Gott war am Women's March in Zürich. Oder zumindest ein selbsternannter Stellvertreter mit grossem Sendungsbewusstsein und noch grösserem Stimmorgan. Der junge Mann, Vollbart, Timberland-Schuhe und Flackern der Erleuchtung in den Augen, hatte sich für seine Bergpredigt eine Trafo-Box ausgesucht, vor der St.Jakob-Kirche – just an dem Ort, an dem sich an diesem Samstagnachmittag Tausende für die Gleichberechtigung von Frauen, Männern, Schwulen, Lesben, Transgender, Cis-Gender und gegen jegliche Einmischung von oben stark machten.
Standhaft hielt sich der Prediger auf dem kleinen Mauervorsprung, das Kartonschild fest umklammert und die belustigt vorbeiziehenden Demonstranten unermüdlich der Sünde bezichtigend. Flankiert wurde er, eher widerwillig, von einem Dutzend buntgekleideter Aktivisten, die ihm eine Regenbogenfahne über die Schultern hängten und fröhlich Glitzer auf sein Haupt streuten.
Ausser Gott zeigte sich aber niemand in Streitlaune. Der Women's March verlief weitgehend friedlich.
Aber wie sah es in Bern aus?
200 Kilometer weiter westlich hielten junge Männer mit gutem Schuhwerk ebenfalls solide Schilder umklammert. Im Gegensatz zu Zürich hatte die höhere (Staats-)Macht hier keine Konfrontationen zu bewältigen. Das Komitee Brennpunkt Schweiz hatte zwar am Samstag zur Kundgebung mit dem etwas umständlichen Kürzel WSDD («Wir sind direkte Demokratie») gerufen, die Veranstaltung dann aber bereits vor einer Woche abgesagt, weil laut Sicherheitsdirektor Reto Nause mit Toten, Schwerverletzten und der Schleifung des Bundeshaus zu rechnen war.
Initiant Nils Fiechter, der Junge Donald Trump von Frutigen, war dann doch auf dem Bundesplatz und fühlte sich inmitten von Wasserwerfern, Polizisten in Kampfmontur und Reto Nause «sehr sicher», wie er dem «Bund» sagte. Ausser Fiechter nahm laut Facebook noch eine weitere Person an der Kundgebung teil, die gar nicht stattgefunden hat.
Gut, Bern hatte die Katastrophe abgewendet. Aber wie steht es in Basel um die öffentliche Ordnung?
Auch im Basellandschaftlichen «blieb der Knall aus», wie die BZ fast schon bedauernd feststellte. Die ultranationalistischen Grauen Wölfe hatten zum gemeinsamen Heulen für Erdogans Polizeistaat und gegen kurdische Separatistenbestrebungen geladen, was wiederum die Polizei auf den Plan rief, die die Veranstaltung im Vorfeld verboten und Reinach am Samstag hermetisch abriegelt hatte. Fast wäre es trotzdem zum Eklat gekommen: Ein «in einer teuren Limousine vorbeifahrender Vater» sei «hörbar wütend» gewesen, wusste die BZ zu berichten. Nur mit vereinten Kräften und einem Gutschein für eine Autowäsche, so wird gemutmasst, konnte der Mann beruhigt werden.
Am Sonntag stand dann wieder Zürich im Visier. Die SVP Zürich feierte im Kongresshaus ihr 100-Jahr-Jubiläum, womit sie unweigerlich linksautonomes Sperrfeuer auf sich zog. «Rechte Hetze». Ihr Plan: Mit Störaktionen die «Fete der SVP» crashen. Weil ganz Zürich plus Facebook seit Monaten mit Plakaten zum Demonstrationsaufruf (13 Uhr Tramhaltestelle Bürkliplatz!) vollgekleistert war, war die Polizei aber nicht ganz unvorbereitet. Unter dem beruhigenden Rotorenknattern eines Polizeihubschraubers hielten Hundertschaften von Kapo-und Stapo knapp 100 Demonstranten in Schach und die Stadt in den Angeln. Wer die Haare zu offensiv trug und auf einem Fahrrad unterwegs war, der wurde mit höflichem Nachdruck gebeten, Personalien und Beweggründe in die Hände der Ordnungshüter zu legen und doch bitte woanders zu verkehren.
Fahrräder waren aber tatsächlich eine Sicherheitsbedrohung, wie das Polizei-Dispositiv richtigerweise vermutete. Unweit des Bürkliplatzes spielte nämlich eine knapp 30 Köpfe zählende Velogang mit der Polizei Räuber und Poli. Handstreichartig überfielen die vermummten Gestalten nichtsahnende Quartier-Kreuzungen und behängten wehrlose Strassenampeln mit Stahlketten.
Unvergessen zudem, wie einer der Velo-Chaoten im Vorbeifahren einer Mülltonne einen Tritt versetzte und den Kapitalismus zum Teufel wünschte. Die Limmatstadt in Aufruhr.
An der SVP-«Fete» selber waren dann nicht ganz alle willkommen, wie es noch in der Einladung hiess.
Das Sackmesser von SVP-Fraktionspräsident Jürg Trachsel etwa wurde kurzerhand konfisziert. Ein bemerkenswert frecher hoheitlicher Akt der es immerhin in den Lead einer grossen Tageszeitung schaffte. Es ist eben so eine Sache mit Freiheit und Sicherheit, wie Ueli Maurer später im Kongresshaus seufzend feststellte.
Journalisten hatten es ebenfalls nicht ganz einfach. Die Frage eines Polizisten, was man denn als Reporter hier zu tun gedenke, ist aber auch nicht ganz so einfach zu beantworten, da einigermassen redundant. Ein ziviler Polizist kam dem Journalisten dann zu Hilfe: «Schon gut, sie sind ja die dritte Gewalt im Staat.» Die Rückfrage, ob nicht eher die Gesetzeshüter die dritte Gewalt repräsentierten, führte unter den anwesenden Polizisten zu einer lebhaften Diskussion («Stimmt das, Heinz?» – «Bin nicht sicher, Rolf, fragen wir Steffi.» – Steffi wusste es dann auch nicht).
Im Kongresshaus defilierten währenddessen die SVP-Würdenträger zu Rossini und Mozart, Prof. Dr. Christoph Mörgeli warb für seine SVP-Biographie (Das Urteil von Dr. Christoph Blocher: «Ein sehr gelungenes Werk, obwohl von einem Akademiker verfasst» – Gelächter im Saal) und Mario Fehr gab mit seiner Grussbotschaft ein launiges Bewerbungsschreiben für die Volkspartei ab.
Und wer mit Politik, Gummischrot und Hudigäggeler gar nichts anfangen konnte, der war im Erdgeschoss des Kongresshauses gut aufgehoben. Hier, an der Svit-Immobilienmesse, fand man das «Wohlfühlen auf den Punkt» gebracht. Cüpli, Geschenkkörbe, Prospekte für ein Haus im Grünen und eine Miniatur-Golfanlage der Raiffeisenbank skizzierten, «wo die Zukunft zuhause» sein könnte.
Was sonst noch passiert ist:
Die Schweiz erlebte ein bewegtes Wochenende.
Wenn es so weiter geht, kosten die uns wahrscheinlich bald gleichviel wie die ebenso dummen Chaoten im Fussball.