Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!
- watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
- Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
- Blick: 3 von 5 Sternchen
- 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen
Du willst nur das Beste? Voilà:
Der nächste Abstimmungssonntag am 5. Juni hat es quantitativ in sich: Gleich fünf nationale Vorlagen sind traktandiert. Von einer intensiven Kampagne ist jedoch kaum etwas zu spüren. Nicht einmal der Kampf der SVP gegen das revidierte Asylgesetz vermag die Gemüter sonderlich zu erregen. Der Verzicht der Partei auf eine Kampagne mit Inseraten und Plakaten macht sich bemerkbar.
Eine Vorlage, die lange kaum beachtet wurde, fällt jedoch aus dem Rahmen. Die Volksinitiative «Pro Service Public», die im Parlament keine einzige Ja-Stimme erhielt und von allen wichtigen Parteien und Verbänden bekämpft wird, stösst in den Umfragen auf überraschend viel Zuspruch. Sie profitiert vom Unmut vieler Menschen über die «Staatsbetriebe» Post, SBB und Swisscom.
«Es ist viel Ärger vorhanden», bestätigt Peter Salvisberg, Mitglied der Geschäftsleitung der Konsumenteninfo AG und Kopf des Initiativkomitees. «Wir alle sind Besitzerinnen und Besitzer dieser Unternehmen, dennoch werden laufend Dienstleistungen abgebaut. Und was alle nervt, sind die hohen Managerlöhne.» Diese Gefühlslage haben die Gegner unterschätzt.
«Die Initiative wurde bislang stiefmütterlich behandelt», sagt der Urner CVP-Ständerat Isidor Baumann. Er führt die Zustimmung in den Umfragen auf den Titel «Pro Service Public» zurück, den alle unterstützen könnten. «Das ist für uns eine Herausforderung», sagt Baumann. Dabei bewirke die Initiative nicht, was man sich von ihr verspreche, sagt er und spielt damit auf die Warnung der Gegner an, die unklar formulierte Initiative könnte den Abbau sogar beschleunigen.
Betroffen davon wären primär die Randregionen, doch gerade dort scheint die Initiative auf beträchtliche Zustimmung zu stossen. Ein Indiz dafür ist die überraschende Ja-Parole der SVP Graubünden. In dem gebirgigen Kanton ärgern sich viele Leute nicht nur über die Aufhebung von Poststellen oder eine Ausdünnung des öffentlichen Verkehrs, sondern auch über die mangelhafte Erschliessung mit Breitband-Internet.
Für die Gegner ist dies eine zusätzliche Hürde. Sie können sich nicht zwingend darauf verlassen, dass die Initiative am Ständemehr scheitern wird. Isidor Baumann kennt als Präsident der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) die Befindlichkeit in diesem Teil des Landes: «Der Abbau bei der Post ist vor allem für die ältere Generation eine Herausforderung.»
In den letzten 15 Jahren wurden mehr als die Hälfte aller Poststellen in der Schweiz dicht gemacht, nicht nur in den Randregionen, sondern auch in den Agglomerationen. «Das hat die Post sehr viele Sympathien gekostet», sagt FDP-Nationalrat Kurt Fluri, Stadtpräsident von Solothurn und Präsident des Schweizerischen Städteverbands.
Im Nachhinein zeige sich jedoch oft, dass der Service mit der Umwandlung in Postagenturen sogar besser werde: «Sie bieten längere Öffnungszeiten, und der Zusatzverdienst sichert die Existenz vieler Läden.» Auch Isidor Baumann betont, dass sich das Personal in den Bergregionen nach der Aufhebung einer Postfiliale meist sehr kooperativ verhalte.
Längst nicht überall sind die Erfahrungen jedoch positiv. Peter Salvisberg verweist auf ein Beispiel aus seiner engeren Heimat, das Zulgtal in der Region Thun. Wer dort die Zustellung eines eingeschriebene Briefes verpasse, müsse diesen auf der Post in Steffisburg abholen: «Das ist mit einer Busfahrt von 59 Minuten pro Weg verbunden.»
Die Postverordnung von 2012 verlangt, dass 90 Prozent der Bevölkerung innert 20 Minuten zu Fuss oder mit dem öffentlichen Verkehr eine Poststelle oder eine Agentur erreichen müssen. Der springende Punkt sind die restlichen zehn Prozent, immerhin rund 800'000 Personen. Diese wohnen kaum in den Agglomerationen.
Es bestehe die Gefahr, «dass dünn besiedelte Gebiete leer ausgehen», räumte Hans Hollenstein, Präsident der Postkommission, in der «NZZ am Sonntag» ein. Er wolle darauf hinwirken, «dass die Verordnung angepasst und der Raster verfeinert wird», erklärte der frühere Zürcher CVP-Regierungsrat und oberste Postüberwacher an.
Auf die Abstimmung wird sich dies kaum auswirken. Die Gegner sind dennoch optimistisch, dass sie in den verbleibenden dreieinhalb Wochen die positiven Umfragewerte korrigieren können. CVP-Ständerat Baumann setzt auf das Engagement «seiner» Bundesrätin Doris Leuthard, um die Trendwende zu schaffen.
Initiant Peter Salvisberg hält angesichts der massierten Gegnerschaft den Ball flach: «Es wäre das erste Mal in der Geschichte des Bundesstaats, dass eine Volksinitiative durchkommt, die im Parlament null Stimmen gemacht hat. Ein Ja wäre eine Mega-Mega-Sensation und eine schallende Ohrfeige für die Politik.»
Ein gröberes politisches Erdbeben wäre es auf jeden Fall.