Die SRG-Spitze hält dem Stimmvolk das Messer an die Brust. Die Botschaft: «Stimmt ihr Ja zur No-Billag-Initiative, lösen wir die SRG auf.» Zuletzt machte SRG-Präsident Jean-Michel Cina eine solche Aussage in der «Arena» des Schweizer Fernsehens SRF am letzten Freitagabend. Sollte die Vorlage angenommen werden, bleibe nichts anders übrig, als die Unternehmung geordnet und verantwortungsvoll zurückzufahren, so der Walliser Ex-CVP-Politiker. «Wir können sie nur liquidieren», sagte Cina wörtlich. So oder ähnlich liess sich die SRG auch in anderen Medien verlauten. Die SRG halte daran fest, dass sie «nach einem Ja am 4. März 2018 ihren Laden schnell dichtmache», schrieb etwa die «NZZ am Sonntag».
Mit der Botschaft will die SRG-Spitze dem Stimmvolk klarmachen, wie viel bei einem Ja zur Initiative auf dem Spiel steht. Doch so einfach, wie Jean-Michel Cina die Auflösung des Unternehmens darstellt, ist sie nicht. Die SRG, ausgeschrieben Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft, ist ein Verein mit Sitz in Bern.
Dieser verfügt, wie vom Zivilgesetzbuch vorgeschrieben, über Statuten. Darin heisst es, dass Entscheide über die Auflösung der SRG bei den Regional- und Mitgliedgesellschaften in Vernehmlassung gegeben werden müssen. Zudem bedürfen Beschlüsse wie die Auflösung des Vereines oder die Änderung der Statuten einer Zustimmung von zwei Dritteln der Delegiertenversammlung. Von den 41 Mitgliedern müssen also mindestens deren 28 einer Auflösung zustimmen, wie es unter Artikel 8 der SRG-Statuten heisst.
Wie es sich für einen gutschweizerischen Verein mit angemessener sprachregionaler Vertretung gehört, ist die Delegiertenversammlung gemäss dem Gewicht der einzelnen Landesteile zusammengesetzt (siehe auch Grafik). Fragt sich also, wie die Delegierten und die Regional- und Mitgliedgesellschaften, die vor der Auflösung angehört werden müssen, sich dazu stellen. Sicher ist, dass diese einem Antrag nicht einfach diskussionslos zustimmen würden. Dies bestätigen mehrere Delegierte der SRG im Gespräch mit der «Nordwestschweiz».
«Selbstverständlich würde ein Antrag zur Auflösung des Vereins SRG für Diskussionen in den verschiedenen Gremien unserer Regionalgesellschaft sorgen», sagt Peter Moor, Präsident der Mitgliedsgesellschaft SRG Aargau Solothurn und SRG-Delegierter. «Zu welchem Schluss unsere Gremien kommen würden, kann heute nicht beurteilt werden», sagt Moor. Andreas Schefer, Präsident der SRG Deutschschweiz, schliesst sich der Aussage von Moor an. Mit Sicherheit brauche es eine intensive Diskussion, bevor eine Auflösung der SRG vollzogen werden könnte. Schefer kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, wie eine Auflösung im Detail ablaufen würde. Er betont, dass in den SRG-Gremien, in denen er Einsitz hat, bislang nicht über einen alternativen Plan zur Auflösung der SRG gesprochen wurde.
Brisant ist zudem ein weiterer Artikel in den Statuten der SRG. So heisst es darin, dass der Verein weder aufgelöst werden noch auf seine Konzession verzichten kann, solange die SRG durch das Gesetz zur Erfüllung des Programmauftrags verpflichtet ist. Dieser Auftrag ist im 2015 vom Stimmvolk beschlossenen Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) festgehalten. Es bräuchte also zuerst eine Gesetzesänderung, bevor der Verein überhaupt aufgelöst werden kann. Dafür wäre ein Beschluss des Parlaments und allenfalls erneut des Volks nötig. Alternativ könnte die Delegiertenversammlung der SRG natürlich auch die Statuten ändern.
Schliesslich stellt sich die Frage, was bei der Auflösung des Vereins SRG geschieht. In den Statuten steht, dass die Delegiertenversammlung auf Vorschlag des Verwaltungsrats über das verbleibende Vermögen, sprich abzüglich der Schulden, verfügt. Laut Zivilgesetzbuch sei ein Verein frei, was er mit dem verbleibenden Vermögen nach der Auflösung mache, sagt Anwalt Tobias Bonnevie-Svendsen, der für Peyer Partner Rechtsanwälte in Zürich arbeitet. Entscheidend seien im vorliegenden Fall die Statuten. Bonnevie Svendsen findet es erstaunlich, dass in den Statuten der SRG nicht klarer festgehalten wurde, was mit dem verbleibenden Vermögen bei einer Auflösung passiert. Es sei aber davon auszugehen, dass die verbleibenden Mittel einem anderen, ähnlichen Zweck zugutekommen würden.
Die SRG hält in einer Stellungnahme fest, dass die No-Billag-Initiative eine ersatzlose Streichung der Gebühren verlange. Sobald diese wegfalle, sei eine Liquidation der SRG die logische Konsequenz. Letztlich müsse die SRG ihre Geschäftstätigkeit einstellen. Der Verein SRG mit den vier Regionalgesellschaften, die Mitglieder sind, bliebe als juristische Hülle zurück. Die Umsetzung des Zweckartikels, nämlich die Erfüllung des gesetzlichen und konzessionsrechtlichen Leistungsauftrags, sei nach der Annahme des Volksbegehrens nicht mehr möglich. «Die logische Konsequenz wäre die Auflösung des Vereins», schreibt die SRG. Dies sei in den Statuten auch so vorgesehen.