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Joël Thüring hat die E-Mails von SVP-Nationalrat Sebastian Frehner mitgelesen.

Joël Thüring (l.) soll Sebastian Frehners (r.) E-Mails gelesen haben.
Joël Thüring (l.) soll Sebastian Frehners (r.) E-Mails gelesen haben.Bild: Keystone

«Operation Putin»: So stellte SVP-Nationalrat Frehner seinen Sekretär kalt

Im engsten Kreis wurde ausgehandelt, dass Nationalrat Sebastian Frehner seine Anzeige wegen der Basler Email-Affäre fallen lässt. Parteisekretär Joël Thüring muss dafür seine Ambitionen begraben.
17.05.2018, 06:5017.05.2018, 06:57
Benjamin Rosch / bz Basel
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Zuhause schaut Joël Thüring gerne «Borgen» oder «House of Cards». Plötzlich ist er selbst zu einem Protagonisten einer Politserie geworden.

Mittwoch, kurz nach 12 Uhr, scharen sich einige ranghohe Vertreter der Basler SVP um ihren Präsidenten. Neben dem Vordach zum Eingang des Grossratssaals fliesst der Regen in Strömen, im Hintergrund schlagen die Glocken des Rathauses. Lorenz Nägelin eröffnet seinen Parteikollegen, dass Joël Thüring verloren hat und er jetzt eine Medienmitteilung versendet, die dessen politische Karriere beendet. Thüring, um den sich sonst immer alles dreht in dieser Partei, steht nicht dabei.

Es ist der Schlusspunkt einer Skandalgeschichte, die vergangene Woche ihren Lauf nahm. Anzeige gegen den Parteisekretär gab es, weil er mutmasslich unerlaubterweise die Mails von Nationalrat Sebastian Frehner mitgelesen hatte.

«Operation Putin»

In den darauffolgenden Tagen wogte der Skandal und erschütterte die zweitgrösste Partei Basel-Stadts in ihren Grundfesten. Lange schien unklar, wer die Oberhand behalten sollte. Schuld daran ist vor allem die Figur Frehner. Der Machtpolitiker ist parteiintern gehasst und gefürchtet für seine intriganten Ränkespiele. In den vergangenen Jahren hat er immer wieder unliebsame Parteikollegen beseitigt.

Seinen Abstraf-Aktionen gibt Frehner gerne militärische Namen. Mit der «Operation Stalin» entfernte er vor rund zwei Jahren Grossrat Michel Rusterholtz, der zu grosse eigene Ambitionen entwickelt hatte. Der jüngste Machtkampf firmierte inoffiziell unter der «Operation Putin».

Und auch aus diesem geht Frehner als Sieger hervor. Zwar zieht er seine Strafanzeige gegen Thüring zurück und so bleibt ungeklärt, ob und wie Thüring die Mails seines ehemaligen Arbeitgebers heimlich verfolgt hat.

Die Auswertungen des Bundes, die der bz vorliegen, legen es nahe: An 79 von 108 untersuchten Tagen dürfte sich Thüring von seinem Büro aus in Frehners Webmail-Account eingeschaltet haben. Meist morgens, oft mittags, manchmal auch nachmittags. Im Gegenzug muss Thüring seine Arbeit als Parteisekretär aufgeben, dazu darf er sich nie als Regierungs- oder Nationalratskandidat bewerben. So hatten es Nägelin, Frehner und Thüring im engsten Kreis ausgehandelt.

Dabei sah es lange sehr schlecht aus für Frehner. Die Grossrats-Fraktion machte ihn dafür verantwortlich, dass wieder einmal so viel Lärm um die SVP entstanden war. Und sie hielt lange zu Thüring. Mit gutem Grund: Thüring ist die Fraktion. Es ist ein offenes Geheimnis, dass er selbst in seinem Jahr als Grossratspräsident die Vorstösse für seine Kolleginnen und Kollegen schrieb. Dass er Absprachen mit Bündnispartnern traf. Ein Beweis? Eva Herzogs Steuerdeal unterschrieben nur Präsidenten und Fraktionschef. Für die SVP prangte die Signatur von Joël Thüring auf dem Dokument. Er war es auch, der an der offiziellen Pressekonferenz die Positionen der Volkspartei vorstellte. Ohne Partei-Mandat.

Druck aus der Zentrale

Thüring selbst hatte keine Hoffnungen in die geplante Vorstandssitzung von heute Abend gesetzt. An dieser wollten seine Verbündeten in der Parteileitung Frehner den schwarzen Peter zuschieben, ihn abmahnen und vielleicht sogar mit dem Parteiausschluss drohen. So zumindest hatten sie es in den vergangenen Tagen in den Medien angekündigt.

Doch Treueschwüre haben in dieser Partei eine kurze Halbwertszeit. Nägelin hielt Thüring vergangene Woche noch die Stange. Ein deutlicher Fingerzeig aus der Schweizer Zentrale hatte dem Treiben der Basler ein Ende bereitet. Das zumindest bieten sich jene SVPler herum, die ihre Freude am entstandenen Schaden kaum verbergen können.

Es sind nicht wenige in dieser Kantonalsektion, die sich schon wieder so zum Gespött gemacht hatte, dass auch die «NZZ» auf sie eindrosch. Es scheint, als habe dies Albert Rösti zum Durchgreifen bewogen. Als wollte der oberste SVP-Chef keinen Tag länger zusehen, wie sich diese Basler stetig selber zerfleischen. So bieten es sich die SVPler herum, eine offizielle Anfrage blieb unbeantwortet.

Für Thüring kam der Entscheid einer Erleichterung gleich. Drei Kilo hatte er abgenommen in den vergangenen Tagen, der Stress war immens. Von der Partei braucht er jetzt eine Auszeit, an der heutigen Vorstandssitzung, so sie denn stattfindet, wird er nicht teilnehmen. Danach steht der treuste Diener wieder für eine geordnete Übergabe zur Verfügung.

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3 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Paul Badman
17.05.2018 07:10registriert November 2015
Auch innerhalb der SVP gibt es somit offenbar eine Art Kuscheljustiz.
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