In der Deutschschweiz ist die SVP eine Macht: 32,9 Prozent der Wähler gaben ihr bei den letzten Nationalratswahlen 2015 ihre Stimme. Harziger läuft es für die Partei in der Westschweiz. In der Romandie lag sie mit 20,8 Prozent hinter FDP und SP auf Rang 3. Und in letzter Zeit ging es im Welschland bachab: Mit der Abwahl von Oskar Freysinger im Wallis verlor sie ihren letzten Regierungssitz in der Romandie, in Neuenburg büsste sie am letzten Sonntag mehr als die Hälfte ihrer Parlamentssitze ein. Wir stellen die welschen Problemsektionen der Partei vor.
Céline Amaudruz ist in der SVP ein Star. Dem geschickten Weibeln der Nationalrätin und SVP-Vizepräsidentin unter der Bundeshauskuppel verdankt Verteidigungsminister Guy Parmelin seine Wahl zum ersten welschen SVP-Bundesrat. Die beiden sind gut befreundet.
In der Nacht auf den 11. Dezember 2016 ist es deshalb Parmelin, an den sich Céline Amaudruz per Telefon wendet, als sie von der Polizei kontrolliert wird. Sie wird gestoppt, als sie mit 1,92 Promille im Blut im Auto unterwegs ist. Dafür erhält sie später eine bedingte Geldstrafe und eine Busse
von 9000 Franken. Politisch hat der Vorfall für Amaudruz keine Konsequenzen: Sie behält ihre Sitze im Nationalrat und im SVP-Präsidium.
Zu einem bizarren Vorfall kommt es während des Wahlkampfs für die Nationalratswahlen 2015 im Waadtland: In Lausanne werden über Nacht Wahlplakate der Ständeratskandidaten der SVP überklebt – nicht etwa von Linksautonomen, sondern von eigenen Parteimitgliedern, wie sich später heraustellt. Am nächsten Morgen strahlt das Konterfei von Nationalratskandidat Claude-Alain Voiblet von den Plakatwänden.
Voiblet ist Vizepräsident der SVP Schweiz und Koordinator der Parteileitung für die Westschweiz. Er streitet zunächst die Beteiligung an der Aktion ab. Doch als Monate später ein Foto auftaucht, dass Voiblet auf frischer Tat zeigt, wird der Druck zu gross. Die SVP Waadt schliesst ihn und eine Parteikollegin aus.
Beim streitbaren SVP-Mann Jean-Charles Legrix, Exekutivmitglied in La-Chaux-de-Fonds, kommt es 2013 zum grossen Knall: Seine Regierungskollegen entmachten ihn und entziehen ihm sämtliche Dossiers. Der Vorwurf: Legrix verbreite in seinem Departement ein Klima der Angst. Ein Jahr später entlastet ihn der Bericht eines externen Gutachters. Legrix erhält seine Dossiers zurück. Aus den Schlagzeilen verschwindet er nicht: Im Wahlkampf 2016 polemisiert er gegen ein geplantes «Museum der islamischen Zivilisationen» in seiner Heimatstadt. Legrix erschafft aus einer Mischung des Übernamens von La-Chaux-de-Fonds («La Tchaux») und des berüchtigten Brüsseler Immigrantenviertels Molenbeek die Wortkreation «Tchaulenbeek». Die Wähler haben genug von Legrix: Im Mai 2016 verpasst er die Wiederwahl.
In Neuenburg sorgt auch der ehemalige Nationalrat und Staatsrat Yvan Perrin für Schlagzeilen. Quasi im Alleingang baut der Polizist und Drogenfahnder Perrin die SVP Neuenburg auf. Seine bodenständige Art kommt über die Parteigrenzen hinaus gut an und er schafft 2003 die Wahl in den Nationalrat. 2010 erleidet er ein Burnout. Er verschwindet während Tagen aus der Öffentlichkeit und bunkert sich in seinem Haus im Val-de-Travers ein. Dank seinem offenen Umgang mit seiner psychischen Krankheit und seinem Alkoholproblem schafft Perrin 2013 die Wahl in die Kantonsregierung – trotz eines weiteren Zusammenbruchs im Jahr davor. Im Sommer 2014 tritt er zurück. Zuvor hatte er diverse offizielle Termine verpasst hat und war krankgeschrieben.
Oskar Freysinger ist das vielleicht bekannteste Gesicht der SVP in der Romandie und die prägende Figur der Walliser SVP. 2003 schafft er den Sprung in den Nationalrat, 2013 wird er mit dem besten Ergebnis in den Staatsrat gewählt – ein Erdbeben in der CVP-Hochburg Wallis. Im März 2017 verpasst er die Wiederwahl und fliegt aus der Regierung. Freysinger scheint im Lauf seiner Karriere Skandale und Polemiken anzuziehen wie das Licht die Motten.
Kurz nach seiner Wahl zum Staatsrat sendet SRF eine Sendung, in dem eine deutsche Reichskriegsflagge in Freysingers Keller gezeigt wird – ein beliebtes Symbol in der rechtsextremen Szene. Der Gymnasiallehrer Freysinger bezeichnet sie als rein «dekoratives Element» ohne ideologische Verbindung. Als amtierender Staatsrat spricht er zudem an einer Konferenz des rechtsextremen Magazins «Compact», an der auch Pegida-Gründer Lutz Bachmann auftritt.
Für Schlagzeilen sorgt auch Freysingers Festhalten an einem Chefbeamten, der seine Steuern nicht bezahlt hat. Nach dessen Rücktritt versucht Freysinger, ihm eine Lehrerstelle zu verschaffen. Der letzte Skandal vor seiner Abwahl betrifft den selbsternannten Überlebensspezialisten Piero San Giorgio. Freysinger beruft ihn in eine Arbeitsgruppe, welche das Wallis auf die Risiken möglicher Krisen vorbereiten soll. Kurz darauf taucht ein Video auf, in dem sich San Giorgio abschätzig über kranke und behinderte Menschen äussert.