Vorübergehend keimte Hoffnung auf. Die intensiven Gespräche zwischen der EU und der Schweiz könnten zu einer Lösung in der Zuwanderungsfrage führen. Selbst der Bundesrat schürte die Erwartungen. Der politische Wille sei auf beiden Seiten vorhanden, sagte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga.
Brüssel könnte Bern allenfalls eine Schutzklausel offerieren, gestützt auf Artikel 14 des bestehenden Freizügigkeitsabkommens, um die Zuwanderung in ausserordentlichen Situationen zu begrenzen.
Die «Aargauer Zeitung» aber weiss aus sicheren Quellen: Die politische Führung der EU hat sich bisher in keiner Weise zu den Gesprächen auf technischer Ebene zwischen dem Schweizer Staatssekretär Mario Gattiker und EU-Chefunterhändler Richard Szostak geäussert. Dazu kommt es erstmals am kommenden Montag anlässlich des Besuchs von Sommaruga und dem Schweizer Chefunterhändler Jacques de Watteville in Brüssel.
Die Schweizer Seite wartet auf ein politisches Signal der EU. Der Idealfall tritt ein, wenn Juncker die Stossrichtung der bisherigen Gespräche ausdrücklich begrüssen würde. Der Bundesrat erhofft sich davon neuen Schub für die entscheidenden Verhandlungswochen. Bis Ende Februar muss eine Lösung gefunden werden. Ansonsten will der Bundesrat unilateral und gegen den Willen der EU handeln.
Möglich ist aber auch, dass sich Juncker weder positiv noch negativ zu den Gesprächen äussern werde. In diesem Szenario bleibt zumindest eine kleine Chance, doch noch zu einer gütlichen Einigung zu gelangen. Schlecht für den Bundesrat wäre indes, sollte Juncker der Schweiz am Montag die Türe zuschlagen.
Offenbar sei dies nicht ganz ausgeschlossen, da die EU angesichts der britischen Sonderwünsche jeden Eindruck vermeiden will, dass ein Nicht-EU-Mitglied wie die Schweiz die besseren Konditionen bei der Personenfreizügigkeit aushandeln kann als EU-Mitglieder. Der Handlungsspielraum Brüssels ist extrem klein.
Wie die «Aargauer Zeitung» weiss, tritt allerdings auch die Schweiz unnachgiebig auf. Sie pocht dem Vernehmen nach auf eine Schutzklausel mit einer fixen Zahl. Sobald diese überschritten wird, würde die Zuwanderung begrenzt. Brüssel weigert sich bisher, sich auf dieses Zahlenspiel einzulassen.
Der Bundesrat befürchtet, dass ohne Zahl jede Verständigungslösung mit der EU innenpolitisch chancenlos ist. Der Zuwanderungsartikel 121 a, den das Volk am 9. Februar 2014 angenommen hat, verlangt Kontingente und einen Inländervorrang sowie eine Neuverhandlung des Freizügigkeitsabkommens. Schon längst ist klar, dass es so weit nicht kommen wird.
Finden Bern und Brüssel bis Ende Februar jedoch gar keine gemeinsame Lösung, wird der Bundesrat dem Parlament eine unilaterale Umsetzungsvariante vorschlagen. Ob die Regierung dannzumal den Hosenlupf mit Brüssel riskiert, indem sie fixe Kontingente und einen Inländervorrang im Gesetz festschreibt, ist offen. Im Bundesrat gehen die Meinungen dazu weit auseinander.
Nach wie vor ist die Befürchtung gross, dass Brüssel angesichts der Vertragsverletzung durch die Schweiz mit einer Reihe an Strafmassnahmen reagieren werde, zum Nachteil der wirtschaftlichen Entwicklung. Konkret bedroht sind in diesem Fall das Forschungsabkommen Horizon sowie die Beteiligung der Schweiz am Studentenaustauschprogramm Erasmus. Darüber hinaus könnte die EU punktuell den Warenverkehr mit der Schweiz publikumswirksam behindern, ohne die bilateralen Verträge direkt infrage zu stellen. (aargauerzeitung.ch)