Schweiz
Energie

Energiegesetz-Gegner mobilisieren für ein Nein mit Brief

Windkraftanlage, Gegner von Windkraft, Energiegesetz, Energiestrategie 2050, Komitee zur Rettung des Werkplatzes Schweiz
Mit diesen Bildern gehen die Gegner des Energiegesetzes auf Stimmenfang.bild: watson/zvg

Fotomontage und ausländische Vögel: So tricksen die Energiegesetz-Gegner

Ein unbekanntes Komitee wirbt mit falschen Bildern und geklauten Zitaten für ein «Nein» zur Energiegesetz-Abstimmung. Dahinter steckt ein SVPler.
04.05.2017, 09:2704.05.2017, 19:18
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«Liebe Mitbürgerin, lieber Mitbürger.» So beginnt ein Brief, der vor kurzem in jeden Haushalt der Schweiz flatterte. Darin forderten der «besorgte Bürger» Kurt Zollinger und der «Vogelliebhaber» Franz Helfenstein die Stimmberechtigten auf, am 21. Mai das Energiegesetz an der Urne zu verwerfen. Sie warnen vor Verteuerungen für jeden Haushalt von 3200 Franken im Jahr. Mit dem neuen Gesetz müssten zudem 1000 neue Windkraftanlagen gebaut werden. Dies sei eine Verschandelung der Landschaft.

Um ihre Argumente bildhaft zu untermalen, greifen die Herren Zollinger und Helfenstein tief in die Trickkiste. Auf dem Briefkopf prangt ein Bild des Vierwaldstättersees. Riesige Windräder schiessen wie Pilze aus der idyllischen Landschaft. Ein Vogelschwarm fliegt zwischen den rotierenden Turbinen durch. Das Bild eines toten Vogels soll die gravierenden Folgen der Windanlagen illustrieren. 

Schnell ist zu erkennen, dass das Bild eine Fotomontage ist. «Hier wurde alles wild durcheinander gemischt», sagt Stefan Bachmann, Sprecher  und Ornithologe von «BirdLife». Bachmann sagt, dass es sich bei den abgebildeten Vögeln um Kraniche handelt, die in der Schweiz nicht brüten, jedoch selten hindurchziehen. Bei dem kleineren Vogel rechts, der ein vermeintliches Opfer von einer Windkraftanlage darstellen soll, handelt es sich laut Bachmann um eine Dachsammer. Auch diese Vogelart gibt es in der Schweiz nicht. 

Dachsammer
Die Dachsammer. Sieht aus wie ein Spatz. Ist aber keiner.bild: wikipedia/Wolfgang Wander

Die Verfasser des Briefes schreiben weiter, sogar die Schweizerische Vogelwarte Sempach warne eindringlich davor, dass Vögel mit Windkraftanlagen kollidieren. Es sei ein grausames Vogelmordgesetz, über das abgestimmt würde. Bei der Vogelwarte auf den Brief angesprochen ärgert sich deren Sprecher Matthias Kestenholz: «Im Brief wird suggeriert, dass wir gegen das Energiegesetz sind. Das ist stossend und falsch.» Denn die Vogelwarte gebe keine Stimmempfehlung ab. Man sehe es nicht gerne, wenn der Name der Stiftung zugunsten von politischer Propaganda verwendet werde.

Zwar ist auch Kestenholz der Meinung, dass Windkraftanlagen für Vögel gefährlich werden können. In einer Ende 2016 publizierten Studie kommt die Vogelwarte zum Schluss, dass an einer Windanlage im Jura jährlich 20,7 Vögel erschlagen werden. Doch trotz dieser Todeszahlen ist die Vogelwarte nicht grundsätzlich gegen Windkraft. «Wie bei allen erneuerbaren Energien kommt es einfach sehr darauf an, wo die Anlage steht. So muss auch bei den Windrädern geschaut werden, dass sie nicht in Vogeldurchzugsgebiete gestellt werden», sagt Kestenholz.

Gegen das Komitee, das den Namen der Vogelwarte beschmutzt, will Kestenholz nicht vorgehen. Die Angelegenheit sei rechtlich kaum einklagbar, aber ärgerlich, weil der Text in einen missverständlichen Kontext gesetzt wurde. Widersprüchlich ist, dass die offiziellen Vogelschutz-Institutionen geschlossen hinter der Energiestrategie stehen. Auch «Birdlife» mit seinen 63'000 Natur- und Vogelschützern in 450 lokalen Sektionen hat einstimmig die Ja-Parole ergriffen. 

Die zwei Herren, die den Brief zeichnen, gehören dem «Komitee zur Rettung des Werkplatzes Schweiz» an. Kurt Zollinger war bis vor einem Jahr der Präsident der SVP-Ortspartei in Stäfa. Auf Anfrage sagt er, das Komitee gäbe es schon lange und sei ein loser Zusammenschluss von Leuten, die immer wieder einmal aktiv würden. Schon bei der Abstimmung zur Durchsetzungsinitiative im Februar 2016 und bei der Kampagne gegen die Erbschaftssteuer ging das Komitee mit Briefen auf Stimmenfang. Damals jedoch noch anonym.

Dass der Brief mit der Fotomontage und den benutzten Zitaten der Vogelwarte Sempach irreführend ist, findet Zollinger nicht. «Ist es so wichtig, welche Vögel abgebildet werden? Es ist Tatsache, dass Vögel in den Windrädern sterben.» Auch dass die offiziellen Vogelschutz-Verbände für das Energiegesetz sind, will Zollinger nicht gelten lassen. Er sagt: «Es gibt auch viele andere Vogelschützer, die das Gesetz bekämpfen.» Wen er damit meint, spezifiziert er aber nicht.

Auf seinen Brief habe er viele Reaktionen erhalten. Positive wie auch negative. So sei das halt, wenn man engagiert Politik mache, sagt Zollinger. «Man schafft sich immer Gegner.»

Buoyant Airborne Turbine: Strom aus der Luft

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Buoyant Airborne Turbine: Strom aus der Luft
Schwebendes Windrad: In der Mitte der etwa 15 Meter grossen Röhre befindet sich der Rotor.
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146 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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elivi
04.05.2017 10:06registriert Januar 2014
Wenn ich wegen vögel ein energie konzept bachab schicke dann müsste ich alle katzen verbieten und alle fenster die reflektieren. Und was sonst noch zum tod von vögel beihilft.
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Butschina
04.05.2017 10:06registriert August 2015
Ich bin ein riesiger Katzenliebhaber. Und meine mittlerweile verstorbene Katze war definitiv der schlimmere Vogelmörder als die jurassische Windkraftanlage. Irgendwo muss der Strom ja herkommen wenn die AKWs abgeschaltet sind. Lieber mehr Windparks als Atomstrom aus dem Ausland kaufen. Für mich ist es auch keine Verschandelung der Natur. Die werden ja nicht an jeden freien Fleck gestellt. Ich fände es aber wichtig Durchzugsrouten der Vögel freizuhalten.
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Lowend
04.05.2017 10:08registriert Februar 2014
Wie verzweifelt müssen die Gegner einer vernünftigen und nachhaltigen Energiestrategie sein, dass sie zu solchen Mitteln greifen?
Fake und Emotionen, statt Fakten und Wissen und vermutlich sind das genau solche, die heute Mittag, ohne jeden Skrupel, ein Güggeli aus Massentierhaltung verspeisen. Diesen organisierten "Vogelmord" befürworten und fördern Ultrarechte ja dann bekanntlich gern mit viel Bundesgeld.
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