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«Der Verdächtige Nummer 32» – Diesen Titel trug der Artikel über A. E. alias Abu Mohammed, den die «SonntagsZeitung» im Mai dieses Jahres veröffentlichte. Am 4. Februar 2004 hatte Interpol weltweit eine Fahndungsliste verschickt: Darauf standen Libyer, die terroristischer Aktivitäten verdächtigt werden. Auf Platz 32 steht auch der Name von A. E.
Interpol warnt, weil A. E. in Libyen Mitglied der Libyan Islamic Fighting Group (Lifg) war, einer Untergrundmiliz, die gegen Diktator Muammar al-Gadhafi kämpfte und einen Islamischen Staat in Libyen errichten wollte. Gadhafi verfolgte die Mitglieder, die sich nach und nach nach Europa oder Afghanistan absetzten. Gemäss «SonntagsZeitung» ist die Lifg auch in der Schweiz aktiv. Seit dem Sturz Gadhafis soll A. E. wieder vermehrt nach Libyen gereist und mit Verletzungen zurückgekommen sein.
Der Name des Libyers wird in der «SonntagsZeitung» zudem mit zwei grossen Terrorermittlungen der Schweizer Behörden in Verbindung gebracht: Er soll privat mit einem der drei Iraker verkehrt haben, die von der Bundesanwaltschaft angeklagt worden sind, einen Terroranschlag geplant zu haben. Gemeinsam sollen sie Videos über Hassreden, Selbstmordanschläge und Enthauptungen aus dem Irak angeschaut haben.
Zudem soll er mehrere Jugendliche, die von Winterthur aus nach Syrien zogen, gekannt haben: die Geschwister Visar (16), Edita (15), Konvertit Christian I. (18) und Ibn Mohamad al-Kurdi (21). Auch Ahmed (25), der am Flughafen Zürich-Kloten verhaftet wurde, von wo er vermutlich nach Syrien reisen wollte. Sie alle verkehrten in der An'Nur-Moschee in Winterthur-Hegi, wo A. E. predigt.
A. E. kam um die Jahrtausendwende von Libyen in die Schweiz. Seit zehn Jahren ist er in verschiedenen Moscheen in Schaffhausen, Zürich und Winterthur als Imam tätig. Unter anderem in der Arrahma Moschee, die geschlossen wurde, nachdem die Polizei bei einer Razzia illegale Einwanderer verhaftet hatte und gegen vier von ihnen wegen Hehlerei ermittelte. A. E. war nicht angeschuldigt.
Auf Anfrage der «SonntagsZeitung» schwieg A. E. zu den Vorwürfen.
Nach den Anschlägen in Paris veröffentlicht die «Weltwoche» am Donnerstag, den 19. November einen Artikel mit dem Titel «IS-Zelle in Winterthur». Die «Weltwoche» stellt A. E. darin ins Zentrum einer angeblichen IS-Zelle in Winterthur und zitiert einen jungen Mann, der von A. E. zur Reise in den Dschihad aufgefordert worden sei. Diese Quelle behauptet: «Dieser Mann ist purer IS».
Zudem legt die «Weltwoche» mit Bezug auf libysche Quellen dar, dass A. E. bei seinen Reisen nach Libyen regelmässig die IS-Hochburg Sirte besuchen soll. A. E. erfährt erst vom «Weltwoche»-Artikel, nachdem er erschienen ist.
Der Artikel erhielt grosse Aufmerksamkeit. Am Sonntag legte der «SonntagsBlick» nach und veröffentlichte ein Bild des Mannes unter dem Titel: «Das ist der IS-Pate von Winterthur».
Am «Weltwoche»-Artikel kommt Kritik auf. In einem NZZ-Artikel vom Dienstag kritisiert Extremismus-Experte Samuel Althof: «In Winterthur gibt es keine Terrorzelle. Dies ohne Beweise öffentlich zu behaupten, ist Unfug oder gar Schreckung der Öffentlichkeit.»
Bei watson nimmt Imam A. E. am Dienstag erstmals Stellung zu den Vorwürfen gegen ihn. Er gibt zu, Mitglied der «Libyan Islamic Fighting Group» gewesen zu sein, aber nicht für sie gekämpft zu haben. Auf die Interpol-Liste habe Gadhafi ihn mit einer Auswahlsendung anderer Oppositioneller setzen lassen. Er sei kurz darauf wieder davon gelöscht worden. A. E. erhielt in der Schweiz politisches Asyl, er hat eine Schweizer Ehefrau und zwei Kinder und wohnt in einem unauffälligen Einfamilienhaus.
Der Sekretär der Stiftung Islamische Gemeinschaft Zürich, bestätigt gegenüber watson, dass E. in deren Moscheen an der Rötel- und der Uetlibergstrasse zwischen 2005 und 2010 als Prediger tätig war. «Auffälligkeiten hat es keine gegeben, es ist auch niemand in den Dschihad gezogen oder ähnliches», sagt der Sekretär, der seinen Namen nicht im Zusammenhang mit der Thematik «IS» lesen will.
Und obwohl die Bundesanwaltschaft keine Auskunft über Ermittlungen gegen Einzelpersonen gibt, gibt es keine behördlichen Hinweis, dass E.s Reisen nach Libyen einen terroristischen Hintergrund haben. Bundesanwalt Lauber gab in der jüngsten Ausgabe der «NZZ am Sonntag» an, dass es bei den BA-Ermittlungen gegen mutmassliche Schweizer Dschihadisten um Personen gehe, «die zur Unterstützung von islamistischen Terrororganisationen nach Syrien, in den Irak, nach Somalia, Afghanistan oder Pakistan reisen oder von dort in die Schweiz zurückkehren». Libyen fehlt in Laubers Aufzählung.
A. E. selbst bestreitet jegliche Verbindung zum «IS»: «ich verurteilte die Taten und Ideologie des ‹IS› grundsätzlich», sagt er. «Ich verachte den ‹IS› dafür, dass er das Bild vom Islam in ganz Europa dermassen verzerrt hat. Auch die verreisten Winterthurer Jugendlichen will er bis auf einen nicht gekannt haben. Sein Kontakt zum Terror-Verdächtigen Iraker habe sich zudem verflüchtigt, bevor sich dieser radikalisiert habe.
Ob die recherchierenden Journalisten von «SonntagsZeitung» und «Weltwoche» mit ihrer Einschätzung von der Gefährlichkeit A. E.s richtig liegen, oder ob dieser mit seinen umfassenden Dementis recht hat, bleibt derzeit offen. Seine Wurzeln bei der militanten Libyan Islamic Fighting Group bestreitet er nicht und er bewegt sich über die Jahre immer wieder im Dunstkreis von Personen und Vorfällen, die mutmasslicherweise in Verbindung mit dem sogenannten «IS» stehen. Aber Fakt ist auch: Obwohl vor den Medien auch der Nachrichtendienst und die Polizei auf A. E. aufmerksam geworden sein dürften, hat er sich nie etwas zu Schulden kommen lassen, was es rechtfertigte, ihn öffentlich als
«IS-Paten» zu bezeichnen.A. E. plant, rechtlich gegen den «SonntagsBlick» vorzugehen, der sein Bild ohne Einwilligung geschossen hat, als er seine Haustür öffnete und mit dem Titel «Das ist der IS-Pate von Winterthur» auf die Titelseite gesetzt hat.