischen Rupperswil heimtückisch ermordet. Auf die beispiellose Tat folgten beispiellose Ermittlungen. Und zwar mit modernsten Methoden: 30'000 Handynummern haben die Aargauer Ermittler nach der Tat überprüft, wie die «Nordwestschweiz» kürzlich publik machte. Mittels 48 Antennensuchläufen fanden die Behörden heraus, welche Handynummern zum Tatzeitpunkt an den Antennen in der Region eingewählt waren. Die grossen Netzbetreiber wie Swisscom wurden gerichtlich dazu verpflichtet, die entsprechenden Daten offenzulegen.
Im Mai 2016 wurde der mutmassliche Täter gefasst. Ein bis anhin als unbescholten geltender, junger Schweizer aus Rupperswil. Die Antennensuchläufe waren ein Puzzleteil der Ermittlungen. Welche Rolle sie genau spielten, ist noch unklar. Die Behörden äussern sich mit Verweis auf ermittlungstaktische Gründe nicht dazu.
Klar ist dagegen: Noch nie setzten die Strafverfolger hierzulande in einem ähnlichen Ausmass auf Antennensuchläufe wie im Fall Rupperswil. Das kostet einiges. So viel, dass zwischen dem Aargauer Innendepartement und dem eidgenössischen Justizdepartement mittlerweile ein Streit um eine offene Rechnung tobt.
Die Angelegenheit blieb bisher unter Verschluss. Recherchen zeigen jetzt: Seit Monaten laufen die Drähte zwischen Aarau und Bern heiss, das Thema beschäftigt die oberste Führungsebene. Der Aargauer Innendirektor Urs Hofmann sprach unter anderem mit Matthias Ramsauer, dem Generalsekretär von Justizministerin Simonetta Sommaruga, über den Fall.
Konkret geht es um rund 800'000 Franken. Diesen Betrag muss die Aargauer Justiz für die Antennensuchläufe gemäss Rechnung dem Dienst ÜPF (Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr) überweisen. Die unabhängige Stabstelle im Justizdepartement koordiniert die Überwachungsmassnahmen der kantonalen Strafbehörden mit den Netzbetreibern. Man habe den Betrag «gestützt auf die geltende Gebührenverordnung» in Rechnung gestellt, sagt Nils Güggi vom Dienst ÜPF. Der grösste Teil davon kommt den Netzbetreibern zugute. Das Justizdepartement selbst verdient nach eigenen Angaben nichts an den Antennensuchläufen.
Das Aargauer Innendepartement sieht das anders. «Nach unserer Beurteilung entspricht der vom Bund in Rechnung gestellte Betrag von rund 800'000 Franken nicht der anwendbaren Gebührenverordnung», so Generalsekretär Hans Peter Fricker. Man bestreite, dass die Gebühren dem effektiven Aufwand entsprechen und in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen stehen. Das Prinzip der Kostendeckung und jenes der Äquivalenz würden nicht eingehalten. Die Aargauer haben die Rechnung deshalb angefochten und versucht, eine Einigung mit dem Dienst ÜPF zu erzielen – erfolglos. Nun ziehen sie den Fall vor das Bundesverwaltungsgericht.
Tatsächlich dürften die Ermittler im Fall Rupperswil gewusst haben, was mit den umfangreichen Antennensuchläufen auf sie zukommen wird. Nach Informationen der «Nordwestschweiz» wurden sie aus Bern vorab darüber informiert, dass die geplante Massnahme überaus kostspielig sei. Offenbar kamen die Aargauer jedoch zum Schluss, dass die finanziellen Modalitäten erst später geklärt werden sollen. Vorrang hatte die rasche Aufklärung des unfassbaren Verbrechens.
Was aber, wenn der Aargau doch noch vollumfänglich zur Kasse gebeten wird? Der Regierungsrat hat in der Jahresrechnung 2016 vorgesorgt: Von der Öffentlichkeit bislang unbemerkt, wurde eine Rückstellung in der Höhe des umstrittenen Rechnungsbetrags gebildet. «Ein Nachtragskredit ist nicht erforderlich», heisst es beim Innendepartement.
Das Bundesverwaltungsgericht wird seinen Entscheid voraussichtlich diesen Sommer fällen. Damit dürfte es sich, zumindest indirekt, als erstes Gericht mit dem Fall Rupperswil beschäftigen. Noch vor dem eigentlichen Mordprozess.
(aargauerzeitung.ch)