Die wiederholten islamistischen Terroranschläge haben Spuren hinterlassen. Die Stimmung in Europa ist aufgeladen. Gross ist mittlerweile das Misstrauen, wenn junge Salafisten irgendwo ihre Stände aufschlagen und Korane verteilen. Dies biete den Nährboden zur Radikalisierung.
In den Fokus geraten ist insbesondere die Organisation «Lies!», deren Anhänger auch auf dem Basler Claraplatz mehrfach den Koran sowie salafistische Schriften an Passanten verteilt haben.
Erst vergangene Woche haben diverse Medien Verbindungen zwischen der Organisation und einer regionalen Islamistenzelle aufgezeigt. Zudem gibt es Beispiele aus Deutschland, wo «Lies!»-Aktivisten nach Syrien in den Dschihad gereist sind. Der «Spiegel» schrieb kürzlich, dass die Bewegung zu den «erfolgreichsten Rekrutierungsaktionen der Salafisten» gehöre. Der Job als Verteiler am Infostand stehe oft am Beginn einer Laufbahn als militanter Islamist.
Mehrere deutsche und österreichische Städte haben bereits reagiert und die Verteilaktionen untersagt. Diesen Monat hat beispielsweise Hamburg nachgezogen. In Schweizer Städten ist ein generelles Verbot hingegen noch kein Thema.
Nun aber will der Kanton Basel-Stadt die Schraube anziehen. Im Rahmen der Vernehmlassung zum Gesetz über die Nutzung des öffentlichen Raumes schlägt die Basler Regierung vor, bei Standaktionen mit besonderen Vorkommnissen wie Reklamationen das Meldeverfahren in ein «vereinfachtes Bewilligungsverfahren» umwandeln zu können.
«Auslöser der Diskussionen, die zu dieser Anpassung geführt haben, waren die aggressiven Koran-Verteilaktionen», erklärt Nicole Stocker vom zuständigen Bau- und Verkehrsdepartement.
Die Hürden für «Lies!» würden damit höher, stellt Stocker klar. «Gleichzeitig hätte der Kanton mehr Möglichkeiten, das Informationsangebot an solchen Ständen genauer unter die Lupe zu nehmen.»
Gegebenenfalls könnte die Allmendverwaltung den Standbetreibern Auflagen machen. Werden diese nicht eingehalten, kann auch die Bewilligung entzogen werden. Bisher seien allerdings noch keine Gesuche abgelehnt worden.
Hinter den Koran-Verteilaktionen steht die deutsche Bewegung «Lies!», die in den letzten Jahren auch in verschiedenen Schweizer Städten missionierte. Auch hierzulande ist im Zusammenhang mit der Bewegung zumindest ein Fall eines Dschihad-Reisenden bekannt: 2014 reiste ein Thurgauer nach Syrien, um sich einem Al-Kaida-Ableger anzuschliessen. Zuvor hatte er sich an «Lies»-Standaktionen in Winterthur beteiligt.
Schon vor rund zwei Jahren waren in Basel politische Forderungen laut geworden, bei Gesuchen restriktiver vorzugehen. Qaasim Illi vom Islamischen Zentralrat (IZRS) hatte damals öffentlich den Märtyrertod verherrlicht und in seinem Blog glorifiziert, wenn Hamas-Kämpfer im Kampf gegen Israel sterben. Das reiche nicht aus, um umstrittene IZRS-Standaktionen zu verweigern, hatte Regierungspräsident Guy Morin damals erklärt. Es fehlten die nötigen rechtlichen Grundlagen.
«Auch wenn ich und meine Mitarbeiter das Verherrlichen oder das Aufrufen zu Gewalt und zum Märtyrertod abscheulich finden, müssen wir rechtsstaatlich handeln und uns an das Gesetz halten», wurde Morin zitiert. Nun soll das Gesetz mit den nötigen Kompetenzen ausgestattet werden.
Schärfere Richtlinien wünscht sich auch Marc Schinzel. Per Interpellation fragt der Binninger FDP-Landrat die Baselbieter Regierung an, ob sie bereit sei, solche Koran-Verteilaktionen im Kanton künftig zu verbieten. Gleichzeitig regt er an, sich beim Kanton Basel-Stadt ebenfalls für ein solches Verbot einzusetzen.
In Baselbieter Gemeinden herrschen aber schon heute strengere Regeln. Beispiel Liestal: «Sofern die öffentliche Ordnung oder Sicherheit durch die Standaktion gefährdet erscheint, wird eine Bewilligung verweigert», stellt René Frei klar. Der Bereichsleiter Sicherheit ergänzt, dass die Stadt Liestal grundsätzlich dafür sorge, dass bei allen Standaktionen Passanten «nicht offensiv angegangen oder belästigt werden». Allerdings: In den letzten Jahren sei ohnehin nie ein Gesuch für eine «Lies!»-Standaktion eingereicht worden. (bzbasel.ch)