Kaum hatte sie die Bombe platzen lassen, verabschiedete sie sich in die Ferien. Jacqueline de Quattro sei den ganzen Tag nicht erreichbar, sagte ihre persönliche Mitarbeiterin, Anne Dousse, am Samstag zu watson. Am Morgen war bekannt geworden, dass de Quattro ins Rennen um den freiwerdenden Bundesratssitz von Didier Burkhalter steigt.
Die Waadtländer Staatsrätin ist damit nach dem Tessiner Ignazio Cassis das zweite FDP-Mitglied, das offiziell Interesse am Amt anmeldet. Doch wer ist die Politikerin, die schon seit dem Tag von Burkhalters Rücktritts-Ankündigung als mögliche Nachfolgerin gehandelt wird?
Die schweizerisch-italienische Doppelbürgerin Jacqueline de Quattro ist in Zürich geboren. Als sie elf Jahre alt war, zog sie mit ihrer Familie nach Pully bei Lausanne. Sie spricht fliessend Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch.
Schon bevor sie ihr Interesse am Bundesratsamt offiziell bestätigte, pochte de Quattro auf eine Frauen-Kandidatur aus der Romandie. Es gehe «um eine Frage des Prinzips, nicht um eine Frage von Personen», sagte sie der «Schweiz am Wochenende». Sie verwies darauf, dass seit bald 30 Jahren keine FDP-Frau mehr im Bundesrat sitze.
De Quattro war von 2008 bis 2010 Präsidentin der FDP-Frauen Schweiz. Als Talk-Gast in der SRF-Sendung «Giacobbo/Müller» ärgerte sie sich darüber, dass in Wahlkämpfen zuweilen mehr über ihre Frisur und ihren Lippenstift gesprochen wurde als über ihre Politik.
Ein anonymer Briefeschrieber habe sie wissen lassen: «Mit Waden, wie Sie sie haben, würde ich nie einen Rock tragen.» Sie habe reagiert, indem sie seither konsequent den Jupe aus dem Schrank nehme, sobald es draussen wärmer werde. «Ich habe nun mal nur die beiden Wädli, die ich habe.»
Die heute 57-Jährige Juristin betrat das politische Parkett relativ spät. Zunächst studierte sie Rechtswissenschaften und arbeitete am Jugend-, Kantons- und Bundesgericht. Im Jahr 2000 gründete die zweifache Mutter mit Kollegen eine Anwaltskanzlei in Lausanne. Erst nach der Jahrtausendwende wählten die Waadtländer sie ins Parlament – und sechs Jahre später dann in die Kantonsregierung.
De Quattro hat den schwarzen Gürtel im Judo und im Ju-Jitsu. In beiden Kampfsportarten absolvierte sie auch Wettkämpfe. So wurde sie 2004 Schweizermeisterin im Ju-Jitsu und erkämpfte sich die Bronze-Medaille im Judo. Der Kampfsport habe ihr in der Politik viel gebracht, sagte sie bei «Giacobbo/ Müller»: Sie habe gelernt, nie aufzugeben. Verlieren gehöre dazu. «Manchmal wird man vom Gegner einfach zu Boden geworfen.»
Sie sei «une main de fer dans un gant de velours», heisst es in der Romandie über de Quattro. Also eine «Eisenhand in Samthandschuhen» – in der Deutschschweiz auch oft einfach mit «eiserne Lady» übersetzt. Zu verdanken hat sie den Übernamen ihrem Wirken als Polizeidirektorin. Seitdem sie 2013 hart gegen Kleindealer vorging, haftet der elegant auftretenden Freisinnigen das Image einer Hardlinerin an. Eine bekannte Karikatur des Zeichners Raymond Burki zeigt sie, wie sie grinsend auf einer Strassenputzmaschine sitzt und die Drogenhändler auf dem Platz Lausanne platt walzt.
Nicht nur mit Sicherheitsthemen, auch im Bereich Umwelt konnte sich de Quattro profilieren. Als Vorsteherin des Umweltdepartements macht sie sich für erneuerbare Energien stark. So will sie in der Waadt zahlreiche Windanlagen aufstellen und so den Atomstrom im Kanton ersetzen.
Es hätte so schön sein können: Medienwirksam entliess Jacqueline de Quattro letzten Sommer einen schwarzen Schwan in die Freiheit. Nelson, wie sie das Tier in Anlehnung an den südafrikanischen Freiheitskämpfer Nelson Mandela genannt hatte, war Wochen davor an einer Flussmündung aufgefunden worden. Weil der Besitzer des ursprünglich aus Australien stammenden Vogels nicht ausfindig gemacht werden konnten, war er nach umfangreichen Abklärungen in den Zoo gebracht worden.
Als die Proteste von Tierfreunden immer lauter wurden, brachte de Quattro den Schwan persönlich zum Genfersee. Dumm nur, dass sie mit der Aussetzung des exotischen Tiers mutmasslich gegen das Jagdgesetz verstiess. Die Justiz prüfte daraufhin ein Verfahren – entschied sich am Ende jedoch, die Sache ruhen zu lassen. Nelson erlebte die Justiz-Posse nicht mehr. Er wurde tot am Strand von Montreux aufgefunden – die Fischereibehörde vermutete, dass ein Fuchs ihn zu Tode gebissen hatte.