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Kinderschänder tauchen im Darknet unter

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Bild: EPA/US IMMIGRATION AND CUSTOMS ENFOR
Internetkriminalität

Kinderschänder tauchen im Darknet unter

27.05.2014, 10:1212.11.2014, 11:36
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Im Internet gibt es immer weniger Kinderpornografie. Dies zumindest lassen die vom Bundesamt für Polizei (fedpol) am Dienstag veröffentlichten Zahlen vermuten. In Tat und Wahrheit tauchen Kinderschänder und ihre Kundschaft zunehmend im sogenannten Darknet unter.

Die Anzahl der gemeldeten Webseiten in öffentlich einsehbaren Bereichen des Internets ist rückläufig, wie das Bundesamt für Polizei (fedpol) in seinem Jahresbericht 2013 schreibt. Allerdings sei eine zunehmende Verlagerung der illegalen Aktivitäten von Pädokriminellen ins Darknet festgestellt worden.

Eine breite Öffentlichkeit hatte den nicht frei zugänglichen Teil des Internets im Zusammenhang mit der Kriminellen-Plattform Silk Road zur Kenntnis genommen. Auch für Dissidenten in Ländern mit Zensur und Internetüberwachung hat das Darknet grosse Bedeutung.

Was ist das Darknet?

Vereinfacht gesagt, handelt es sich um jenen Teil des Internets, der bei einer Google-Suche nicht angezeigt wird, weil die Nutzer anonym und unentdeckt bleiben wollen. Die Tür zu vielen Teilen des Darknet lässt sich nur mit speziellen Programmen öffnen. Tor beispielsweise, das wohl bekannteste davon, stellt anonyme Verbindungen im Tor-Netzwerk her.

Der Weg ins Darknet führt meist über das anonyme Tor-Netzwerk. 
Der Weg ins Darknet führt meist über das anonyme Tor-Netzwerk. Bild: watson

Im Weiteren müssen Nutzer die genaue Adresse einer Website kennen und unter Umständen über eine Einladung oder Zulassung verfügen. Ein ideales Umfeld also für alle, die von der Justiz unerkannt illegalen Aktivitäten nachgehen wollen: Dealer, Terroristen, Kinderschänder und alle Arten von Umstürzlern. Neben Drogen sollen Auftragsmorde, gestohlene Ausweispapiere, Falschgeld, neue Weltordnungen oder eben Kinderpornografie im Angebot sein. 

Zu Besuch im Darknet
watson hat Anfang Jahr im Darknet recherchiert. Die grosse Reportage «Zu Besuch bei Drogenhändlern, Pädophilen und Auftragskillern» lesen Sie hier

Bundespolizei setzt auf verdeckte Ermittler

Die Heimlichkeit des Darknet stellt das fedpol vor erhebliche Probleme. Die Schweizer Behörden können nicht einmal die Anzahl Webseiten mit Kinderpornografie abschätzen, geschweige denn jene der Nutzer. Trotz Anonymisierung wähnt sich das fedpol nicht ganz machtlos: Opfer und Täter könnten unter Umständen identifiziert werden. Hinweise lieferten auch Forumsbeiträge oder Mailadressen, hiess es auf Anfrage der sda.

Eine erfolgsversprechende Ermittlungsmethode ist laut fedpol das Einschleusen verdeckter Ermittler in entsprechende Plattformen. Dort werden sie allerdings bereits erwartet: Die Täterschaft sei sich der Schwierigkeiten der Strafverfolgungsbehörden durchaus bewusst und ergreife gezielt Massnahmen zur Erkennung verdeckter Ermittler, schreibt das fedpol.

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Zudem seien Ermittlungen im Darknet sehr zeitaufwendig – unter anderem, weil die Datenströme in den meisten Fällen über mehrere Länder hinweg verfolgt werden müssten. Ob Schweizer Behörden in den letzten Jahren erfolgreich im Darknet ermittelt haben, war auf Anfrage nicht zu erfahren.

Das fedpol verwies lediglich auf die Schliessung von Silk Road und die Verhaftung des Betreibers durch das FBI im Oktober 2013. Wenige Wochen später war die Plattform jedoch schon wieder online. Die Ironie dabei: Das Tor-Programm war von einem Forschungslabor der US-Marine mitentwickelt worden und wird noch immer vorwiegend von der US-Regierung finanziert.

Erpressung und Datendiebstahl im Netz nimmt zu

Das fedpol hatte 2013 aber nicht nur im Darknet, sondern auch im sichtbaren Teil des Internets alle Hände voll zu tun: Bei der Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (Kobik) waren gut 9200 Meldungen eingegangen. Rund 1400 davon betrafen Kinderpornografie - nur noch etwa halb so viele wie im Jahr zuvor.

Aufgrund von verdachtsunabhängigen Ermittlungen im Internet stellte Kobik den Strafverfolgungsbehörden 423 Verdachtsdossiers zu, was ebenfalls deutlich weniger sind als im Jahr zuvor. Sprunghaft zugenommen hat dagegen die Zahl der Meldungen zu Wirtschaftsdelikten: Erpressung oder Datendiebstahl machen inzwischen fast zwei Drittel der Internetdelikte aus. 

Hooligans und kriminelle Gruppen im Fokus des fedpol 
Der am Dienstag veröffentlichte Jahresbericht macht deutlich, wie breit das Tätigkeitsgebiet des Bundesamts für Polizei (fedpol) ist: Organisierte Kriminalität, Wirtschaftskriminalität, Geldwäscherei, Drogenhandel oder Menschenhandel sind nur die Schwerpunkte. 

Das fedpol befasst sich auch mit Themen wie Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen. Die Behörde geht davon aus, dass die Zahl der Personen mit hoher Gewaltbereitschaft inzwischen auf 600 bis 700 angewachsen ist. Zusätzlich neigten 1200 bis 1700 Personen je nach Situation zu Gewalt oder solidarisierten sich mit Gewalttätern. In der Hooligan-Datenbank HOOGAN waren Ende 2013 1385 Personen eingetragen, 88 mehr als ein Jahr zuvor. 

Das fedpol überwacht auch die dschihadistischen Aktivitäten in der Schweiz. Nach Einschätzung der Behörde ist die Schweiz nach wie vor kein prioritäres Ziel islamischer Terroristen. Immer mehr europäische Sympathisanten reisen jedoch nach Syrien, um sich am Bürgerkrieg zu beteiligen. 

Die Rückkehr solcher Kämpfer könne eine konkrete Gefährdung für die innere Sicherheit der Schweiz darstellen, schreibt das fedpol. Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) geht von mittlerweile rund 40 Dschihadreisen aus der Schweiz in verschiedenen Konfliktregionen aus, 15 davon wahrscheinlich in Richtung Syrien. 

Eine konkrete Bedrohung geht nach der Beurteilung des fedpol von den in Norditalien operierenden Mafiaclans aus, die auch in der Schweiz aktiv sind. Offen ausgetragene Gewalt ist gemäss dem Bericht aber eher selten. 

Hochkonjunktur hatte letztes Jahr der Enkeltrick-Betrug. Die Zahl der Meldungen verdoppelte sich auf 800. Trotz einer breit angelegten Präventionskampagne und einer Erfolgsrate von geschätzten 10 Prozent erschwindelten die vorwiegend aus Polen stammenden Gauner 2013 rund 4 Millionen Franken - eine Million mehr als im Jahr zuvor. (sda) 

(oli/sda)

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