Jedes Jahr reagieren Spendenwillige auf diesen Warnruf. Viele tun dies im Wissen, vielleicht einmal selber auf Fremdblut angewiesen zu sein.
Tausende dürfen aber nicht helfen, auch wenn sie wollten. Gut, seit diesen Sommer sind Schwule nicht mehr per se vom Blutspenden ausgeschlossen. Aber die Bedingung, ein Jahr kein Sex, kommt einem Ausschluss sehr nahe.
Am Mittwoch hat der Ständerat über diese Regelung diskutiert und kam im Gegensatz zum Nationalrat zum Schluss, nichts daran zu ändern.
Was du darüber wissen musst.
Bis am 1. Juli 2017 galt folgende Regelung: Jeder Mann, der seit 1977 zumindest einmal sexuellen Kontakt mit einem anderen Mann hatte, darf kein Blut spenden.
Erst seit diesem Sommer sind Schwule wieder zum Blutspenden zugelassen. Zumindest in der Theorie. Denn es gibt ein grosses ABER. Die Bedingung an alle männlichen Spender: Sie dürfen ein Jahr lang keinen Sex mit einem Mann haben.
"Ich bin glücklich, ich möchte helfen. Ich möchte Blutspenden. Sex gibts dann nächstes Jahr wieder, Schatz."
— Burrito (@PandaMymla) 29. November 2017
Dafuq.
Zum Vergleich: Heterosexuelle Männer dürfen auch dann Blutspenden, wenn sie Sex hatten. Sie müssen einfach seit über einem Jahr in einer festen Partnerschaft sein.
Auch Blutspende SRK Schweiz ist unzufrieden mit der heutigen Regelung: «Wirklich optimal scheint die Lösung indessen nicht, da vermutlich nicht viele schwule Männer davon profitieren können», schreiben sie auf ihrer Website.
Die Fraktion der BDP hatte genau dies gefordert. Ihr Vorstoss verlangte vom Bundesrat die Ausschlusskriterien für Homosexuelle aufzuheben. Obwohl die Regierung den Vorstoss zur Ablehnung empfahl, stimmte eine Mehrheit im Nationalrat diesem zu. Nun scheiterte das Vorhaben aber am Mittwoch im Ständerat.
Verpasste Chance des Ständerats beim Blutspendeverbot für homosexuelle Männer 😪🌈Ausschlusskriterien für die Blutspende sollten sich am generellen Risikoverhalten der einzelnen Personen orientieren. Ganze MM:https://t.co/gJkruUlxjp #ParlCH #LGBTI pic.twitter.com/xRYyXtt3tu
— Jungfreisinnige CH (@Jungfreisinnige) 29. November 2017
#Ständerat lehnt Motion zur Aufhebung des Blutspendeverbots für Schwule ab und ziehen sich damit aus der Verantwortung! Wir fordern den #Bundesrat auf, diese sinnlose Diskriminierung nun endlich aufzuheben. #wintersession
— PINK CROSS (@pinkcross_ch) 29. November 2017
Das schwule Männer kein Blut spenden dürfen, wurde in der Schweiz 1985 beschlossen. Aus Angst, dass sich Patienten bei der Bluttransfusion mit dem HIV-Virus anstecken könnten.
Dies ist tatsächlich passiert. Über die ersten beiden Fälle berichtete am 11. April 1986 die NZZ. Eine jüngere Frau und ein alter Mann hatten sich bei einer Bluttransfusion mit dem HIV-Virus angesteckt. Ihre Spender waren homosexuell. Der damalige Chefarzt des Roten Kreuzes erklärte in der Zeitung, dass zum Zeitpunkt der Blutspende (1983), die Überprüfung des Blutes nach dem HI-Virus noch nicht möglich gewesen sei.
Noch immer ist bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), die Gefahr für eine HI-Infektion besonders gross. So infizierten sich 2015 247 von ihnen mit HIV, was in jenem Jahr fast der Hälfte aller neuen HIV-Infektionen in der Schweiz entspricht. Dabei machen die MSM lediglich 3 Prozent der sexuell aktiven Bevölkerung aus. Auch bei anderen sexuell übertragbaren Krankheiten, ist die Infektionsrate bei MSM besonders hoch.
Lesbische Frauen sind keinem grösseren Risiko von sexuell übertragbaren Krankheiten ausgesetzt. Deshalb gelten bei Lesben die gleichen Ausschlusskriterien für die Blutspende wie bei heterosexuellen Personen.
Seit Mitte der 80er-Jahre gibt es Tests, die das HI-Virus im Blut nachweisen können. Doch es gibt ein Problem – es nennt sich diagnostisches Fenster.
Obwohl die diagnostischen Tests in den letzten Jahrzehnten besser geworden sind, lässt sich der HI-Virus erst nach sieben Tagen im Blut nachweisen. Sprich: Wenn sich der Spender in der Woche vor der Blutabnahme mit Aids angesteckt hat, entgeht dem Labor die Krankheit.
Auch bei anderen Krankheiten gibt es ein diagnostisches Fenster. Bei Hepatitis B beträgt es 20 Tage, bei Hepatitis C 5 Tage.
Auch der Europäische Gerichtshof musste sich bereits mit dem Blutspende-Verbot für Schwule auseinandersetzen. Dabei kamen die Richter zum Schluss, dass ein Ausschluss rechtens sein kann. Aber nur dann, wenn geeignete Alternativen, wie wirksame Testmethoden oder eine genaue Befragung zu riskantem Sexualverhalten, fehlen.
Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen. Viele europäischen Länder handhaben es wie die Schweiz. Sie erlauben Schwulen, erst nach einer einjährigen Sex-Abstinenz Blut zu spenden. Dies gilt beispielsweise in Irland oder Frankreich. Wie auch in der Schweiz, ist diese Regelung aber erst seit kurzem in Kraft. Zuvor galt auch dort ein Totalverbot.
Tiefer ist die Hürde in Grossbritannien. Da dürfen Männer, die Sex mit Männer haben, bereits nach 3 Monaten nach dem letzen Sexkontakt Blut spenden.
In Italien, Spanien, Portugal und Polen sind Homosexuelle ohne Einschränkungen zum Blutspenden zugelassen.
Blutspende SRK Schweiz schwebt vor, dass die sexuelle Orientierung der Spender zukünftig keine Rolle spielen soll. Stattdessen soll bei allen Spendewilligen das sexuelle Risikoverhalten besser erfragt werden und massgeblich für einen allfälligen Ausschluss sein. Doch: «Die Erarbeitung dieser Kriterien ist komplex und dürfte mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Ob die Aufsichtsbehörde solchen Plänen zustimmen würde, kann zurzeit nicht abgeschätzt werden.»
Es gibt weitere Risikofaktoren, die den Ausschluss von der Blutspende bedeuten. So darf beispielsweise niemand Blut spenden, der selber schon einmal Blut erhalten hat. Auch wer zwischen 1980 und 1996 mehr als sechs Monate in Grossbritannien lebte, wird ausgeschlossen. Der Grund ist bei beiden Ausschlussfaktoren der gleiche: Die Befürchtung, der Blutspender könnte dem Empfänger die variante Creutzfeld-Jakob Erkrankung übertragen.