Die Kritik an der KESB – der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde – ist zuweilen heftig, sehr heftig sogar. Von Willkür und Denunziantentum oder der Drangsalierung unbescholtener Bürger schreibt etwa ein Komitee rund um Nationalrat Pirmin Schwander (SVP/SZ), das die KESB mittels einer Volksinitiative entmachten will. Die Unterschriftensammlung dazu soll demnächst starten.
Vor vier Jahren trat das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht in Kraft – und seither gehen die Emotionen hoch. Hauptziel der im Parlament völlig unbestrittenen Revision war die Professionalisierung: Nicht mehr Laien sollten die heiklen Entscheidungen etwa um Fremdplatzierungen von Kindern treffen, sondern Fachleute.
«Die Regeln und Behörden sind neu, doch die Fälle sind die gleichen wie zuvor: Es geht um Menschen in schwierigen Situationen, um Konflikte nicht selten innerhalb der Familie», sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga am Mittwoch.
Sie präsentierte den ersten Bericht zu den Neuerungen, den das Parlament gefordert hatte. Fakten seien unabdingbar für die Versachlichung der Diskussion, so Sommaruga. Diese dreht sich in erster Linie um die KESB. Diese müsse täglich vermitteln und schwierige Entscheide treffen. Etwa wo und wann die Taufe eines Neugeborenen stattfinde, wenn die unverheirateten Eltern zwei Taufen organisiert hätten.
Im Bericht heisst es, dass die Kantone seit der Einführung der neuen Regeln viel getan hätten, um Unzulänglichkeiten zu beseitigen und Abläufe zu optimieren, dieser Prozess sei noch im Gang. Der Bundesrat ist deshalb überzeugt, «dass für den Bundesgesetzgeber nur ein sehr beschränkter Handlungsbedarf besteht.»
Insbesondere will das Justizdepartement prüfen, wie der Einbezug von nahestehenden Personen sichergestellt und verbessert werden kann. Sie sollen konsequent auch als mögliche Beistände oder als Ort für Kindesplatzierungen in Betracht gezogen werden.
Der Bericht hält zwar fest, dass die Qualität des Gesamtsystems nicht am Einzelfall gemessen werden kann, weil Fehlentscheide unvermeidbar seien. Punkto Einbezug von Verwandten nimmt der Bericht aber explizit Bezug auf die Kindstötungen im Fall Flaach. Zwei Gutachter hatten zwar die KESB entlastet, doch sie kritisierten auch, dass die Behörde die Platzierung der Kinder bei den Grosseltern als Option zu früh verworfen hatte.
Die Entscheidung der KESB, die zwei Kinder in einem Heim zu unterbringen, obschon die Grosseltern sich für die Betreuung anerboten hatten, stiess in der Öffentlichkeit auf grosses Unverständnis. Eine Studie im Auftrag des Justizdepartements kommt zwar zum Schluss, dass die Erfahrungen der letzten Jahre zu einer «Sensibilisierung der Behörden» geführt hätten.
Doch der Vorwurf, dass nahestehende Personen nicht oder zu wenig berücksichtigt werden, sei ernst zu nehmen, schreibt der Bundesrat. Es sei angebracht, «die Praxis der Behörden in diesem Punkt noch einmal anzuschauen und darüber nachzudenken, wie allfällige Mängel behoben werden könnten».
Anschauen will der Bundesrat zudem, ob die Regeln für Gefährdungsmeldungen konkretisiert werden müssen. Der Vorwurf steht im Raum, dass die Behörden zu rasch und zu heftig auf Gefährdungsmeldungen reagieren. Ob es dereinst tatsächlich zu Gesetzesanpassungen kommen wird, ist allerdings fraglich. Der Bund will nun erst einmal mit den Kantonen weitere Abklärungen treffen. Er demonstriert damit aber zumindest, dass er die Kritiker um Pirmin Schwander ernst nimmt. (aargauerzeitung.ch)