Der Bundesrat hat seinen Ermessensspielraum nicht überschritten, als er die südliche Grenze der Moorlandschaft Grimsel 27 Meter über dem heutigen Seespiegel festgelegt hat. Dies hat das Bundesgericht in einer am Mittwoch durchgeführten öffentlichen Beratung entschieden.
Damit haben die Lausanner Richter die Beschwerde der Kraftwerke Oberhasli (KWO) mit vier zu einer Stimme gutgeheissen. Die KWO betreiben die Kraftwerksanlagen mit den Speicherseen Grimsel und Räterichsboden. Die Sache geht nun zur weiteren Behandlung an das Verwaltungsgericht Bern zurück.
Gemäss Artikel 78 der Bundesverfassung sind Moore und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und gesamtschweizerischer Bedeutung geschützt.
Die Mehrheit der Bundesrichter stellte sich auf den Standpunkt, dass mit dem aktuellen Entscheid die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichts in Sachen Moorlandschaften nicht über den Haufen geworfen werde.
Bei der umstrittenen Fläche handle es sich um eine Randzone der Moorlandschaft Grimsel, argumentierte die Mehrheit der Richter. Gerade dort liege es im Ermessen des Bundesrates, festzulegen, wo die Grenze eines zu schützenden Gebiets verlaufen solle.
Gemäss Bundesgericht seien im Fall der Grimsel-Moorlandschaft alle charakteristischen und zentralen Elemente in den Perimeter aufgenommen worden. Der Bundesrat habe die Ausbaupläne der KWO vom definitiven Schutzgebiet ausnehmen dürfen.
Es bestehe zudem ein erhebliches öffentliches und privates Interesse am Ausbau der bestehenden Wasserkraftnutzung. Die Speicherkapazität des Stausees könne mit einem minimalen Landkonsum um 75 Millionen Kubikmeter (auf 170 Millionen Kubikmeter) erhöht werden.
Dies entspreche nach der Einschätzung von Experten rund 20 Prozent des gesamtschweizerischen Ausbaupotentials von Wasserkraftwerken.
Der unterlegene Richter und die Gerichtsschreiberin, die beratende Stimme hat, argumentierten vergebens dafür, dass der Perimeter auf dem Level des heutigen Seespiegels festzulegen sei. Dem Bundesrat sei es verwehrt, klar zur Moorlandschaft gehörende Teile abzuschneiden.
Eine Interessenabwägung, wie sie die Exekutive im Hinblick auf die zukünftige Energiegewinnung vorgenommen habe, sei nicht zulässig. Damit werde die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichts in Sachen Moorschutz geändert.
Im Jahr 2010 hatten die KWO ein Gesuch um Anpassung und Ergänzung der Gesamtkonzession zur Nutzung der Wasserkraft im Grimselgebiet gestellt (Projekt «KWO Plus»). Sie beabsichtigten, die beiden Staumauern des Grimselsees zu erhöhen. Der Stauspiegel sollte um 23 Meter angehoben werden.
Gegen das Vorhaben erhoben zahlreiche Verbände und Organisationen Einsprache. Der Grosse Rat des Kantons Bern genehmigte die Änderung der Konzession jedoch im September 2012 und wies die Einsprachen ab.
Das Berner Verwaltungsgericht hiess eine Beschwerde gegen das Vorhaben gut. Es hielt fest, dass die südliche Perimetergrenze der Moorlandschaft Grimsel vom Bundesrat rechtswidrig festgelegt worden sei. Sie habe entlang des heutigen Stauziels des Grimselsees zu verlaufen.
Die beantragte Konzessionsänderung würde eine Überflutung eines Teils der Moorlandschaft bewirken, erläuterte das Verwaltungsgericht in seinem Entscheid. Dies sei nicht mit den in der Bundesverfassung festgeschriebenen Schutzzielen für Moorlandschaften vereinbar. (Fall 1C_79/2016 vom 05.04.2017) (sda)