Weinstein, #MeToo, Buttet: Die Diskussionen um sexuelle Belästigung reissen nicht ab. Wer sind die Opfer und wer die Täter? Dieser Frage nahm sich auch der Döttinger Peter Richard an und entfachte in den vergangenen Tagen eine hitzige Debatte. In einem provokativen Meinungsartikel in der Regionalzeitung «Die Botschaft» bezeichnete der 73-Jährige das derzeitige Treiben als moderne Hexenverfolgung an den Männern. «Vergewaltiger sollen hart angefasst werden. Aber Sprüche, Witze und Komplimente gehören sicher nicht in die Sparte Sexismus.»
Richard ist in der Region bestens bekannt: Er arbeitete während fast 40 Jahren als Oberstufenlehrer in Leibstadt, er war Präsident des FC Leibstadt. Er kandidierte für den Grossen Rat und den Döttinger Gemeinderat. Mit seiner pointierten Art macht er schon bei anderen Gelegenheiten von sich reden.
In den Augen vieler Personen ging Richard dieses Mal zu weit. Sie stören sich im erwähnten Beitrag vor allem an einem Angriff auf Yvonne Feri. Die Wettinger SP-Nationalrätin gerät dort ins Fadenkreuz. Richard beschreibt einen Fall, als Feri von einem Politiker einen Kuss auf die Stirn erhielt. «Ich glaube, diese Person war wohl völlig besoffen oder wollte Frau Feri wegen ihres Aussehens trösten.»
Elena Flach, Co-Präsidentin der SP-Sektion Zurzach, verurteilt Richards Geisteshaltung auf Schärfste. Sie streitet ihm jegliches Einfühlungsvermögen ab, für Personen, die als Opfer von sexueller Gewalt betroffen sind. «Er macht sich auf eine primitive Art über Vorfälle lustig.» Sie sei schockiert. «Wenn Frauen ständig auf ihr Äusseres reduziert werden und sich tagtäglich Sprüche anhören oder Handgreiflichkeiten erleben müssen, dann haben gewisse Leute noch nicht verstanden, in was für einer Zeit wir leben.»
Zu Richards Bemerkung über Yvonne Feri sagt Flach: «Er betitelt sie als Frau, die nicht ansehbar ist.» Dass ihn ein solches Thema dermassen beschäftigte und er solche Aussagen mache, zeuge davon, dass er genau zu der Sorte Mann zähle, die seiner Meinung nach ironisch gemeint auf den Scheiterhaufen gehörten.
Die attackierte Yvonne Feri reagiert ebenfalls auf Peter Richards Beleidigung. «Seine Haltung stellt einmal mehr unter Beweis, dass in der Gleichstellungsfrage noch sehr viel Arbeit auf uns wartet.» Feri übt nicht nur an Richard Kritik, sondern auch an der «Botschaft», die den Artikel eins zu eins abgedruckt hat. Sie behalte sich diesbezüglich mögliche Schritte gegen den Verlag vor.
Peter Richard bezeichnet den entstandenen Wirbel um seine Person als lächerlich. Anders sieht man das beim Verein Zurzibieter Frauen. Sie nehmen in einer Mitteilung Stellung: «Die Reduktion der Frau auf ihr Äusseres ist nicht akzeptabel», heisst es darin. Übergriffe aktiver oder passiver Natur würden die Integrität und Würde eines Menschen antasten und hätten in einer gleichgestellten Gesellschaft keinen Platz. «Was hier abgeht, ist reine Hysterie», entgegnet Richard. Die Zurzibieter Frauen kontern ihrerseits: «Menschen, die sich um einen guten Umgang miteinander bemühen, kennen die allgemeingültigen Benimmregeln und spüren keine Verunsicherung im Kontakt mit ihrem Gegenüber.» Jene, die sich damit schwertun würden, sollen unmissverständlich darauf hingewiesen werden, wo die Grenzen liegen, so die Forderung.
Zu diesem Zweck plant der Verein an einer seiner nächsten Treffs das Thema Sexismus zur Diskussion zu stellen. Ähnliches schwebt Elena Flach vor: Sie leitet mit Viviane Hösli das Co-Präsidium der SP Frauengruppe Aargau. Mit Anlässen will sie die Bevölkerung sensibiliseren. Sie fordert Peter Richard auf, ebenfalls daran teilzunehmen. Dieser nimmt die Einladung an: «Allerdings nicht als Zuschauer, sondern als Gesprächsteilnehmer auf dem Podium.» (aargauerzeitung.ch)