Schweiz
Abstimmungen 2017

7 Gründe, weshalb die Rentenreform scheiterte – und was dabei keine Rolle spielt

7 Gründe, weshalb die Rentenreform scheiterte – und was dabei keine Rolle spielte

Die Reform der Altersvorsorge ist gemäss einer Abstimmungsanalyse an einer Vielzahl von Ablehnungsgründen gescheitert. Keines dieser Motive allein wie etwa die Rentenaltererhöhung für Frauen hätte die Reform zu Fall bringen können.
09.11.2017, 10:0009.11.2017, 10:22
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Es war eng: Das Bundesgesetz über die Altersvorsorge war im September in der Volksabstimmung mit einem Nein-Stimmenanteil von 52,7 Prozent abgelehnt worden, die Zusatzfinanzierung war äusserst knapp mit 50,05 Prozent ebenfalls gescheitert.

Doch weshalb scheiterten die Vorlagen? Ausschlaggebend war also ein Zusammenspiel aller Nein-Motive, wie aus der am Donnerstag veröffentlichten VOTO-Studie zur eidgenössischen Abstimmung vom 24. September hervorgeht.

Ablehnung der SVP-Anhänger

Die Altersvorsorge 2020 sei primär an der wuchtigen Ablehnung der SVP-Anhängerschaft gescheitert. 84 Prozent hätten Nein gestimmt. Gleichzeitig sei die Ablehnung auf die nur lauwarme Unterstützung durch die Anhängerschaften jener Parteien erfolgt, die sie zur Annahme empfohlen hätten.

SP zu wenig geschlossen

Die SP-Anhängerschaft habe ihren Bundesrat zwar nicht im Stich gelassen. Mehr als drei Viertel hätten Ja gestimmt. Aber es hätte eines noch geschlosseneren Auftretens bedurft, um ein Scheitern der Reform abzuwenden, heisst es weiter.

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Die Rentenreform scheitert an vielen Gründen.Bild: KEYSTONE

Zustimmung ohne Überzeugung

Wer der Reform zugestimmt habe, habe dies zumeist nicht aus innerer Überzeugung getan, für die ideale Lösung votiert zu haben, sondern um den Reformstau zu überwinden. Viele Ja-Stimmende seien zudem der Ansicht gewesen, dass die vorgelegte Reform unter den aktuellen Bedingungen die bestmögliche Kompromisslösung sei.

Die pauschalen 70 Franken

Das populärste Nein-Motiv war gesamtschweizerisch gesehen die pauschale Erhöhung der AHV-Renten um 70 Franken pro Monat. Indes wäre es gemäss der Abstimmungsanalyse voreilig zu folgern, dass sämtliche Befragte, die in diese Richtung argumentierten, einen Ausbau der AHV prinzipiell ablehnten: Denn eine relative Mehrheit unter jenen, die den Zuschlag kritisiert hätten, habe nicht etwa die Erhöhung an sich bemängelt, sondern vielmehr den Umstand, dass der Zuschlag den aktuellen Rentenbezügern vorenthalten worden wäre.

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Die geplanten Erhöhung des Rentenalters für Frauen sorgte bei 12 Prozent der Stimmenden für ein Nein.Bild: KEYSTONE

Die Erhöhung des Frauenrentenalters

Der Widerstand gegen die Erhöhung des Referenzalters für Frauen habe ebenfalls eine nicht unbeträchtliche Zahl von zwölf Prozent dazu bewogen, ein Nein in die Urne zu legen. Bei diesem Motiv habe sich das ausdrücklich im Namen der Frauen lancierte Referendum von Westschweizer Gewerkschaftskreisen bemerkbar gemacht. Während die Rentenaltererhöhung der Frauen nur von acht Prozent der Deutschschweizer und 15 Prozent der italienischsprachigen Nein-Stimmenden als primärer Beweggrund angeführt worden sei, sei es in der Romandie das mit 29 Prozent mit Abstand am häufigsten genannte Motiv gewesen.

Fehlende Kompensationsmassnahmen

Offenbar habe die Erhöhung des Rentenalters für Frauen nur eine untergeordnete Rolle für den Entscheid gespielt. Viele, die das Lohngleichheits-Prinzip befürworteten, darunter auch Frauen aus dem linken Lager, hätten am Ende trotzdem ein Ja in die Urne gelegt. Als Grund sehen die Analysten, dass viele bereit gewesen seien, diese «Kröte zu schlucken» zugunsten einer Reform, die sie für dringend nötig erachtet hätten. Die Rentenaltererhöhung für Frauen sei zwar mehrheitsfähig, aber wohl nur dann, wenn sie durch bestimmte Kompensationsmassnahmen abgefedert werde, heisst es weiter.

Erhöhung des Rentenalters ist kontrovers 

Befürworter und Gegner einer Erhöhung des Rentenalters hielten sich gemäss der Abstimmungsanalyse etwa die Wage. Rund die Hälfte der Teilnehmenden (48 Prozent) sei mit dem Argument, wonach «wir nicht darum herumkommen, das Rentenalter auf 67 Jahre zu erhöhen, um die AHV langfristig zu sichern», einverstanden. Die andere Hälfte widerspreche dieser Aussage. Der Graben zwischen Pro und Kontra zum Rentenalter 67 verlaufe zuletzt auch quer durch die einzelnen Parteianhängerschaften. Eine Ausnahme bilde einzig die FDP, wo das Rentenalter 67 eine Mehrheit von 62 Prozent erziele. Die restlichen Parteianhängerschaften seien sich hinsichtlich dieser Frage uneins. 

Keine Rolle spielte hingegen das Alter und das Geschlecht

Soziale Merkmale hätten für den Entscheid nur eine sekundäre Rolle gespielt. Männer hätten die Vorlage zu etwa gleichen Anteilen abgelehnt wie die Frauen. Auch von einem Generationenkonflikt könne ebenso wenig die Rede sein wie von einem Geschlechtergraben. Die Unterschiede im Stimmverhalten zwischen den Altersgruppen sei ebenfalls gering gewesen. Zudem habe sich die tiefste Zustimmung zur Reform bei den Seniorinnen und Senioren gefunden.

Die VOTO-Studien sind ein gemeinsames Projekt des Schweizer Kompetenzzentrums Sozialwissenschaften FORS , dem Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) und dem Befragungsinstitut LINK. Finanziert wird VOTO von der Schweizerischen Bundeskanzlei. Für die Studie wurden zwischen dem 25. September und dem 10. Oktober 2017 1511 Stimmberechtigte aus allen Landesteilen befragt. (sda)

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18 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Randen
09.11.2017 10:45registriert März 2014
Es braucht ein Grundeinkommen für alle. Niemand sollte pensioniert werden. Die AHV war eine grosse Errungenschaft aber jetzt braucht es etwas neues.
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Lowend
09.11.2017 12:15registriert Februar 2014
Die SVP ist offenbar inzwischen eine richtige Politsekte, in der die stinkreiche Parteielite dem gläubigen Vouch jede noch so absurde Politik zu Gunsten der Mehrbesseren schmackhaft machen kann.
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