Jetzt jubeln sie: Der #Sonderzug von Aktivisten zum #G20 in Hamburg steht mit vier Stunden Verspätung in Basel zur Abfahrt bereit. #ZuG20 pic.twitter.com/9Kgc0CCWT7
— Martin Kaul (@martinkaul) 5. Juli 2017
Während seine Freunde johlend und singend mit dem Zug in Richtung Hamburg fahren, sitzt er hier, auf der Steintreppe vor dem Badischen Bahnhof. «Ich bin eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung», sagt der Mann lakonisch, der weder seinen Namen, sein Alter, noch seinen Wohnkanton im Artikel lesen will. Er zeigt mit der rechten Hand auf die drei zweiseitig bedruckten A4-Blätter, die lose neben seinen Füssen liegen.
Im Schreiben steht es schwarz auf weiss, er ist eine potenzielle Gefahr. Es ist der Bescheid der deutschen Bundespolizei, der ihm die Einreise nach Deutschland und somit die Fahrt mit dem Sonderzug an den G20-Gipfel in Hamburg verwehrt.
In Hamburg wollte er an den Demonstrationen teilnehmen, wie rund 100'000 andere gegen die Mächtigen dieser Welt demonstrieren, gegen die Trumps, Putins und Merkels, gegen die Mächtigen auf diesem Planeten. Ein Zeichen setzen gegen die weltweite Ungerechtigkeit. Nun sitzt er hier, auf der Bahnhofstreppe. Und weiss nicht, was er jetzt die nächsten Tage tun soll. Er ist nicht alleine.
Insgesamt 33 Personen hat die deutsche Bundespolizei ein solches Schreiben in die Hand gedrückt und ihnen den Einstieg in der Zug verwehrt. Sie dürfen bis zum Ende des Gipfels nicht nach Deutschland einreisen. Die Gründe sind unterschiedlich:
Gegen einen Mann lag ein Haftbefehl vor, bei anderen wurde im Gepäck Schutzausstattungen wie Gasmasken, Mundschutze und Schutzbrillen sichergestellt und der Mann auf der Bahnhofstreppe war wegen einer früheren Demonstration kein Unbekannter bei der Polizei. Die restlichen 177 Personen durften nach der Grenzkontrolle in den Zug einsteigen.
Carolin Dittrich, Sprecherin der deutschen Bundespolizei, betont, dass jede Person sorgfältig geprüft wurde. «Wir wollten niemandem die Einreise verweigern, wenn dies nicht gerechtfertigt ist.» Dies sei auch einer der Gründe, warum sich die Kontrollen so lange hinzogen und der Zug letztlich erst mit vier Stunden Verspätung losfahren konnte. Spulen wir zurück.
Üble Schikane beim #NoG20 Sonderzug in Basel Badischer Bahnhof. Cops lassen sich ewig Zeit und verteilen teils Ausreiseverbote. #ZuG20 #acab
— Revolutionäre Jugend (@RJG_Bern) 5. Juli 2017
Eine Stunde vor der offiziellen Abfahrt des Zuges sind die meisten Reisenden am Badischen Bahnhof in Basel bereits eingetroffen und stehen zum ersten Mal ihrem «Feind» der nächsten Tagen gegenüber – der Polizei, dem Staat. Rund 150 Beamte der Bundespolizei sind vor Ort, zudem ist auch die Kantonspolizei Basel-Stadt und die Grenzwache im Einsatz. Von einer Feindseligkeit ist aber nichts zu spüren, auch die Polizei betont das kooperative Verhalten der Reisenden. Noch ist man auf neutralem Boden, noch ist man nicht in Hamburg.
Auch Medienvertreter sind zahlreich vor dem Badischen Bahnhof erschienen. Mit diesen sprechen wollen aber nur eine Handvoll der Demonstranten. Die meisten ziehen es vor, zu schweigen. Drei junge Männer, alle zwischen 18 und 20 Jahre alt, reden aber bereitwillig über die kommenden Tage in Hamburg. So lange ihre Namen nicht genannt werden.
Er sei schon eher für den friedlichen Weg, wägt der junge Mann in der blauen Sporthose ab. «Es kommt darauf an, was abgeht.» Am G20-Gipfel zu demonstrieren, sei eine Möglichkeit, um sich gegen das System zu wehren. Was sind andere? «Ladendiebstahl oder schwarz fahren», fällt ihm sein Kollege ins Wort. Und fährt fort, er habe Respekt vor den möglichen Schlachten mit der Polizisten. «Das Gute ist, sie haben auch Angst vor uns.»
An den Demos werden sich die drei ganz in schwarz kleiden. Nicht nur, um sich selber zu schützen, «sondern, dass jene die Aktionen machen, nachher wieder in der Menge untertauchen können.»
Im Internet gibt es mehrere Seiten, die den Demonstranten Tipps für die kommenden Tage geben. So solle man nach der Demo sofort die Kleider wechseln. Eine weitere Empfehlung: Das Smartphone nicht mit an die Veranstaltung nehmen. Wer nicht ein paar Stunden darauf verzichten kann, dem wird geraten, sich ein günstiges zu kaufen – extra für die Demo. Wird man festgenommen, so solle man die Aussage auf jeden Fall verweigern.
Die drei jungen Männer geben offen zu: Wenn es in Hamburg zu keinen gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei kommt, ist dies ein Misserfolg. «Wenn alles friedlich über die Bühne geht, waren wir zu defensiv.» Um Spass ginge es ihnen nicht primär, sondern darum etwas zu erreichen. «Wenn man eine Veränderung will, muss man dafür einstehen.»
Zurück auf der Steintreppe vor dem Bahnhof. Was er nun tun werde, wisse er noch nicht, sagt der verhinderte G20-Reisende. Möglicherweise werde er gegen den Entscheid gemeinsam mit anderen Betroffenen Rekurs einlegen, es ganz sein lassen oder einfach dennoch nach Deutschland einreisen.
Würde ihn die Polizei dabei erwischen, könnten sie ihn in Gewahrsam nehmen. «Der heutige Tag hat es wieder gezeigt», sinniert der Mann auf der Bahnhofstreppe, «kräftemässig haben wir nicht viel zu melden.»
Es wird Abend im Deutschlandzug.#ZuG20 #G20 pic.twitter.com/cIWyfYFq8A
— Martin Kaul (@martinkaul) July 5, 2017
Der #G20-Sonderzug aus Basel möchte keine Journalisten an Bord haben, berichtet @DerSPIEGEL. Na dann. pic.twitter.com/ZcONeUM12Q
— Daniel Drepper (@danieldrepper) 5. Juli 2017