Im Prozess gegen Erwin Sperisen, von 2004 bis 2007 Polizeichef Guatemalas, hat am Mittwoch der vermutlich wichtigste Zeuge ausgesagt. «Ich sah diese Person auf einen Häftling schiessen», sagte er vor dem Genfer Strafgericht. Sperisen ist wegen zehn Morden angeklagt.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 43-Jährigen vor, die Morde an zehn Häftlingen befohlen, geplant und in einem Fall sogar selbst begangen zu haben. Am Mittwoch stand die Rückeroberung der Strafanstalt Pavon im Jahr 2006 im Mittelpunkt, bei der sieben Häftlinge getötet worden waren.
Die Ordnungskräfte gewannen in einem grossangelegten Einsatz am 25. September 2006 die Kontrolle über das zuvor von Häftlingen verwaltete Gefängnis zurück. Nach dem Mord an den Gefangenen soll der Tatort laut Anklage umgestellt worden sein, um einen Schusswechsel mit Häftlingen vorzutäuschen.
Der Zeuge - ein Franzose, der damals im Gefängnis Pavon eine Haftstrafe absass - belastete Sperisen am Mittwoch schwer. Er bestätigte die These der Anklage, wonach die Ordnungskräfte bei der Rückeroberung der Strafanstalt ihnen lästige Häftlinge loswerden wollten.
Die beiden Verteidiger Sperisens löcherten den Zeugen darauf mit Fragen und konfrontierten ihn mit Widersprüchen - zum Beispiel zum Zeitpunkt der Ermordung des Häftlings.
Er sei nicht hier, um die exakte Zeit zu einer Hinrichtung anzugeben, die vor acht Jahren stattgefunden habe, sagte der 48-jährige Franzose. Er konnte nicht mehr sagen, ob es am Morgen oder am Nachmittag zum Tötungsdelikt gekommen war.
Zudem wusste er nicht mehr, ob der Häftling am Kopf oder am Brustkorb getroffen wurde. Er gab an, dass er dem gleichen Schicksal nur entronnen sei, weil er Ausländer war.
Wenn er nicht französischer Staatsbürger wäre, hätte er nicht mehr nach Genf kommen und eine Aussage machen können. Er kam vor sechs Jahren in Guatemala frei und kehrte nach Frankreich zurück.
Der Prozess gegen den schweizerisch-guatemaltekischen Doppelbürger Sperisen dauert noch bis Anfang Juni. Der Angeklagte bestritt bei der Befragung in den ersten Prozesstagen sämtliche Vorwürfe. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm über zehn Jahre Gefängnis. (tvr/sda)