Herr Wehren, wie regulieren Sie eigentlich die Schleusen? Am Schreibtisch?
Bernhard Wehren: Wir regulieren den Thuner-, den Brienzer- und den Bielersee
zentral hier von Bern aus, sozusagen aus der Schaltzentrale.
Wer entscheidet, wann die Schleusen geöffnet werden, und ob die Berner, die
Solothurner oder die Aargauer die Füsse im Wasser haben?
Wir handeln nach Reguliervorgaben. Die Abflussmengen sind genau festgelegt und
zwischen den Kantonen Aargau, Solothurn und Bern vereinbart.
Wie oft müssen Sie zurzeit in die Seeregulierung eingreifen?
Praktisch stündlich. Wir entscheiden immer wieder neu. Wir haben die Manöver in den
letzten Tagen und Wochen mehrmals gemacht und die Schleusen je nach Lage geöffnet
und wieder geschlossen.
Das ist stressig...
Ja, zurzeit arbeiten wir rund um die Uhr und brauchen entsprechend viele Leute. Wir
sind immer beschäftigt. Da kommt man an die Grenzen.
Wie aussergewöhnlich war der Juli im Vergleich mit anderen Jahren?
Es kam sehr viel Wasser, und es kam immer wieder. Es regnete immer wieder stark und
wir mussten versuchen, diese Wellen von Wasser kontrolliert abzugeben.
Wie funktioniert das?
Wir sind einerseits dafür verantwortlich, die Seen im Berner Oberland auf einem Niveau
zu halten, damit genügend Platz für neues Wasser darin vorhanden ist. Andererseits
müssen wir die Abflüsse wie die Aare im Auge behalten, damit diese nicht in Bern oder
im Mittelland über die Ufer tritt.
Wie prekär ist die Situation im Berner Oberland und in Bern zurzeit?
Seit längerer Zeit sind alle Schleusen offen, wir haben einen maximalen Abfluss und
deshalb fliesst auch sehr viel Wasser in der Aare bei Bern ab. Die Fliessgewässer
reagieren zurzeit immer schneller, weil die Böden durch die wiederholten Niederschläge
gesättigt sind.
Was bedeutet das?
Wir lassen soviel Wasser wie möglich ablaufen. Dennoch befinden wir uns noch im
unkritischen Bereich. Jede Phase, in der kein neues Wasser nachfliesst, ist für uns
wichtig, damit wir die Seen wieder entlasten können.
Was ist genau das Problem im Berner Oberland und in der Region Bern?
Der Thunersee hat zwei Besonderheiten: Erstens hat er im Verhältnis zu seinem
Einzugsgebiet die kleinste Seefläche in der Schweiz. Zweitens ist sein Pegelspielraum
von 50 Zentimetern der kleinste im ganzen Land. Das hat zur Folge, dass der Thunersee sehr schnell reagiert – und wir auch sehr schnell reagieren
müssen.