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Analyse

Die SVP ist mit ihrer Anti-EWR-Aktion auf gefährliche Abwege geraten

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Die SVP ist mit ihrer Anti-EWR-Aktion auf gefährliche Abwege geraten

SVP-Parlamentarier haben im Parlament lautstark an das EWR-Nein vor 25 Jahren erinnert. Das sorgt für Zündstoff. 
07.12.2017, 04:5807.12.2017, 16:07
henry habegger / Aargauer Zeitung
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Wäre es an einer Schule passiert, man würde die «Schnuderbuebe» vor die Tür stellen. Wäre es im Militär passiert, kassierten die disziplinlosen Gesellen scharfen Arrest. Aber so harmlos oder einfach ist es nicht. Die Rädelsführer sind keine Schulbuben mehr, sie sind gewählte Volksvertreter und sogar die Führungsfiguren der grössten Partei im Land, der SVP.

Die SVP, angeblich Partei von Recht und Ordnung, hat es gestern fertiggebracht, mit einer gesetz- und geschmacklosen Aktion die Schlagzeilen zu dominieren. Minuten vor Sessionsbeginn stellte sich die Fraktion (immerhin waren nicht alle gekommen, und einige sagten nachher: zum Glück war ich nicht dabei) im Nationalrat auf und trompetete und posaunte den Schweizerpsalm in den Saal. Die hinterste Reihe schwenkte Transparente mit Aufschriften wie «Danke, Schweiz!». Die Mittagstagesschau von Fernsehen SRF berichtete im Hauptbeitrag über die Aktion, die die SVP «im Gedenken an das EWR-Nein» durchgeführt habe.

Hausherr im Nationalratssaal ist der Präsident oder die Präsidentin. Die SVP hätte das Einverständnis von Nationalratspräsident Dominique de Buman einholen müssen, aber das unterliess sie mit Absicht: De Buman, der die SVP im Nachhinein rügte, hätte die grobschlächtige Parteiveranstaltung nie und nimmer bewilligt. Er hätte sie gar nicht bewilligen dürfen. Also ging die SVP hinterrücks vor nach dem Motto: Die Herren sind wir, wir tun, was uns gerade gefällt, denn was uns gefällt, ist richtig. Wer danach Einwände vorbrachte wie einige Sozialdemokraten, wurde zurechtgewiesen: Die Nationalhymne darf man im Nationalratssaal doch wohl noch singen. Die wohl vorbereitete Botschaft der SVP-Leitung um Fraktionschef Aeschi ist klar: Wir sind die Patrioten, und wer etwas gegen die Aktion hat, der ist kein Patriot, der ist kein richtiger Schweizer.

«Die Aktion war darauf angelegt, das Land zu spalten und Unfrieden zu stiften.»

Diese Aktion war nicht einfach ein harmloses Schulbubenstück. Sie war darauf angelegt, das Land zu spalten und Unfrieden zu stiften. Dass nun schon der Nationalratssaal dafür missbraucht wird, ist alarmierend. Das Bundesparlament ist ein Herzstück unserer Demokratie, hier wird die Schweiz austariert und gestaltet, es herrschen klare Regeln, wer wann auftreten darf und wie lange. Es ist das Abbild des Volkswillens: Grosse Parteien können länger reden und haben mehr politisches Gewicht als kleine. Keiner kann, bis dato zumindest, kommen und sagen: Ich sage, wo es durchgeht.

Mit ihrer Aktion ist die SVP auf gefährliche Abwege geraten. Geplant und mit Vorsatz, am Vorabend erhielten einzelne Fotografen und TV-Leute den Tipp, es werde etwas passieren. Dass ausgerechnet das Deutschschweizer Fernsehen sich von der No-Billag-Partei instrumentalisieren liess und ihr diese breite Plattform gab, ist kurzsichtig und dumm und zeugt nicht von staatspolitischer Verantwortung.

Die SVP ist krasser drauf, als man denkt!

Video: watson/Renato Kaiser
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101 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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kettcar #lina4weindoch
07.12.2017 07:03registriert April 2014
Lasst mich raten: Roger Köppel war bei der Aktion nicht dabei? Fand ja im Nationalratssaal statt.
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David Rüegg
07.12.2017 07:01registriert März 2017
Aus meiner Sicht ist die Aktion vor allem peinlich für die SVP selbst. Was manche als Aufstand gegen die "Elite" sehen mögen ist in meinen Augen ein krasser Beweis der Unmündigkeit.
Was allerdings am meisten zu denken geben sollte ist, dass es sogar die SVP selbst für ihren grössten Erfolg in 25 Jahren hält, etwas verhindert zu haben. Das zeugt nicht wirklich von der Fähigkeit unser Land zu leiten und weiter zu bringen.
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Herbert Anneler
07.12.2017 07:09registriert August 2015
Danke für diese klaren Watson-Worte! Was im Parlament passiert ist, ist das SVP-Programm in seinem Kerngehalt: Klamauk, Klamauk, Klamauk - oder in Bauernlatein: Viel Geschnipsel und keine Wolle! Hören wir auf, uns von der SVP wie Schafe behandeln zu lassen! Määh mähh = have a sünneli day 🌻
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