Die CVP verspricht mit ihrer Initiative Steuererleichterungen für verheiratete Paare. Gleichzeitig will sie aber zum ersten Mal in unsere Bundesverfassung schreiben, dass die Ehe nur eine «Verbindung zwischen Mann und Frau» sein darf. Damit verbietet man, dass homosexuelle Paare jemals heiraten dürfen.
Die CVP verspricht also ein hübsches Steuergeschenk für Verheiratete. Beim Auspacken erhält man jedoch eine diskriminierende Ehedefinition aus dem vorletzten Jahrhundert!
Dass wir am 28. Februar Gefahr laufen, mit der Durchsetzungsinitiative eine Zweiklassenjustiz einzuführen, wissen mittlerweile alle viele. Weniger bekannt ist jedoch, dass die CVP mit ihrer Definition genauso zwei Klassen von Paaren schafft: Jene, die heiraten dürfen (heterosexuelle Paare) und jene, die das nicht dürfen (homosexuelle Paare).
Die CVP beteuert zwar stets, dass dies keine Diskriminierung darstelle und homosexuelle Paare dieselben Rechte erhalten sollen wie heterosexuelle Paare. Heissen muss der Zivilstand bei gleichgeschlechtlichen Paaren aber unbedingt anders. Der Zivilstand «eingetragene Partnerschaft» war einmal nötig, damit gleichgeschlechtliche Paare sich rechtlich überhaupt absichern konnten.
Heute heisst dieser «eingetragene Partnerschaft». Und damit auch immer klar wird, dass homosexuelle Paare niemals gleichgestellt sein dürfen, hat man ganz viele lustige Zivilstände geschaffen: Wenn der Partner eines Mannes stirbt, ist sein Zivilstand nicht verwitwet (Gott bewahre), sondern «durch Tod aufgelöste Partnerschaft».
Absurd ist der Unterscheid trotzdem. Das sehen immer mehr Länder so, weswegen der Trend im Westen überall Richtung Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geht (zuletzt sogar im erzkatholischen Irland).
Zum Glück gibt es die Initiative, die diesem Trend in der Schweiz einen Riegel schiebt und die Eheöffnung für homosexuelle Paare gleich in der Verfassung verbietet.
Auch in den USA gab es einmal den Grundsatz «Separate but equal» (getrennt aber gleich) – als Schwarze und Weisse getrennt wurden. Dieser Grundsatz wurde vom US-Bundesgericht als diskriminierend und verfassungswidrig befunden. Das war 1954. Diesen Grundsatz will die CVP in Bezug auf die Ehe festschreiben lassen. In unserer Bundesverfassung. Im Jahre 2016.
Und wenn wir schon bei den USA sind: Wenn das Volk Ja zur CVP-Initiative sagt, würde ein feuchter Traum der ultrakonservativen Republikaner in den USA wahr. Sie haben jahrelang versucht, die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau in der Verfassung zu verankern. Doch sie scheiterten immer wieder damit.
In der Zwischenzeit hat das oberste Gericht in den USA sogar entschieden, dass jeder Bundesstaat (ja, auch die ultrakonservativen Staaten wie Texas oder Tennessee) die Ehe für homosexuelle Paare zulassen müssen. Wollen wir wirklich konservativer sein als die USA unter Bush?
Es steht also ausser Zweifel, dass die CVP-Initiative unsere Verfassung in die gesellschaftspolitische Steinzeit katapultiert. Und das gibt’s nicht mal gratis. Die Initiative kostet den Staat 2,3 Milliarden Franken. Und für wen? Profitieren würden 2 Prozent der Schweizer Bevölkerung – die gutverdienenden Ehepaare. 2,3 Milliarden für 2 Prozent. Bezahlt von 98 Prozent der Schweizer Bevölkerung. Wenn du das also liest, gehörst du wahrscheinlich zu den 98 Prozent, welche für dieses Milliardengeschenk an 2 Prozent der Bevölkerung aufkommen muss. Und wie tust du das?
Entweder indem deine Steuern erhöht werden oder indem weniger Geld für Bildung, Öffentlicher Verkehr, Gesundheitswesen, usw. zur Verfügung steht. Höhere Ticketpreise bei der SBB? Grössere Schulklassen mit weniger Lehrpersonen? Zu wenig Pflegepersonal wenn du im Spital bist? Alles easy.
Aber es geht noch teurer. Mit der Initiative würden diese 2 Prozent nicht nur Steuergeschenke, sondern auch noch AHV-Geschenke erhalten. Kostenpunkt für die AHV? 3 Milliarden Franken! Mach dich also bereits auf höhere Lohnabzüge bei der AHV und längeres Arbeiten gefasst. Die 2 Prozent danken dir.
Klingt wie linkes Kampfgeheul? Nun, auch Econmiesuisse, der Dachverband der Schweizer Wirtschaft, ist gegen die Initiative. Sogar der Gewerbeverband lehnt sie ab.
Aber vielleicht findest du ja wirklich, dass die 2,3 Milliarden, die dem Staat flöten gehen, gerechtfertigt sind, um den gutverdienenden Ehepaaren (falls du es vergessen hast: 2 Prozent der Bevölkerung) die Steuern zu senken. Good News für dich: Du kannst dies auch tun, ohne gleichzeitig 500'000 Menschen in der Schweiz per Verfassung zu diskriminieren.
Falls die Initiative abgelehnt wird, hat kein geringerer als Finanzminister Ueli Maurer angekündigt, die sogenannte Heiratsstrafe sowieso abschaffen zu wollen – auch wenn das Volk Nein zur Initiative stimmt. Du kannst also das Anliegen der CVP sympathisch finden und trotzdem beruhigt Nein stimmen.
Wir müssen uns schon genügend für unsere früheren Generationen schämen. So wurde das Frauenstimmrecht in der Schweiz sehr spät eingeführt und war zuvor in mehreren Abstimmungen abgelehnt worden. Bis 1985 war im Eherecht die Frau dem Mann noch offiziell unterstellt und gegen die Gleichstellung von Mann und Frau in der Ehe wurde sogar das Referendum ergriffen.
Peinlich, oder? Genauso peinlich wäre die ultrakonservative, diskriminierende Ehedefinition der CVP in unserer Verfassung – als letztes Land in Westeuropa.