Bundeskanzlerin Angela Merkel spaltet erneut das Land: Am Freitag hat sie entscheiden, das Strafverfahren der Türkei gegen Satiriker Jan Böhmermann wegen «Majestätsbeleidigung» zuzulassen.
Die einen sehen sie als Retterin des Rechtsstaats, die anderen als Protagonistin einer peinlichen Komödie. Hat Merkel vor Erdogan gekuscht, wurde die Meinungsfreiheit beschnitten oder hat Satire auch seine Grenzen? Die kontroverse Diskussion im «TalkTäglich».
Der türkische Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan wurde Ende März in der ZDF-Sendung «Neo Magazin Royale» Ziel des Schmähgedichts von Satiriker Moderator Jan Böhmermann. Auf Antrag der Türkei hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Strafuntersuchung wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes gegen den 35-jährigen Bremer erlaubt.
In der Sendung «TalkTäglich» auf «Tele Züri» diskutierten Satiriker Andreas Thiel und Kommunikationsberater Kaspar Loeb über Merkels Entscheid, über Meinungsfreiheit und die Grenzen der Satire. «Ich persönlich finde das Schmähgedicht nicht lustig», hielt der scharfzüngige Satiriker Andreas Thiel fest.
Er erklärt dies auf seine eigene wortgewandte Art: Für ihn sei ein Satiriker ein schwindelfreier Komiker. Dies, weil sich Satire so weit über der Gürtellinie bewege, dass die Luft dünn werde. «Böhmermann ist aber so tief unter die Gürtellinie, dass die Luft dick geworden ist», so Thiel und fügt seines Berufsstandes angemessen gleich einen pointierten Kommentar an: «Dass er dort ausgerechnet auf Angela Merkel trifft, das ist Real-Satire.»
Ein Satiriker sei ein Zeitkritiker und Weltverbesserer – aber man dürfe dabei nicht das Weltverbessern vergessen. Auch Kommunikationsberater Kaspar Loeb konnte dem Schmähgedicht nichts Lustiges abgewinnen. Er honoriert aber die geschickte Ankündigung Böhmermanns, dass es sich dabei um etwas Verbotenes handle.
Damit habe er letztlich die Diskussion auf eine ganz andere Ebene gehoben. «Man hatte das Gefühl, er weiss genau, was er damit auslöst. Aber er hat die Dimension nicht ganz erkannt.»
Aus Satire wurde somit Realsatire: Der «Majestätsbeleidigungs»-Paragraph aus dem Jahre 1871 soll laut Angela Merkel binnen zweier Jahre aus dem deutschen Strafgesetzbuch verschwinden. Ist Böhmermann damit ein Geniestreich gelungen?
«Wenn der Paragraph gestrichen wird, das wäre grossartig, und dann müsste man ihm ein Kränzchen winden», sagt Andreas Thiel, der auch eine Abschaffung des vergleichbaren Artikels 296 des Schweizer Strafgesetzbuches befürwortet.
Die Argumentation, Böhmermann habe damit versucht zu zeigen, was nicht gehe, lässt Andreas Thiel aber nicht gelten. «Das ist eine uralte rhetorische Finte, wenn wir kleine Grenzverletzungen machen.» Damit bezieht sich Thiel auf die Ankündigung des Schmähgedichts. Thiel kritisiert besonders das Ausmass der Überschreitung – wörtlich als «Saubannerzoo» bezeichnet.
Also war die Ankündigung eine plumpe Aktion von Jan Böhmermann? Dem widerspricht Loeb: «Das war raffiniert, den eigentlich macht er eine Satire über die Satire.» Eigentlich sei es nicht eine ungeschickte Aktion, sondern relativ intelligent. Er pflichtet Thiel aber bei: Grenzüberschreitung würden angekündigt, um sie dann möglich zu machen. «Aber Satire überzeichnet die Realität, um die Realität deutlicher zu machen.» Dies sei Böhmermann durchaus gelungen.
(edi)
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