Smartphones gelten als Luxus. Wenn Flüchtlinge in der Öffentlichkeit mit einem solchen Gerät hantieren, irritiert das viele Leute. Sie sehen darin einen Beweis dafür, dass es diesen Asylbewerbern materiell besser gehen muss als manchen Einheimischen. Wutbürger finden es eine Unverschämtheit, dass Flüchtlinge überhaupt solche Geräte besitzen dürfen. Das Phänomen erinnert an die Lederjacken, an denen sich in den 80er Jahren die Entrüstung über die tamilischen Asylbewerber festmachte.
Für Flüchtlinge sind Smartphones indes kein teures Spielzeug, kein Statussymbol, sondern oft das einzige Mittel, um in Kontakt mit Angehörigen zu bleiben. Das beginnt schon in den Herkunftsländern: In Afrika, aber auch im Nahen Osten, sind günstige Handys – meistens handelt es sich um technisch weniger leistungsfähige oder gebrauchte Geräte – viel wichtiger als die oft rudimentäre Festnetztelefonie. In Ghana zum Beispiel besitzen über 83 Prozent der Menschen ein Mobiltelefon, aber nur ein Prozent hat einen Festnetzanschluss.
Auf der Flucht sind die mobilen Geräte besonders wichtig – sie können sogar über Leben und Tod entscheiden, zum Beispiel wenn damit ein Notruf abgesetzt werden kann. Mit ihrer Hilfe orientieren sich die Flüchtlinge – beispielsweise per GPS– oder kontaktieren Verwandte und Bekannte vor Ort. Oft ist ein Smartphone der einzige Wertgegenstand in ihrem Besitz. Die meisten kommen daher bereits mit einem Mobiltelefon hier an. Das vermutet auch Stefan Frey, Sprecher der Schweizerischen Flüchtlingshilfe: Wie viele Asylsuchende ein Handy besitzen, wisse man nicht, sagt er, aber es sei wohl die Mehrzahl von ihnen.
Auch Frey betont, wie wichtig die Geräte für die Flüchtlinge sind, um mit ihren Angehörigen zu kommunizieren: «Ich kenne den Fall eines Eritreers, dessen Mutter sich im Sudan befindet. Das Smartphone ist die einzige Verbindung zwischen ihnen», sagt er. Asylbewerber könnten sich allerdings die teuren Roaminggebühren nicht leisten: «Sie kaufen günstige Prepaid-Karten in darauf spezialisierten Läden oder nutzen Flatrate-Angebote von Anbietern wie Lebara.» Auch der Mobilfunkanbieter Lycamobile profitiert von den Flüchtlingen und bietet günstige Internet- und Telefon-Abos an, die sowohl in Schwellenländern als auch in Zielländern wie der Schweiz oder Deutschland funktionieren.
Smartphones sind aber vor allem darum wichtig, weil sie im Gegensatz zur Festnetztelefonie oder einfachen Handys günstige Kommunikation über das Internet ermöglichen: WhatsApp, Skype oder Viber kann man nur auf einem Smartphone nutzen.
Frey fände es deshalb auch vernünftig, wenn man den Menschen in den Flüchtlingsunterkünften kostenlos W-Lan zur Verfügung stellen würde. Telekom-Anbieter wie die Swisscom könnten sich damit profilieren. «W-Lan in den Asylheimen ist eine grundsätzliche Forderung von uns. So kann man den Leuten auf einfache Art das Leben erleichtern und die Kosten runterbringen», sagt Frey. Es sei gescheiter, fügt er hinzu, die Menschen voranzubringen als eine Neid-Diskussion vom Stapel zu lassen. «Hier hat schliesslich schon jedes 5-jährige Kind ein Smartphone in der Tasche.»
Swisscom-Sprecher Josef Huber weist auf Anfrage von watson darauf hin, dass eine direkte Unterstützung von Flüchtlingsunterkünften durch die Swisscom «derzeit nicht geplant» sei. «Wir engagieren uns über die Glückskette, die aktuell eine Sammelaktion zugunsten von Flüchtlingen durchführt.» Die Swisscom unterstütze die Glückskette als Partnerin mit einem jährlichen Sponsorenbeitrag und Sachleistungen.
Die Flüchtlinge seien gut vernetzt, sagt Frey. Infos, wo es günstigere Prepaid-Karten gebe, machten jeweils schnell die Runde. Die Smartphones hätten aber noch mehr Potential, meint er. Zum Beispiel Apps auf Tigrinya, der wichtigsten Sprache in Eritrea, oder – für Leute mit Arbeitserlaubnis – Tools für die Stellensuche. «Eine Art Jobbörse, wo Arbeitssuchende ein einfaches Profil erstellen könnten», sagt Frey. Und hofft, dass – «bei all der Kreativität, die es im Web gibt!» – noch mehr möglich wäre.
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