In den vergangenen Wochen kam es an einigen Schulen zu Ansteckungen mit dem mutierten Coronavirus. Dieses überträgt sich gemäss aktuellem Wissensstand schneller als die herkömmliche Art und sorgt derzeit in England für hohe Infektionszahlen und überlastete Spitäler. Entsprechend gross ist die Sorge, dass sich der sogenannte Virus-Typ B.1.1.7 an Orten, wo viele Menschen zusammenkommen – zum Beispiel Schulen – schnell ausbreitet.
Verschiedene Schulhäuser, Gemeinden und Kantone haben reagiert und individuell Vorkehrungen getroffen. Zum Teil wurden in einem ganzen Dorf die Schulen geschlossen oder nach einer Ansteckung mit dem Coronavirus komplett unter Quarantäne gestellt. Rufe von Lehrerinnen und Lehrern nach besseren Schutzmassnahmen wurden lauter. Sie fordern etwa eine gratis Abgabe von FFP2-Masken oder einen Impfvorrang. Einzelne Kantone haben zudem die Maskenpflicht auf jüngere Schülerinnen und Schüler ausgeweitet.
So müssen im Kanton Solothurn Kinder ab der 5. Klasse seit dieser Woche im Unterricht und auf dem Schulareal eine Maske tragen. Im Kanton Zürich ist die Maskenpflicht seit Montag gar für Viertklässler obligatorisch. In einer Mehrjahrgangsklasse mit 3. und 4. Klassen müssen auch die Drittklässlerinnen eine Maske tragen.
Die Zürcher Primarlehrerin Karin Mettler* sagt, die ausgeweitete Maskenpflicht habe die Lehrerschaft vor einige Probleme gestellt. Insbesondere die Eltern der Kinder hätten teilweise irritiert auf die neue Verordnung reagiert und die Schulleitung am Wochenende mit Anrufen bombardiert. «Sie wollen nicht, dass ihr Kind im Unterricht eine Maske tragen muss und sagen, dass sie den Entscheid nicht dulden.» Dabei sei es ja nicht die Schulleitung, die über die Massnahme entscheide, sondern der Kanton, ärgert sich Mettler.
Schwierig sei für sie, dass sie auf ein gutes Verhältnis mit den Eltern angewiesen sei und dieses auf keinen Fall aufs Spiel setzen wolle. «Ich muss mit meinen Schülerinnen und Schülern mehrere Jahre arbeiten, ich kann mich nicht gegen die Eltern stellen, das schadet zuletzt vor allem den Kindern.» Deswegen habe die Schulleitung jenen Eltern, die sich an der Maskenpflicht stören, empfohlen, dass sie ihr Kind mit einem ärztlichen Attest davon befreien können. Ein Arzt in der Gemeinde, der ohnehin bereits als coronakritisch gelte, würde deswegen nun reihenweise solche Atteste an die Eltern ausstellen, berichtet die Lehrerin, die anonym bleiben möchte.
Patricia Bernet, Präsidentin der Primarschulpflege Uster im Kanton Zürich, sagt, es sei allgemein so, dass bei den Covid-Massnahmen die Meinungen der Eltern sehr weit auseinander gingen. Entsprechend sei es auch so, dass einige den Entscheid der ausgeweiteten Maskenpflicht befürworten und andere ablehnen würden. Die Kinder selbst würden die Verordnung relativ gelassen nehmen. Bernet sagt: «Einige sagen, sie seien ja sowieso bereits überall mit den Masken konfrontiert.»
Kritisiert an der Maskenpflicht für jüngere Schülerinnen wird auch, dass diese teilweise noch zu klein seien, um eine Maske in vorgesehener Art und Weise zu tragen. Wenn in einer Mehrjahrgangsklasse bereits 9-jährige Kinder eine Maske tragen müssen, kann es vorkommen, dass die Masken zu gross sind und dauernd unter das Kinn rutschen. Auch dürfte es wenig bringen, wenn sich die Kinder dauernd ins Gesicht fassen oder die Maske ausziehen.
Christian Hugi, Präsident des Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverbands, sieht es pragmatisch: «9- oder 10-Jährige sind keine kleinen Kinder mehr, sondern in der Lage, die Zusammenhänge in dieser Situation zu verstehen, auch das Maskentragen.» Wenn man mit ihnen bespreche, wie die Maske richtig benutzt und getragen werde, klappe das schon.
Das sieht auch die Zürcher Primarlehrerin Mettler so. «Das Problem sind nicht die Schüler und dass wir ihnen erklären, wieso so sie eine Maske tragen sollen und wie man das richtig macht.» Vielmehr seien die Eltern das Problem, die den Kindern zu Hause Angst machen. «Ihnen wird gesagt, dass sie mit den Masken nicht atmen oder sich nicht konzentrieren können. Diese Kinder kommen dann zu mir in die Klasse und sind total verunsichert.»
Bereits am 20. Januar hat der Kanton Basel-Land als erster die Maskenpflicht auf jüngere Kinder ausgeweitet. Auch dort führe die Verschärfung zu unterschiedlichen Reaktionen bei den Eltern, sagt Fabienne Romanens, Sprecherin der kantonalen Bildungsdirektion. «Während die einen die erweiterte Maskenpflicht befürworten, wird sie von anderen kritisiert. Wieder anderen gehen die Massnahmen zu wenig weit.» Auch an den Baselbieter Schulen haben einzelne Eltern ihre Kinder mit einem ärztlichen Attest von der Maskenpflicht befreit.
«Bei der Maskenpflicht geht es in erster Linie um den Gesundheitsschutz der Schülerinnen, Schüler und Lehrpersonen», präzisiert Romanens. Zudem ermögliche sie dem kantonsärztlichen Dienst, eine gezieltere Anordnung von Quarantänemassnahmen zu treffen. Damit bestätigt sie eine Befürchtung von Lehrerin Mettler: «In den letzten Monaten gab es kaum eine Woche, in der nicht eine Lehrperson aufgrund einer Corona-Erkrankung oder einer Quarantäneanordnung ausgefallen ist.» Sie vermute deshalb, die erweiterte Maskenpflicht sei vor allem auch ein Mittel zum Zweck.
So müssen im Kanton Zürich bei einer Ansteckung mit dem Virus-Typ B.1.1.7 nicht nur die Kontaktpersonen in Quarantäne, sondern auch Kontakte von Kontaktpersonen. Aufgrund dieser Regelung kam es seit Anfang Jahr zu hunderten Quarantäneverordnungen. Doch wer im Schulzimmer eine Maske anhat, der muss nicht in Quarantäne. Mettler findet das absurd: «Mit der erweiterten Maskenpflicht haben wir ein Instrument, das wir gegen die erweiterte Quarantänepflicht anwenden können. Sozusagen eine Massnahme gegen eine Massnahme.»
*Name der Redaktion bekannt.
Die Kinder könnten so viel, wenn die Eltern sie nur machen liessen. Das sehe ich immer wieder bei uns im Sportverein im Training.
Sollen doch die Eltern, die nicht wollen dass ihr Kind eine Maske trägt, ihre Kinder Zuhause ohne Maske unterrichten. Dann wäre in der Schule auch mehr Platz für die Kinder die eine Maske tragen dürfen.
Meist sind nicht die Kinder das Problem.